Attendorn. Die Nachricht, dass die Helios-Klinik Attendorn ihre Geburtsstation schließt, sorgt für Entsetzen. Wie geht es mit der Klinik im Ganzen weiter?
Der Schock sitzt tief. Die Nachricht, dass die Helios-Klinik in Attendorn noch in diesem Jahr ihre Geburtsstation schließen wird, weil das so dringend benötigte ärztliche Fachpersonal fehlt, hat die gesamte Stadt ins Mark getroffen. „Diese Neuigkeiten haben mich entsetzt. Uns bricht ein ganz wichtiger Baustein in der medizinischen Versorgung weg“, erklärte Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) am Mittwochabend im Stadtrat. Und: „Die Geburtsstation war elementar für das Image unseres Krankenhauses. Ich selber habe als junger Vater die Geburten meiner Kinder in der Klinik erlebt und eine positive Verbindung aufgebaut“, erzählte der Bürgermeister. Vielen anderen Attendornern geht oder ging es ähnlich.
Besonders betroffen vom bevorstehenden Aus der Geburtsklinik sind die jungen Frauen, die in nächster Zeit ein Baby erwarten – und den Nachwuchs gerne in der Helios-Klinik bekommen hätten. Anna Heller, die in Lichtringhausen eine eigene Hebammenpraxis führt und im Jahr 2014 für ein paar Monate als Beleghebamme bei Helios gearbeitet hat, weiß das zu gut. „Die Unsicherheit bei den Frauen, die zeitnah oder eben in den nächsten Monaten ihr Kind erwarten, ist sehr groß. Sie fragen sich, wie es für sie nun weitergeht“, erklärt die 31-Jährige im Gespräch mit dieser Redaktion. Sie habe die Geburtsklinik in Attendorn ihren Frauen immer empfohlen und muss sich nun, wie die werdenden Mütter auch, neu orientieren. „Nach Alternativen zu schauen, und das auch noch in Zeiten von Corona, ist nicht einfach. Es sind viele Fragen, die sich die Betroffenen jetzt stellen.“
Klinik steht nicht zur Disposition
Eine Botschaft liegt Christian Pospischil, genauso wie Klinikgeschäftsführer Dr. Volker Seifarth, besonders am Herzen: „Das Krankenhaus an sich steht am Standort hier in Attendorn nicht zur Disposition.“ Im Gespräch mit dieser Redaktion beteuerte auch Seifarth, dass es sich um eine fachabteilungsbezogene Entscheidung handelt.
Der Bürgermeister entgegnete somit den Worten von Manuel Thys (CDU), der im Stadtrat davon sprach, dass „diese Nachricht die Axt an unser Krankenhaus legt“. Der CDU-Mann warb eindringlich dafür, von Seiten der Stadt noch mal alle Hebel in Bewegung zu setzen, um die Unternehmensentscheidung umzukehren. „Auch wenn die Chance sehr klein ist“, so Thys. Der Klinikgeschäftsführer schließt ein Zurück jedoch komplett aus.
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Auch Thys Parteifreund Rolf Schöpf, selbst Mitglied im Krankenhausbeirat, hat keine Hoffnung mehr, dass der Konzern seine Entscheidung revidieren wird. Aus seiner Enttäuschung, als Mitglied des Beirates im Vorfeld von dem beschlossenen Aus der Geburtsklinik nichts gewusst zu haben, macht Schöpf keinen Hehl: „Es hätte sich gehört, dass wir als Beirat vorher informiert worden wären. Wir wussten zwar, dass die Suche nach ärztlichem Personal schwierig verläuft, von einer kompletten Schließung der Abteilung wussten wir aber nichts.“ Auch Schöpf betonte den „guten Ruf, den sich das Krankenhaus mit seiner Geburtsstation erarbeitet hat“ und lobte die zuvor immer vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und dem Beirat, die nun einen kleinen Riss erlitten habe.
Dank an die Stadt für den Rückhalt
An dem guten Verhältnis möchte auch der Klinikgeschäftsführer festhalten, der sich am Mittwochabend im nicht-öffentlichen Teil der Ratssitzung den Fragen der Politik stellte. Seifarth: „Es war eine schwere Entscheidung und ein schwerer Tag, besonders für die unmittelbar Betroffenen. Ich kann aber klar sagen, dass diese Entscheidung keine andere Abteilung betrifft. Im Gegenteil. Wir sind hier dabei, unsere Leistungen auszubauen und die Weichen für die Zukunft zu stellen.“ Die neue Rettungswache direkt am Krankenhaus oder die Nachbesetzung von wichtigen Stellen, etwa in der Unfallchirurgie, seien gute Beispiele dafür.
Seifarth nutzte die Gelegenheit, um sich noch mal bei der Stadt, die komplett hinter der Klinik stehen würde, für das Vertrauen und die Unterstützung zu bedanken – „auch wenn das an einem Tag wie diesem nicht so einfach ist.“
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Von grundlegenden Problemen, die hinter dieser Nachricht stecken würden, schreibt Holger Thamm, Bundestagskandidat der Grünen für den Wahlkreis Olpe/Märkischer Kreis I, in einer Stellungnahme. Politik und Gesellschaft schafften es nicht, ausreichend Fachpersonal für einen geordneten Klinikbetrieb bereit zu stellen. Es würde an der Ausbildung in Deutschland mangeln, genauso wie bei der Integration von Fachkräften aus dem Ausland und anscheinend auch an attraktiven Arbeitsbedingungen im ländlichen Raum – und das trotz des drohenden Ärztemangels.
Geburtszahlen bewegen sich um die 500 pro Jahr
Mit bislang mehr als 400 Geburten erlebt die Geburtshilfe bisher ein starkes Jahr 2021 – im vergangenen Jahr waren es insgesamt 502 Geburten. In den vergangenen Jahren sahen die Geburtszahlen wie folgt aus: 500 Geburten in 2018, 516 in 2019 und 502 in 2020.
Thamm fordert: „Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass die Geburtshilfe erhalten bleibt und der Träger in Zusammenarbeit mit der Kommune alles dafür unternimmt, das Angebot zu erhalten. Es kann nicht sein, dass es in unserem großen Flächenkreis nur noch zwei Krankenhäuser gibt, die Geburtsstationen vorhalten.“ Gleichzeitig fordert er ein Krankenhauskonzept für den Kreis Olpe, denn: „Unser Ziel muss der Erhalt und der bedarfsgerechte Ausbau aller drei Krankenhäuser im Kreisgebiet sein.“ Für die Geburtsstation im Attendorner Krankenhaus kommt diese Forderung zu spät.