Olpe/Drolshagen. Priestermangel, Altarbild, Maria 2.0: Der neue Leiter des Pastoralverbundes Olpe/Drolshagen, Johannes Hammer, steht Rede und Antwort.
Pfarrer Johannes Hammer ist der Neue: Nachdem Clemens Steiling in den Ruhestand trat und Pfarrer Markus Leber von Drolshagen nach Altenhundem wechselt, übernahm Hammer nicht nur den Pastoralverbund Olpe, sondern auch die Leitung der Pfarreien in der Nachbarstadt Drolshagen. Dort sieht man die „Übernahme“ aus Olpe teilweise mit gemischten Gefühlen. Wir hatten Gelegenheit, dem aus Attendorn stammenden Geistlichen im ausführlichen Interview „auf den Zahn“ zu fühlen.
Frage: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Priester zu werden?
Johannes Hammer: Also, es öffnet sich nicht der Himmel, und eine Stimme spricht: Dies ist mein geliebter Sohn. Sondern es geht über viele Umwege. Es war ein längerer Prozess.
Also es gab keine mystische Situation, in der Sie praktisch an Ihrem Entschluss gar nicht mehr vorbei konnten, im Sinne von: Jetzt ist es soweit.
Nein, überhaupt nicht. Es waren die unterschiedlichsten Begegnungen und Erfahrungen im Laufe meines Lebens, von Kindesbeinen an. Wo dann auch die Frage nach dem Sinn des Lebens auftauchte, nicht zuletzt durch mir nahestehende Menschen, die krank waren oder in meiner Kindheit gestorben sind. Also ganz persönliche Erfahrungen. Auch das kirchliche Umfeld spielte eine Rolle. Ich war Messdiener in Attendorn, hatte zwei Onkel, die Priester waren. Ich wollte zudem einen Beruf haben, in dem ich mit vielen Menschen zu tun habe. Menschen sind für mich interessant und spannend.
Immer weniger Priester und Kirchgänger, Drolshagen verliert seine Eigenständigkeit, die Dorfpfarreien haben das schon hinter sich - wann kollabiert die Kirche, insbesondere auf dem Lande?
Warum sollte Drolshagen seine Eigenständigkeit verlieren? Und ich sehe auch nicht, dass die Kirche kollabiert. Das ist eine Außenansicht, die nicht treffend ist. In jedem Dorf gibt es Menschen, die sich für Glauben interessieren und sich im Rahmen einer Gemeinde für den Glauben einsetzen, und solange sie da sind, wird die Kirche auch nicht zusammenbrechen.
Auch ohne Priester?
Wir müssen uns verabschieden von Kirchenbildern, durch die wir geprägt sind, und neue entwickeln. Das bisherige Kirchenbild war so, dass in jedem Dorf ein Pfarrer lebt, und der Laden läuft. Das ist vorbei. Es ist ja nicht davon abhängig, ob ein Priester in der Nähe lebt, ob ich als Christ bete. Beten kann ich auch ohne einen Priester. Wir müssen Kirche neu denken und entwickeln.
Sie haben mehrfach den Begriff Kirchenbild gebraucht, da drängt sich die Frage auf, wie gefällt Ihnen das neue, umstrittene Altarbild in der Pfarrkirche in Drolshagen?
Das Bild hat einen Erfolg. Dass darüber gesprochen wird. Dass mal nicht Strukturdebatten geführt werden, sondern dass über Inhalte gesprochen wird. Zum Beispiel über die Frage: Was glaube ich, und welches Bild habe ich von Gott. Insofern ist das Bild ein voller Erfolg. Es wird darüber diskutiert, und es gibt unterschiedliche Meinungen.
Welche haben Sie?
Ich hatte aus den Vorberichten in Zeitungen und sozialen Medien einiges darüber gelesen und Fotos des Bildes gesehen. Da war ich zunächst ein wenig irritiert. Als ich aber bei der Altarweihe war, habe ich während des ganzen Gottesdienstes direkt davorgestanden. Da war ich sehr davon angetan. Die Perspektive ändert sich, wenn einem das Bild erklärt wird. Es ist aussagekräftig, ein neuzeitlicher Ausdruck des Glaubens, es geht um das Thema Maria Himmelfahrt. Künstler haben immer Menschen gemalt in der Kleidung ihrer Zeit. Und warum sollte nicht ein Künstler Maria malen in der Kleidung der Jetzt-Zeit.
Einige Katholiken konnten das bisher noch nicht so sehen.
Auch da sind wir geprägt durch unsere alten Bilder, die wir von Kirche im Kopf haben. Den Glauben in die Gegenwart zu übertragen, das muss unsere ständige Aufgabe sein. Das Bild ist eine Herausforderung, und ich kann nachvollziehen, wenn Menschen sagen: Damit kann ich nichts anfangen, davor kann ich auch nicht fromm sein. Ich habe dieses Problem nicht.
Drolshagens Bürgermeister Uli Berghof hat in seiner Rede zu ihrer offiziellen Amtseinführung humorvoll an den alten Spruch erinnert: ,Er weiß, er kann es, seine Name ist Johannes.’ Müssen Sie also alles können?
Überhaupt nicht. Ich habe genügend Menschen um mich herum, die mich unterstützen, hauptberuflich und im Ehrenamt. Dieses Signal nehme ich wahr, und deshalb mache ich mir keine Sorgen.
Es gibt in Drolshagen wie in Olpe viele Kirchen und Kapellen, aber ohne Pfarrer wird Kirche vor Ort nicht mehr gespürt. Wie kann man dem entgegenwirken?
Die Kirche ist da. Auch dadurch, dass es Menschen gibt in den Dörfern, die den Glauben praktizieren. Daran wird sich zeigen, ob Glaube lebens- und überlebensfähig sein wird. Ich bin übrigens in meiner Freizeit gerne mit dem Fahrrad unterwegs, habe mir ein E-Bike zugelegt, so dass ich auch die Sauerländer Berge hochkomme. Ich habe mir viele Kirchen ansehen können, die in tadellosem Zustand sind.
Wie viele Katholiken gibt es in beiden Verbünden?
In Olpe sind es rund 14.000, in Drolshagen rund 6.000.
Verteilt auf eine Riesenfläche. Da müssen Sie ja permanent mit Ihrem E-Bike unterwegs sein.
Oder mit dem Auto. Im Sommer auch zu Fuß.
Wollen Sie ein Pfarrer sein, der viel unterwegs ist, als hinterm Schreibtisch zu hocken?
Auf jeden Fall. Mich interessieren Menschen, und der persönliche Kontakt ist ganz wichtig. Um einschätzen zu können, wie ticken die, was ist ihnen wichtig, um mit ihnen das Leben zu teilen.
Ihre Handynummer steht im Pfarrbrief, wie lange halten es durch, für alle erreichbar zu sein?
Das heißt ja nicht, dass ich das Handy ständig bei mir trage. Es sei denn, ich habe Krankenbereitschaftsdienst. Außerdem kann ich Dinge auch delegieren. In Iserlohn, meiner vorherigen Stelle, habe ich das auch hinbekommen, hatte dort etwa 18.000 Katholiken im Verbund.
Sind Sie eine Art Zusammenführer und deshalb nach Olpe/Drolshagen gesetzt worden von der Diözese?
Jeder Priester hat die Aufgabe, Menschen zusammen zu führen, egal, wie groß die Gemeinde ist. Aber unsere Gebiete werden größer. Deshalb müssen wir Kirche neu entwickeln, was Seelsorge angeht. Seelsorge beginnt ja nicht erst, wenn der Priester kommt. Menschen können füreinander Seelsorgerinnen und Seelsorger sein. Das geschieht ja täglich, ob im Familien- oder Freundeskreis. Das beginnt schon dabei, sich gegenseitig zuzuhören.
Viele Kirchen, wenig Priester, aber Diözesen wie die in Paderborn mit prallvollen Kassen. Wie erklärt man das den Katholiken vor Ort?
Die Diözese Paderborn gibt jeden Tag eine Million Euro aus. Für die unterschiedlichen Einrichtungen, für Personal und vieles mehr.
Also für Gutes?
Ja natürlich, für unzählige caritative Zwecke. Es gibt tausend Kirchen und Kapellen in unserem Bistum, zahllose andere Immobilien, die alle instand gehalten werden müssen. Da ist eine Milliarde Euro schnell ausgegeben. Keine Frage, wir sind finanziell gut aufgestellt, aber mit dem Geld wird vieles umgesetzt, es liegt nicht nur einfach in Paderborn. Ich gehe auch davon aus, dass sich die finanzielle Situation der Kirchen massiv ändern wird, insbesondere, was das Modell der Kirchensteuer betrifft.
Aber brauchen wir Kirchen, wenn es kaum noch Priester gibt?
Machen Sie es doch nicht immer an den Priestern fest. Das ist purer Klerikalismus. Glauben tun die Menschen vor Ort. Und um in einer Kirchen zu beten, ist kein Priester notwendig. Es gibt verschiedene Formen des Gebets, einen Reichtum an liturgischen Formen. Wir sind sehr stark darauf fixiert, immer nur an Messe zu denken. Das ist schief und nicht zukunftsträchtig.
Die Frauen wollen in der Kirche nicht nur mitmischen, sondern Verantwortung übernehmen. Stehen Sie an deren Seite?
Ohne Frage.
Also halten Sie die Bewegung Maria 2.0 für einen guten Ansatz?
Ich bin gerade dabei, mit Mitgliedern dieser Bewegung ins Gespräch zu kommen. Frauen sollen in der Kirche Verantwortung wahrnehmen. Und das tun sie ja auch schon. Auch in leitenden Positionen. Das muss aber alles auch mit der Weltkirche abgestimmt werden. Wo wir da auf die Dauer landen werden, weiß ich nicht. Da bin ich selbst gespannt. Ich arbeite gerne mit Frauen zusammen.
Zurück zur Kirchenstruktur. Wann wird es den Pastoralen Raum für den gesamten Kreis Olpe geben?
Ich gehe davon aus, dass die pastoralen Räume größer werden. Aber auch das ist nicht neu in der Kirche. Es hat immer unterschiedliche Phasen gegeben, auch mit großen pastoralen Räumen. Attendorn war eine der Ur-Pfarreien des Bistums Köln. Das alte Dekanat Attendorn ging einmal bis nach Iserlohn.
Zurück in die Gegenwart: Welche Dinge stehen auf ihrer To-Do-Liste?
In der nächsten Woche treffe ich mich mit beiden Pastoralteams, das sind insgesamt 16 Personen. Da geht es darum, wie wir künftig zusammenarbeiten werden. Die pensionierten Priester sind da noch nicht mitgezählt. Der nächste Schritt ist, wieder eine Steuerungsgruppe ins Leben zu rufen für pastorale Prozesse, die es bereits gab. Dort soll darüber gesprochen und Ideen entwickelt werden, wie die beiden Gebilde, Olpe und Drolshagen, zusammenwachsen können. Diese Ideen sollen in die Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände getragen werden, um dann Zukunfts-Konzepte zu entwickeln. Auf der Grundlage der bisherigen Pastoralvereinbarungen.
Zum Abschluss drei Fragen, bei denen ich Sie bitte, ganz spontan zu antworten. Erstens: Wann fällt das Zölibat?
Muss das Zölibat fallen?
Wann kommt es zur Vereinigung der katholischen und evangelischen Kirche?
Ich gehe davon aus, dass die Kirchen in Zukunft weiter zusammenrücken, wahrscheinlich mit einer starken Wertschätzung und Akzeptanz ihrer Vielfalt und Unterschiede. Ich frage mich, ob es mit einer Einheitskirche nicht langweilig wird. Ich freue mich, dass es eine Vielfalt von Christen gibt mit unterschiedlichen Konfessionen.
Wann wird die erste Frau Päpstin sein?
Ich gehe nicht davon aus, dass ich das erleben werde.
Zur Person
Johannes Hammer ist 57 Jahre alt, in Attendorn geboren und das Abitur am Rivius-Gymnasium abgelegt. Nach zwei Semestern Wirtschaftswissenschaften wechselte er ins Theologiestudium (Paderborn und Innsbruck).
Priesterweihe: 1991, weitere Stationen als Vikar und Pfarrer u. a. in Dortmund, Menden und Iserlohn, wo er fünf Jahre auch Dechant war, bis 2021.