Kreis Olpe. Gute Noten für die Bürgermeister im Kreis Olpe beim Corona-Check: Wie sie Platzsperrungen rechtfertigen und was sie von Angela Merkel fordern.

Nach mehr als einem Jahr schlägt die Corona-Pandemie bei fast allen auf die Stimmung. Zu spüren bekommen das die Regierungen in Berlin und Düsseldorf, die im Corona-Check unserer Redaktion viel Kritik abbekommen. Mit dem Krisenmanagement des Kreises sowie der Städte und Gemeinden sind die Teilnehmer aus dem Kreis Olpe deutlich zufriedener.

In Drolshagen und Attendorn gab es die besten Noten. Im Interview erzählen die Bürgermeister Ulrich Berghof und Christian Pospischil, wie sie das Vertrauen der Bevölkerung trotz manch unliebsamer Entscheidung auch in Pandemie-Zeiten aufrecht erhalten haben.

Herr Berghof, geht es nach den Durchschnittsnoten sind Sie kreisweit ganz vorne. Hätten Sie gedacht, dass die Menschen offenbar einen deutlichen Unterschied machen zwischen den Entscheidungen von Bund beziehungsweise Land und dem, was hier vor Ort beschlossen wird?

Ulrich Berghof: Wir sind ja diejenigen, die die Menschen damit konfrontieren, wie sich das, was in der großen Politik beschlossen wird, tatsächlich auswirkt. Das tun wir – und das ist, glaube ich, Hintergrund der Bewertung – mit Fingerspitzengefühl. Wir gehen vernünftig mit den Menschen um, hauen nicht sofort mit der Keule drauf. Ich glaube, das wird honoriert.

Diskussionen um gesperrte Plätze

Viele Beschlüsse waren hochumstritten. Herr Pospischil, wie schafft man es, das Vertrauen der Bevölkerung zu behalten, auch wenn Entscheidungen dabei sind, die nicht überall gut ankommen.

Christian Pospischil: Zunächst mal muss man die Bürger engmaschig informieren, damit sie auch die Hintergründe verstehen. Zum anderen war die schweigende Mehrheit der Menschen, glaube ich, froh, dass die Vorschriften der Corona-Schutzverordnung auch kontrolliert wurden. Aber man muss die Regeln natürlich, wie Uli Berghof richtig gesagt hat, mit dem nötigen Fingerspitzengefühl anwenden.

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Es gab in Attendorn große Diskussionen, nachdem Sie die Skateranlage und das Basketball-Feld an der Rundturnhalle nach Verstößen gegen Corona-Regeln gesperrt haben. Halten Sie die Entscheidung im Rückblick noch für richtig?

Pospischil: Ja, weil wir vorher lange versucht haben, anders auf die Situation einzuwirken. Es haben sich in dem Umfeld oft um die 50, manchmal bis zu 80 Personen aufgehalten. Ohne Masken, ohne Abstände. Und es hat auch nichts gebracht, auf Kommunikation zu setzen. So blieb uns letzten Endes nichts anderes übrig. Und diese Entscheidung ist in einer Zeit getroffen worden, in der die Inzidenz im Kreis Olpe bei über 200 lag. Mit fallender Inzidenz gibt es natürlich auch wieder Spielräume, die Anlagen freizugeben.

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Ist das schon in Aussicht?

Pospischil: Es gibt noch keinen konkreten Termin. Aber wir werden uns damit beschäftigen, wenn der Trend bei der Inzidenz so anhält.

Aber messen Sie nicht mit zweierlei Maß, wenn Sie Jugendliche von einem Platz an der frischen Luft vertreiben, während sich der Kegelclub unbehelligt in einer Gartenhütte treffen kann?

Pospischil: Nein, das tun wir nicht. Der Kegelclub in der Gartenhütte besteht ja nicht aus 80 Personen. Treffen in dieser Personenstärke können wir nicht tolerieren.

Viel Arbeit für die Ordnungsämter

Herr Berghof, bei Ihnen gab es einen ähnlichen Fall. Die Badestelle Kalberschnacke wurde gesperrt. War das ein Eingeständnis, dass das Ordnungsamt mit Kontrollen überfordert war?

Berghof: An der Badestelle gab es im vergangenen Jahr schon einmal eine große Menschenansammlung. Die Polizei musste diesen Platz damals räumen. Etwas Ähnliches drohte jetzt wieder und wir deshalb frühzeitig darauf hinweisen, dass diese Stelle, die im Übrigen gar nicht öffentlich gewidmet ist, nicht zur Verfügung steht. In diesem Einzelfall hat es also nichts damit zu tun, dass wir überfordert sind. Aber allgemein ist das natürlich so, dass wir nicht in der Lage sind, ganz Drolshagen mit 58 Ortschaften rund um die Uhr zu überwachen. Normalerweise haben wir im Ordnungsamt eine Dame im Außendienst, die mit einer Teilzeitstelle den ruhenden Verkehr kontrolliert. Jetzt setzen wir natürlich auch andere Mitarbeiter dafür ein. Die Unterstützung im Haus ist da. Und dafür bin ich sehr dankbar.

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Die Ordnungsämter stehen jetzt seit über einem Jahr im Fokus, weil sie in vorderster Linie die Kontrollen durchführen. Kann man beziffern, wie viele Überstunden da angefallen sind?

Berghof: Ich weiß von einem Mitarbeiter, der erst wenige Monate bei uns ist, und in dieser Zeit schon deutlich über 100 Überstunden angesammelt hat. Corona steht im Ordnungsamt jeden Tag an erster Stelle. Alles andere muss hinten angestellt werden, weil es anders nicht zu bewältigen ist.

Pospischil: In Attendorn ist das ähnlich. Ich wundere mich fast, wie gut es im Ordnungsamt teilweise trotzdem gelingt, die anderen Aufgaben zu bearbeiten. Aber man muss deutlich sagen: Ohne personelle Verstärkung ging das auch bei uns nicht.

Helfen die Lockerungen, die jetzt in Aussicht stehen, um ein bisschen durchatmen zu können?

Pospischil: Lockerungen sind sogar eher knifflige Zeiten für das Ordnungsamt. Immer wenn es in einen strengen Lockdown ging, wurden die Regeln klarer. Bei Lockerungen, vor allem wenn sie sich nur auf einen Teil der Bevölkerung beziehen, wird es erst einmal schwieriger. Wenn demnächst Geimpfte vieles wieder dürfen, was Nicht-Geimpfte noch nicht dürfen, frage ich mich allen Ernstes, wie das Ordnungsamt das unterscheiden soll.

Berghof: Das kann ich eins zu eins bestätigen. Aktuell ist überhaupt nicht feststellbar, dass die Arbeitsmenge nachlässt. Und wie Christian Pospischil schon angedeutet hat: Sich ändernde Regelungen führen immer zu einem erhöhten Nachfrage-Volumen beim Ordnungsamt. Menschen verstehen die Regelungen nicht oder wissen nicht genau, wie sie auszulegen sind. Das Ordnungsamt hilft da gerne. Ich glaube, das ist vielleicht auch Hintergrund der positiven Bewertung. Aber das kostet Zeit. Insofern ist da im Moment noch kein Land in Sicht.

Arbeitsalltag komplett verändert

Was wünschen Sie sich von Bund und Land, um Ihnen das Leben einfacher zu machen? Was braucht es für Regeln für die nächste Zeit?

Berghof: Was Christian Pospischil gerade schon gesagt hat: Wir müssen eine bessere Einordnung bekommen, wie die unterschiedlichen Gruppen – Geimpfte, frühere Erkrankte, Getestete – zu sortieren sind und wie wir das überwachen sollen. Und ich hoffe, dass man früh genug daran denkt, dass wir im Herbst wieder in eine schwierigere Phase kommen können.

Pospischil: Den Wünschen kann ich mich anschließen. Wir müssen im Auge haben, wie man mit einer weitgehend durchgeimpften Bevölkerung ab Herbst umgeht, wenn es punktuell doch wieder zu größeren Ausbrüchen kommen sollte.

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Wir haben jetzt über die Ordnungsämter gesprochen. Aber wie steht es um Ihre persönliche Arbeitsbelastung? Wie hat sich der Burgermeister-Alltag in der Pandemie verändert?

Berghof: Der Bürgermeister-Alltag hat sich vollständig verändert. Veranstaltungen oder aus Gesprächen mit Personen, die einem vor Ort etwa schildern wollen – das ist alles weg. Insofern hatte man die Zeit, sich auf anderes zu konzentrieren. Mein Arbeitsalltag ist inhaltlich ein vollständig anderer, aber die Arbeitsintensität ist kein Stück geringer geworden.

Pospischil: Bei mir ist es ähnlich. Ich empfinde den Arbeitsalltag als noch verdichteter als vorher – allein, weil man nicht diese Pausen zwischen den Besprechungen hat, sondern eine Videokonferenz nach der anderem in seinem Büro erledigen kann. Dagegen ist meine Familie ganz erstaunt, mich am Wochenende so oft zu Hause zu sehen.

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Die Digitalisierung in den Verwaltungen ist schon angesprochen worden. Wie viel Strecke auf dem Weg zu einer digitalen Verwaltung hatten Sie vor Corona zurückgelegt und wo stehen Sie jetzt?

Pospischil: Das hat uns von 20 auf zumindest 50 Prozent katapultiert. Vom ersten Lockdown waren wir noch ganz anders betroffen. Mittlerweile hat fast jeder Mitarbeiter einen Laptop, mit dem er auch von Zuhause aus arbeiten kann.

Berghof: Wir haben darüber auch einen deutlichen Rückenwind bekommen. Wir haben damit begonnen, unsere Abläufe im Konkreten zu überprüfen und werden kurzfristig eine Stelle für einen Digitalisierungssacharbeiter besetzen.

Pospischil: Ja, mit diesen Dinge, die Uli Berghof jetzt angesprochen hat, beispielsweise mit der Einführung der digitalen Akte in allen Bereichen der Verwaltung, müssen wir uns noch ein paar Jahre beschäftigen. Deshalb stehen wir aus meiner Sicht auch erst bei 50 Prozent.

Auf offener Straße mit Prügel bedroht

Die Pandemie hat auch die Diskussionskultur verändert. Nach einer neuen Umfrage sind 72 Prozent der Bürgermeister in Deutschland schon bedroht oder beleidigt worden. Bekommen Sie das auch zu spüren?

Berghof: Ich bin schon einmal beleidigt worden. Allerdings nicht rund um Corona, sondern im Rahmen einer Veranstaltung. Und einmal hat man mir auf offener Straße angedroht, mich zu verprügeln. Das ist aber die absolute Ausnahme. Der weit überwiegende Teil der Bevölkerung geht sehr verständnisvoll mit den Maßnahmen um.

Pospischil: Ich bin persönlich noch nicht beleidigt oder bedroht worden. Vielleicht gibt es so etwas irgendwo im Internet, wo ich es noch nicht gesehen habe. Aber da kann es dann auch gerne bleiben. Ich nehme allerdings auch die gesellschaftliche Stimmung als rauer wahr. Was sich die Mitarbeiter im direkten Austausch mit Leuten, denen vielleicht auch Restriktionen auferlegt werden, anhören müssen, ist schon harter Tobak.

Wenn wir die Pandemie dann hinter uns gebracht haben: Welche Erfahrungen möchten Sie in die Zeit danach mitnehmen?

Berghof: Ich habe erkannt, dass sich Menschen ausklinken, wenn sie die Regeln nicht verstehen. Und das führt dann zu Gegenwehr und Aggression. Das hat bei mir die Erkenntnis verstärkt, dass ich auch die Dinge, die ich tue, noch viel besser erklären muss.

Pospischil: Ich denke, dass der Bevölkerungsschutz einen höheren Stellenwert behalten wird. Das andere ist: Selbst in einer Situation, die vielen Einschränkungen auferlegt und den Kommunen die Aufgabe gibt, diese zu kontrollieren, gibt es noch immer viele Spielräume, die Verhältnisse vor Ort erträglicher zu gestalten. Nach meiner Wahrnehmung ist es uns ganz gut gelungen, da Ideen zu entwickeln, auch mit vielen Aktiven hier in der Stadt, um durch Lieferdienste, durch Kulturveranstaltungen unter Pandemiebedingungen, manchmal auch durch unbürokratische Hilfen das Leben etwas zu erleichtern.

Und was ist Ihr größter Wunsch für die Zeit nach der Pandemie?

Pospischil: Ich bin mir da mit meiner Frau nicht ganz einig geworden: Sie würde am liebsten wieder normal shoppen gehen und ich würde gerne mal wieder an einer Theke stehen und ein Bier trinken. Als Bürgermeister wünsche ich mir, dass die Menschen zum Stadtjubiläum im nächsten Jahr wieder richtig Lust haben, rauszugehen und mit uns in Attendorn zu feiern.

Berghof: Ich wünsche mir für mich, aber vor allem auch für die Drolshagener Bevölkerung, dass unsere Veranstaltungen wiederkommen. Ich glaube, dann wird sich eine unheimliche Freude breit machen. Und da freue ich mich drauf.