Attendorn. Daten-Analysten haben erforscht, wann und wo die Menschen in Attendorn unterwegs sind. Sie prognostizieren, welchen Effekt das Wall-Center hätte.
Verkauft die Stadt Attendorn ihre Grundstücke auf dem ehemaligen Busbahnhof an den Investor ITG, der unweit des Allee-Centers ein zusätzliches Einkaufszentrum bauen möchte, oder nicht? Kaum eine Frage wird in Attendorn derzeit heißer diskutiert.
Die Entscheidung fällt am Mittwochabend im Stadtrat, es deutet sich eine Mehrheit für den Verkauf an. Genau dieses Szenario möchte eine Gruppe von Bürgern, Einzelhändlern, aber auch namhaften Unternehmern und sogar die IHK Siegen/Olpe verhindern. Die Industrie- und Handelskammer stützt sich dabei unter anderem auf die Auswertung von Freifunkdaten in Attendorn.
Über den Bürgerantrag, den Verkauf zurückzustellen und zunächst einen Investorenwettbewerb auszurichten, haben wir berichtet. Genauso wie über das Kopfschütteln der Verwaltung, die darauf hinweist, dass es in den Jahren 2018 und 2019 bereits ein offenes und faires Verhandlungsverfahren mit vier potenziellen Investoren gegeben habe.
Die ITG hat sich dabei durchgesetzt. Kurz vor der Entscheidung am Mittwoch im Stadtrat haben zwei weitere Investoren (HD Investitions- und Verwaltungs GmbH aus Deizisau/Baden Württemberg und die peko GmbH aus Eppelborn/Saarland) ihren Ring in den Hut geworfen. Pikant: Die Baden-Württemberger haben laut Bundesanzeiger das Jahr 2019 mit einem Fehlbetrag in Höhe von knapp 2,5 Mio. Euro (Eigenmittel) abgeschlossen und sind in 2017 mit einem Einkaufszentrum Konkurs gegangen.
Drei Knotenpunkte in Attendorn
Die IHK Siegen/Olpe sieht den Standort am Bahnhof für großflächigen Einzelhandel grundsätzlich als geeignet an. Wie mehrfach berichtet, sollen im Wall-Center unter anderem ein Lebensmittelvollsortimenter und eine Drogerie heimisch werden. Die Kammer warnt jedoch vor den Auswirkungen auf den bestehenden Einzelhandel.
Fragen und Antworten
Bürgermeister Christian Pospischil beantwortet auf der städtischen Internetseite (www.attendorn.org) einige Fragen rund um das Wall-Center – unter anderem diese: Warum setzt die Stadt auf eine Realisierung mit dem Investor ITG? Oder: Warum soll schon jetzt ein Grundstückskaufvertrag mit ITG abgeschlossen werden? Der Bürgermeister klärt zudem über das weitere Vorgehen auf und beantwortet die Frage, was sich durch die Corona-Krise verändert habe.
Das machte sie nicht zuletzt beim IHK-Wirtschaftsgespräch in Attendorn im vergangenen Jahr deutlich. Die IHK stützt ihre Befürchtungen unter anderem auf eine Analyse, die – ganz nüchtern betrachtet – die Besucherströme in Attendorn genau unter die Lupe nimmt.
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Im Rahmen des Forschungsprojektes Dales, das die Zukunftsfähigkeit des Einzelhandels in Attendorn stärken soll und gemeinsam von der Uni Siegen, der IHK, Gewerbetreibenden und der Verwaltung durchgeführt wird, haben Analysten des Siegener Unternehmens „statmath“ anhand von Freifunkdaten herausgefiltert, wie, wann und wo sich die Menschen in Attendorn aufhalten. Die Experten haben dabei drei Knotenpunkte ausgemacht – die Fußgängerzone, den Bereich am Parkdeck Feuerteich und den Bereich am Allee-Center/Euronics.
Bürgermeister: höhere Frequenz
Diese Daten geben laut „statmath“ folgende Rückschlüsse: Am Freitagnachmittag sind deutlich mehr Menschen rund um Allee-Center und Euronics unterwegs als im Stadtzentrum. Am Samstagvormittag tummeln sich die Attendorner dafür lieber in der Innenstadt – vermutlich wird der Markt seinen Anteil haben. Und: „Der Bau eines Einkaufszentrums außerhalb des Stadtzentrums könnte die Menschen noch weiter in Richtung Stadtrand und weg vom Zentrum drängen.“ Genau das fürchten auch viele Einzelhändler und Betroffene, die – zumeist unter vorgehaltener Hand – von einem Ausbluten der Innenstadt sprechen. Diese Daten geben allerdings nur Hinweise und sind keine wasserdichten Fakten.
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Werden sich die Befürchtungen dennoch durch die Datenanalyse bewahrheiten? Nein, sagt Bürgermeister Christian Pospischil (SPD). Das Gegenteil sei der Fall, denn durch das neue Einkaufszentrum würden insgesamt deutlich mehr Menschen zum Einkaufen nach Attendorn kommen und nicht mehr nach Olpe oder Bamenohl ausweichen. „Durch das Wall-Center werden wir die Frequenz insgesamt erhöhen. Die Menschen, die samstags zum Müller nach Olpe fahren, können dann bei uns bleiben. Und je mehr Bürger in unserer Hansestadt bleiben, desto mehr wird auch die Innenstadt profitieren. Genau die werden wir durch das neue Einkaufszentrum auch stärken.“ Daran würde auch die Auswertung der Siegener Datenexperten nichts ändern. Heute entscheidet sich, ob die Politik das mehrheitlich genauso sieht wie der Bürgermeister.