Kreis Olpe. Die Corona-Impfungen in den Arztpraxen im Kreis Olpe stocken. Denn es fehlt Impfstoff. Der Politik werfen viele Ärzte schwere Versäumnisse vor.
Impfstoff gegen das Coronavirus bleibt weiter Mangelware – sehr zum Ärger der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte im Kreis Olpe, die seit Ostern ihre Patienten impfen sollen. Die Politik habe mit dem Impfstart in den Praxen Erwartungen geschürt, die nicht erfüllt werden könnten, beklagt Hans-Georg Cremer, CDU-Kreistagsmitglied aus Finnentrop und niedergelassener Frauenarzt in Plettenberg, im Corona-Arbeitskreis. „Die Kollegenschaft“, sagt Hans-Georg Cremer, „empfindet das zunehmend als Staatsversagen.“
Unsere Redaktion hat in 106 Haus- und Facharztpraxen im Kreis Olpe nachgefragt. Das Ergebnis: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegen weiterhin Welten. Nur drei Praxen gaben an, alle oder fast alle der bestellten Impfdosen auch erhalten zu haben. In den meisten Fällen ist jedoch nur ein bis zwei Drittel der Bestellmenge eingetroffen. Die größte Diskrepanz meldet eine Gemeinschaftspraxis aus Lennestadt: 250 Impfdosen wurden geordert, nur 24 geliefert.
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Dabei sei die Impfbereitschaft hoch. 80 bis 90 Prozent der Patienten, die schon berechtigt wären, würden sich gerne impfen lassen, so die einhellige Einschätzung der Mediziner. In vielen Praxen stehen Hunderte Menschen auf Wartelisten. „Viele wollen allerdings nicht ins Impfzentrum, sondern warten, bis wir ein Impfangebot machen können“, stellt Dr. Thomas Vente, Hausarzt in Kirchhundem, fest.
Kritik an „vorschnellen Verlautbarungen“ der Politik
„Wenn die Politik es geschafft hätte, ausreichend Impfstoff in zugesagter Menge zur Verfügung zu stellen und Vertrauen in der Bevölkerung zu schaffen, wäre eine ,Durchimpfung’ schon erheblich weiter“, betont Rainer Pfingsten, Gynäkologe aus Attendorn. „Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind es gewohnt, in jeder Grippeepidemie einen Großteil der Bevölkerung zu impfen. Dies gilt in gleicher Weise auch für Coronaimpfungen. Es ist unanständig, Fehlentscheidungen und Mangelverwaltung durch die Politik den Ärzten anzulasten.“ Auch andere Ärzte betonen: „Wir könnten viel mehr leisten.“ Wäre ausreichend Impfstoff vorhanden, könnten allein die Hausärzte innerhalb weniger Wochen allen Patienten ein Angebot machen.
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Schon bei der Beschaffung des Impfstoffs seien schwere Fehler gemacht worden, sagt der Attendorner Allgemeinmediziner Dr. Hans-Peter Hunfeld: „Es ist zu wenig Impfstoff da, weil die EU/Gesundheitsminister wie auf einem türkischen Basar um 20 Euro gehandelt und nicht rechtzeitig bestellt haben.“ In die gleiche Kerbe schlägt Dr. Roger Dietz, Hausarzt in Saalhausen, der viele Politiker für „massiv überfordert“ hält: „Das Ergebnis sind vorschnelle Verlautbarungen, die sich später als falsch herausstellen und zurückgenommen werden müssen. Da ist der Schaden aber schon angerichtet.“
Widersprüchliche Informationen über die Impfstoffe habe große Verunsicherung ausgelöst, glauben auch Dr. Dirk-Armin Otto und Dr. Gerhard Runge aus einer Gemeinschaftspraxis in Kirchhundem: „Die vielen Unsicherheiten führen zu vielen Nachfragen in unserer Praxis, die den normalen Betrieb sehr stören.“ Dass der Start der Impfungen in den Arztpraxen bekannt gegeben wurde, ohne dass genug Impfstoff vorhanden sei, habe ebenfalls zu großem Ärger bei den Patienten beigetragen, erklärt Dr. Thomas Giesen aus Wenden.
Vorbehalte gegen Astrazeneca
Auf Vorbehalte stößt bei vielen Patienten der Astrazeneca-Impfstoff. „Wir müssen einen guten Teil unserer Impfaufklärung und Telefonzeit darauf verwenden, den Patienten, die über 65 Jahre alt sind, verständlich zu machen, dass sie sich mit dem Astra-Impfstoff weder gefährden noch einen schlechteren Impfschutz einhandeln“, sagt Dr. Dietz.
Ein höheres Impf-Tempo und mehr Impfstoff würde sich zwar auch Hedwig Hamers, Allgemeinmedizinerin in Heggen, wünschen. „Andererseits“, schreibt sie, „ist die Verteilung ja auch ein Problem der globalen Gerechtigkeit.“
Das Impfzentrum in Attendorn nehmen die Ärztinnen und Ärzte von ihrer Kritik aus. „Hohe Effizienz, hohes Engagement der Beteiligten auf allen Ebenen, gute Kooperation“, lobt etwa Rainer Pfingsten.
Nicht in die Impfkampagne eingebunden sind die Zahnärzte. „Wir dürfen mit Nadeln nur im hochsensiblen Mund- und Gesichtsbereich zustechen. Ein Oberarm wäre zu kompliziert“, reagiert Christine Müller aus Finnentrop mit Ironie.