Kreis Olpe. Viele Über-70-Jährige erscheinen trotz Termin-Buchung nicht am Impfzentrum: „Scheinbar ist nicht allen bewusst, wie kostbar der Impfstoff ist.“

Am Wochenende sind 40 Prozent aus der Gruppe der Über-70-Jährigen trotz Termin-Buchung nicht im Impfzentrum erschienen, bestätigt Andreas Sprenger, Leiter des Corona-Krisenstabes, auf Anfrage noch einmal (wir berichteten). Dadurch entstand ein organisatorisches Problem, denn der Impfstoff muss zwei Tage vorher beim Land bestellt werden. Stefan Spieren, ärztlicher Leiter des Impfzentrums, versichert jedoch: „Bei uns bleibt kein Impfstoff liegen. Das war noch nie so und wird auch nie so sein.“

Die Vermutung liegt nahe, dass einige Impfkandidaten sich parallel bei ihrem Hausarzt (oder mehreren) einen Impftermin geben haben lassen. „Scheinbar ist nicht allen bewusst, wie kostbar der Impfstoff ist“, sagt Stefan Spieren. „Aber wir sind darauf vorbereitet, führen Nachrückerlisten oder öffnen spontan die Impfung für Sondergruppen.“ Andreas Sprenger teilt diese Vermutung. Er macht darin einen allgemeinen Trend und kein spezifisches Problem im Kreis Olpe aus. Sprengers dringender Appell: Wer sich beim Hausarzt impfen lassen möchte, sollte frühzeitig seinen Termin im Impfzentrum absagen.

Spieren: ein unmögliches Benehmen

Wer zu den Sondergruppen gehört und damit nachrücken kann, ist per Verordnung geregelt. Es geht um berechtigte Berufsgruppen sowie Kontaktpersonen von Schwangeren und pflegebedürftigen Personen, die zu Hause betreut werden. „Steuerberater, Versicherungsmakler, Architekten, Betriebsleiter, Key Account Manager oder z.B. Rechtsanwälte sind aufgrund ihres Berufes keine Sondergruppen“, sagt Spieren. „Einige versuchen, sich derzeit leider scheinbar Termine zu erschleichen, das ist ein unmögliches Benehmen. Manche mussten wir mehrfach abweisen, weil sie keine Berechtigung hatten.“

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Ein weiteres Problem: Einige wollen ihre Zweitimpfung – nachdem sie ihre Erstimpfung im Impfzentrum erhalten haben – nun lieber von ihrem Hausarzt. Dort ist das Impfstoff-Kontingent aber sehr begrenzt. Heißt: Der Hausarzt muss entweder versuchen, noch mehr Impfstoff zu bestellen – oder verimpft notfalls eine Erstdosis. Das hätte zur Folge, dass ein irgendein anderer keine Erstdosis erhalten kann. „Jeder soll bitte dahin gehen, wo er auch seine erste Impfung erhalten hat, damit das System funktioniert“, betont Spieren.

Diese Nachverfolgung ist nicht möglich

Aber woran liegt die scheinbar eher schleppende Nachfrage bei den Menschen über 70? „Die Menschen in dieser Altersklasse haben häufig eine chronische Erkrankung. Und viele chronisch Kranke wurden bereits in der Priorisierung berücksichtigt.“ Das sei auch in anderen Impfzentren so, sagt Stefan Spieren. Das nachzuverfolgen, ist nicht möglich. Hier macht der Datenschutz einen Strich durch die Rechnung: „Es gibt keine zentrale Stelle, bei der registriert wird, wer bereits geimpft ist oder einen Termin hat. Das Ministerium hat bereits reagiert und lässt auch weitere jüngere 70-Jährige zu den Impfungen zu“, sagt Spieren.

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Fakt sei jedenfalls: Im Impfzentrum des Kreises Olpe bleibe kein Impfstoff liegen. Dafür sorgten alle Verantwortlichen gemeinsam jeden Tag. „Wir haben von Anfang an auf das Online-Buchungsportal gesetzt“, sagt Spieren. „Und das funktioniert reibungslos. Es kommen auch Menschen außerhalb des Kreises Olpe aus NRW nach Attendorn – dies ist erlaubt und bestätigt die gute Organisation und die Abläufe im Impfzentrum.“ Die für Auswärtige genutzten Impfdosen werden vom Land unbürokratisch ausgeglichen.

Angst vor Astrazeneca

Dass diese Gruppe mit Astrazeneca geimpft wird und es dadurch schwierig werde, den Impfstoff an andere Sondergruppen zu verteilen (Unter 60-Jährige dürfen Astrazeneca nicht erhalten), sei ein Irrglaube. Bisher liefe lediglich eine Impfaktion für Menschen über 60 mit Astrazeneca. „Über 60 heißt aber nicht automatisch über 70“, sagt Stefan Spieren. „Die Über-70-Jährigen bekommen in der Regel den Impfstoff der Firma Biontech.“

Dr. Martin Junker, Olper Allgemeinmediziner, vermutet, dass auch bei den Über-70-Jährigen immer noch Angst vor Astrazeneca verbreitet sei. Zum anderen würden vermutlich einige Impfkandidaten den Termin bei den Hausarztpraxen bevorzugen und verschweigen, dass sie schon einen Termin im Impfzentrum hätten: „Wir fragen grundsätzlich nach, ob jemand bereits einen Termin im Impfzentrum hat. Wenn das so ist, fällt er bei uns raus.“ Es sei aber zu vermuten, dass die Befragten nicht immer die Wahrheit sagten und deshalb Termine im Impfzentrum ohne vorherige Absage platzten.

In seiner Praxis, so Junker weiter, sei bisher zwar Biontech verimpft worden, die Angst vor Astrazeneca hält er aber für nicht gerechtfertigt, wenn Risikofaktoren beachtet würden: „Junge Frauen mit Krampfadern oder mit Thrombosen in ihrer Vorgeschichte, dazu starke Raucherinnen, sollten ausgeschlossen werden.“ Bei Frauen über 45 und ohne solche Vorgeschichten, sehe er kein Risiko.

>>> Regeln für Feuerwehr-Impfung

In der öffentlichen Diskussion steht aktuell auch das Impfen von Angehörigen der Feuerwehr. Dazu stellt Andreas Sprenger klar: „Das Impfzentrum des Kreises Olpe hält sich in der Impfreihenfolge an die Vorgaben des Landes Nordrhein-Westfalen. Danach sind Angehörige der Feuerwehr noch nicht als Sondergruppe an der Reihe. Nur im Rahmen überzähliger Impfdosen ist eine Flexibilisierung dieser verbindlichen Vorgaben möglich. Diesen Spielraum nutzt der Kreis Olpe aus und konnte so schon viele Feuerwehrkameraden impfen. Die kurzfristige Verfügbarkeit der Feuerwehr in solchen Fällen spielt dabei eine wichtige Rolle. Feuerwehrkameraden, die sich wohl irrtümlich als Angehöriger einer Sondergruppe anmelden, werden im Impfzentrum ebenso abgewiesen wie andere nicht berechtigte Personen. Dieses Verfahren ist mit der Feuerwehrführung vereinbart und mit dem Ministerium in Düsseldorf abgestimmt.“