Wenden. Die SPD will sich trotz fehlender Gutachten auf einen Schwimmbad-Neubau in Wenden festlegen. Im Rat wurde intensiv gestritten – nicht nur darum.

Wenn der Stadtrat vier Tage vor der Kommunalwahl noch einmal zusammentritt, ist ein intensiver und stellenweise auch hitziger Verlauf wohl zu erwarten. Darüber war sich auch Bürgermeister Bernd Clemens im Klaren. „Dass die Sitzung so intensiv wird, damit hätte ich aber nicht gerechnet“, sagt er am Ende des mehr als drei Stunden andauernden öffentlichen Teils. Die Wahlkämpfer aller Parteien kamen nicht aus ihrer Haut.

Beispiel 1: Schwimmbad

Für die größte Überraschung des Abends sorgte die SPD. Auf der Tagesordnung stand eigentlich nur ein nüchterner Sachstandsbericht über die Sanierung oder den Neubau des Schwimmbads. Da noch nicht alle Gutachten vorliegen, erklärte die Verwaltung in ihrer Informationsvorlage, eine Debatte über das weitere Vorgehen in die Dezember-Sitzung des dann neu gewählten Rates zu vertagen.

„Seit Monaten eiern wir bei diesem Thema herum“, kritisierte Robert Dornseifer (SPD). Die Politik dürfe die notwendige Grundsatzentscheidung nicht länger vor sich herschieben, warb er dafür, sich auf den Bau eines neuen Schwimmbades festzulegen. „Es gibt nichts, was erhaltenswert wäre.“ Die Schäden am bestehenden Bau seien zu gravierend, eine behindertengerechte Nutzung auch bei einer umfassenden Sanierung nicht möglich und auch die Park- und Anfahrtssituation spreche für einen Neubau an anderem Standort – nach dem Willen der SPD am Schulzentrum.

Bei einer Sanierung werde „gutes Geld in ein marodes Gebäude“ investiert, fürchtet Dornseifer. Ein Neubau sei zwar die größere Investition, dafür sei die Gemeinde Wenden aber auch zukunftsfähig aufgestellt. Kostenschätzungen gehen bei einer Sanierung je nach Umfang von 1 bis 4 Millionen Euro aus, bei Abriss und Neubau von 6 bis 8 Millionen.

Für einen solchen Grundsatzbeschluss sei „heute nicht der Zeitpunkt“, erwiderte Bürgermeister Bernd Clemens: „Wenn jemand verlangt, bei solchen Investitionen einen Schnellschuss zu machen, ist er bei mir auf dem Holzweg.“ Mit Blick auf die anstehenden Um- und Ausbauten an der Gesamtschule, an den Grundschulen und an den Feuerwehr-Häusern müsse die Gemeinde genau abwägen, wie das Geld investiert wird.

„Wer am heutigen Abend über eine Einzelmaßnahme abstimmen lässt, handelt grob fahrlässig“, bestärkte Ludger Wurm (CDU) die Position des Bürgermeisters. Parteikollegin Angelika Henne wiederum ließ Sympathie für den SPD-Vorstoß erkennen. „Wir hampeln hier rum und schieben seit einem Jahr nicht nur dieses Thema vor uns her“, sagte sie und ergänzte an ihre Fraktionskollegen gerichtet: „Heute genauso, weil ihr euch nicht aufraffen könnt.“

Elmar Holterhof (Grüne) warf dem Bürgermeister vor, eine Mitschuld daran zu tragen, wenn Teile des Gemeinderates die Geduld verlieren: „Sie haben für heute eine Gegenüberstellung der Kosten angekündigt und nicht geliefert.“ Das Kostengutachten, rechtfertigte sich Bernd Clemens, sei erst am 17. August im Rathaus eingegangen. Den Schriftsatz bis zur Ratssitzung am Mittwoch auszuwerten, sei nicht umsetzbar gewesen.

Nach einer Sitzungsunterbrechung stimmten die Ratsmitglieder in geheimer Wahl über den SPD-Antrag ab. Elf Ratsmitglieder votierten dafür, sich künftig auf die Neubaupläne zu konzentrieren, 21 waren dagegen.

Beispiel 2: CDU-Anträge

Der Bürgermeister solle einen Telekom-Vertreter in eine Ratssitzung einladen, damit dieser über den 5G-Ausbau im Wendener Land berichten kann. Die Gemeinde solle prüfen, welche Auswirkungen die Einspeisung von Strom aus neuen Photovoltaikanlagen auf das Wendener Stromnetz hat. Der alte Ortskern von Wenden solle planungstechnisch neu geordnet und gemeinsam mit der muslimischen Gemeinde ein anderer Moschee-Standort gefunden werden. Die Gemeinde solle die Errichtung eines integrativen Spielplatzes in Wenden prüfen.

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Vier Anträge der CDU bestimmten die Tagesordnung der letzten Ratssitzung vor der Wahl – und sorgten bei den anderen Fraktionen für Verwunderung. „Einzig wahlkampftaktische Überlegungen“ warf Thorsten Scheen (UWG) der Mehrheitsfraktion vor. „Die CDU beschränkt sich darauf, Problemfelder aufzuzeigen. Das soll suggerieren: Wir tun was“, erklärte er. In Wirklichkeit überlaste sie mit den Prüfaufträgen aber bloß die Verwaltung, ohne konkrete Verbesserungsvorschläge zu machen.

Elmar Holterhof zählte außerhalb der Haushaltsberatung zwei CDU-Anträge in den vergangenen drei Jahren – und wunderte sich nun ebenfalls über die Antragsfülle: „Fangt nächstes Mal doch einfach früher an!“

Beispiel 3: Gewerbefläche

Der alte Flächennutzungsplan (FNP) der Gemeinde Wenden falle nach 40 Jahren schon bald auseinander und gehöre eingerahmt, befand Elmar Holterhof. Dass der FNP nach zwei gescheiterten Anläufen endlich einmal neu aufgestellt werden musste, daran ließ kein Ratsmitglied einen Zweifel. Doch während Jürgen Greis (CDU) in dem neuen Plan einen „Meilenstein und eine Weiterentwicklung für die Gemeinde Wenden“ erkannte und Bürgermeister Bernd Clemens die 24 Hektar neues Bauland und 15 Hektar neue Gewerbeflächen hervorhob, lehnten vier Politiker den FNP ab.

Ihr Kritikpunkt: die Ausweisung eines neuen Gewerbegebietes westlich von Hünsborn. Dass der Wald oberhalb des Sportplatzes in die Planung mit einbezogen wird, lehnen die Grünen ab. Ein angrenzendes Naturschutzgebiet werde damit in Gefahr gebracht. „Mit Hünsborn-Ost, Ottfingen und Balcke-Dürr haben wir genügend Gewerbeflächen“, sagte Elmar Holterhof.

Es gehe nur darum, den bestehenden Unternehmen Möglichkeiten zur Erweiterung einzuräumen, erklärte der Bürgermeister. Doch in einer von 1222 Menschen unterschriebenen Erklärung bezogen auch viele Hünsborner Bürger Stellung gegen das geplante Gewerbegebiet, unter ihnen auch CDU-Ratsfrau Angelika Henne: „Wir haben die Schnauze voll, alles abzubekommen, was andere nicht wollen.“

Beispiel 4: Spielplatz

Benötigt Wenden einen integrativen Spielplatz, wenn ohnehin schon 23 der 37 Anlagen im Gemeindegebiet barrierefrei sind? Diese Frage warf die SPD nach einem entsprechenden CDU-Antrag auf. „Wir sehen keinen Handlungsbedarf“, sagte Ludger Reuber. Gefragt seien vielmehr Themenspielplätze wie eine Piratenbucht.

Seine Fraktionskollegin Catrin Stockhecke-Meister warf der CDU sogar vor, mindestens unabsichtlich Ausgrenzung zu betreiben, weil Kinder mit Handicap sich dann womöglich auf einen Spielplatz konzentrieren, während andere Familien ihn eher meiden werden. „Ich möchte lieber, dass jeder Spielplatz in Wenden zu einem inklusiven Spielplatz wird.“

„Dass ich ausgrenze, glaube ich nicht“, machte sich Martin Solbach für die Idee eines integrativen Spielplatzes stark. „Wenn er zum Beispiel an der Wendener Hütte entsteht, wird er von allen Gruppen genutzt werden.“ Bei drei Gegenstimmen und sieben Enthaltungen wurde die Verwaltung beauftragt, einen Standort, Kosten und mögliche Fördermöglichkeiten zu ermitteln, damit vielleicht schon im nächsten Jahr mit der Errichtung begonnen werden kann.