Attendorn. Geplantes Einkaufszentrum in Attendorn sorgt weiterhin für reichlich Gesprächsstoff. Die Stadtverwaltung wiederholt die öffentliche Beteiligung.
Die Attendorner CDU-Ortsunion fordert den sofortigen Stopp aller Planungen zum Wall-Center am Attendorner Bahnhof. Sie stellt sich damit auf die Seite der Einzelhändler und Dienstleister, die zum einen aufgrund der aktuellen Coronakrise um ihre Existenz bangen, die zum anderen aber auch die Sorge umtreibt, dass sie das neue Einkaufszentrum in den wirtschaftlichen Ruin treiben könnte.
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Auf dem Gelände des ehemaligen Busbahnhofes sollen, wie mehrfach berichtet, unter anderem die Drogeriemarktkette Müller, ein Lebensmittelvollsortimenter, der bestehende „Kik“ und eine Apotheke einziehen. Ebenso geplant ist ein Parkdeck mit rund 160 Parkplätzen. Investor ist die „Immobilien Treuhand GmbH“ (ITG) aus Düsseldorf.
Viele Gewerbetreibende fürchten um ihre Existenz, geht bekanntlich aus einer Auswirkungsanalyse der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) hervor, dass es zu massiven Umsatzumverteilungen in Millionenhöhe innerhalb der Stadt kommen wird. Betroffen seien vor allem die Sortimente Nahrung/Genuss sowie Hygiene/Körperpflege, also beispielsweise der Rossmann oder der Dornseifers Frischemarkt. Ihre Befürchtungen haben viele Einzelhändler und Dienstleister, aber auch Privatpersonen, im Rahmen der frühzeitigen öffentlichen Beteiligung im Rathaus hinterlegt.
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„Wir alle können nicht absehen, welche ökonomischen Folgen diese Krise haben wird und wie sich die Einzelhandelslandschaft in der Innenstadt verändern wird“, schreibt der CDU-Ortsunionsvorsitzende Thorsten Wurm in einem Brief, der unserer Redaktion vorliegt. „Deshalb fordern wir mit Nachdruck, dass das Projekt Wallcenter sofort von Politik und Verwaltung zu den Akten gelegt wird. In zwei bis drei Jahren kann dann in einem neuen Dialogprozess (...) unter Beteiligung von Bürgern, Gewerbetreibenden, Politik und Verwaltung die weitere Entwicklung der Kernstadt diskutiert und geplant werden.“
Kleinteilige Struktur erhalten
Klaus Böckeler von der CDU-Ortsunion ergänzt im Gespräch mit dieser Redaktion: „Die Planungen müssen auf Eis gelegt werden. Wenn ein Tourist nach Attendorn kommt und behauptet, wir haben wahrhaftig eine schöne Innenstadt, dann ist das vor allem ein Verdienst der umtriebigen Einzelhändler, die nun um ihre Existenz fürchten. Wir müssen diese kleinteilige, belebende Struktur aufrecht erhalten.“
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Die Ortsunion geht in ihrer Forderung deutlich weiter als die eigene Fraktion, die zunächst alle Einwendungen sichten und besprechen möchte, bevor sie zu einem Urteil kommt. Ähnlich argumentiert auch die SPD. Ihr Fraktionschef Uli Bock erklärt im Gespräch mit dieser Redaktion: „Wir wollen dieses Bauprojekt sicherlich nicht auf Teufel verhindern, aber uns doch kritisch damit auseinandersetzen und alle Seiten beleuchten.“ Und Ralf Warias, Fraktionschef von FDP/Die Grünen, betont: „Wir sind bereit, vernünftige und fortschrittliche Lösungen für unser Heimatstadt gemeinsam mit den Beteiligten zu entwickeln. Wir möchten Betroffene zu Beteiligten machen.“
Erneute öffentliche Beteiligung
Bürgermeister Christian Pospischil (SPD) reagierte am Freitag auf die aktuelle Debatte und verwies in einer Stellungnahme darauf, dass man neben der Kritik auch viel Zuspruch für das Vorhaben erhalte.
Durch ein verbessertes Einkaufsangebot könne mehr Kaufkraft in Attendorn gebunden werden und die hohen Kaufkraftabflüsse in die Nachbarstädte würden verringert, vor allem eben in den Warengruppen Nahrung/Genuss sowie Gesundheit/Körperpflege.
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Weiter schreibt der Bürgermeister, dass in den beschriebenen Sortimenten in der Hansestadt „wenig Wettbewerb und Auswahlmöglichkeiten bestehen. Eine breite Auswahl ist jedoch Voraussetzungen für einen attraktiven Einzelhandelsstandort.“ Schließlich zieht er den Vergleich zum Allee-Center, über das zunächst ähnlich kontrovers diskutiert wurde, das schließlich aber dazu beigetragen habe, den Einkaufsstandort und damit auch den Handel im Zentrum zu stärken.
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Trotzdem geht der Bürgermeister in seinem Brief auf die verunsicherten, unmittelbar Betroffenen zu: „Derzeit hält die Corona-Krise uns alle und besonders die Einzelhändler in Atem. Vor diesem Hintergrund ist kein normaler Meinungsbildungsprozess möglich. Endgültige, weitreichende Entscheidungen in jeglicher Richtung sind nicht sinnvoll. Wir sollten jetzt gemeinsam die Krise meistern, und sobald sie vorbei ist, das begonnene Planungsverfahren besonnen einer sachlich fundierten Entscheidung zuführen. Dabei werden uns die Stellungnahmen helfen.“
Zwischenzeit sinnvoll nutzen
Weil das Rathaus zuletzt wegen Corona nur eingeschränkt zugänglich war, werde die Verwaltung in Absprache mit dem Investor den Verfahrensschritt der öffentlichen Auslegung und frühzeitigen Bürgerbeteiligung wiederholen, sobald die Situation es wieder zulasse.
Die bisher vorgetragenen Stellungnahmen behalten dabei ihre Gültigkeit. „Sicher können wir die Zwischenzeit nutzen, um die tatsächlichen Folgen der Corona-Krise für unsere Wirtschaft und den Einzelhandel besser abzuschätzen, um nach Abwägung aller vorgetragenen Anregungen eine sachgerechte und rechtmäßige Entscheidung zum Wohle aller Bürger treffen zu können“, schließt Pospischil seinen Brief.