Lennestadt. . Der neue Bundesoberst des Sauerländer Schützenbundes spricht im Interview über modernes Auftreten, deutsche Bürokratie und muslimische Könige.

Martin Tillmann, 52 Jahre alter Rechtsanwalt aus Lennestadt-Bilstein, ist seit wenigen Wochen Bundesoberst des Sauerländer Schützenbundes.

Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Das Schützenwesen, überspitzt formuliert, ist das letzte Bollwerk gegen den Zeitgeist. Brauchen wir noch eine solche Brauchtumspflege?

Martin Tillmann: In dieser digitalisierten Welt wird vieles anonymer. Die Menschen sehnen sich nach einem Ort, wo sie ihresgleichen finden und miteinander gesellig sein können. Ein Schützenfest ist ein solcher Fluchtpunkt.

Wie sieht Ihre „Regierungserklärung“ für Ihre Wahlperiode aus?

Wir wollen den Draht zur Jugend ausbauen, ohne den Kontakt zu den Älteren abzubrechen. Der Sauerländer Schützenbund muss sich den Herausforderungen der Zeit stellen - zum Beispiel auf einer modernen Homepage und in sozialen Netzwerken präsent sein.

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Finden sich noch genügend Freiwillige, die sich ehrenamtlich in Vereinen engagieren wollen?

Ja, aber es wird schwieriger. Man muss Menschen mehr überzeugen, sich in ihrer Freizeit für das Gemeinwohl zu engagieren - was auch an gestiegenen Anforderungen im Berufsleben liegt.

Bei den Diskussionen um den muslimischen Schützenkönig in Werl-Sönnern und um die Aufnahme in das Unesco-Weltkulturerbe wurden Weltoffenheit und Toleranz von Schützen angezweifelt. Wie beurteilen Sie diese Debatte?

Mir haben Differenzierungen gefehlt. In der Öffentlichkeit wurden alle Schützen in einen Topf geworfen. Vielleicht war das Krisenmanagement auch nicht ganz glücklich. Der Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BDHS) ist ein anerkannter katholischer Verband - vergleichbar der Caritas. Unser Sauerländer Schützenbund ist zwar christlich geprägt, aber nicht konfessionell gebunden. Wir könnten mit einem muslimischen König ebenso leben, wie - so wie im Kreis Olpe geschehen - mit einem gleichgeschlechtlichen Königspaar.

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Wie ist denn der Stand der Dinge beim Weltkulturerbe?

Ich habe die berechtigte Hoffnung, dass die deutsche Unesco-Kommission letztlich die jahrhundertealte Tradition des Schützenwesens nicht nur auf die Frage eines muslimischen Königs reduzieren wird.

Wie können sich Schützenvereine angesichts des ungebremsten Flüchtlingsstroms engagieren?

Wir sind gerne bereit, auch in der Flüchtlingsproblematik unseren gesellschaftlich-karitativen Beitrag zu leisten. Überlegungen müssen auch in die Richtung gehen, ob Schützenhallen vorübergehend zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden.

"Kein geschlossener Männer-Club" - Frauen willkommen 

Schützenvereine klagen über immer neue behördliche Verordnungen. Wird zu viel geregelt?

Ja. Politik und Verwaltungen können nicht immer das hohe Lied auf das Ehrenamt singen und gleichzeitig den Freiwilligen mit immer neuen Bestimmungen das Leben schwer machen. Glücklicherweise haben Reizthemen wie das Rauchverbot und die Gema-Gebühren mittlerweile an Schärfe verloren.

Wie sieht die finanzielle Situation der Schützenvereine aus?

Kleinere Vereine haben es wirtschaftlich schwerer. Das zeigt sich auch daran, dass schon mancher Verein aufgrund der Kosten sein Schützenfest nur alle zwei Jahre oder nur an einem Tag durchführt. Weil sich die Kostenseite bei einem Schützenfest (Musik, Gema-Gebühren) kaum reduzieren lässt, ist Kreativität in Bezug auf Zusatzeinnahmen gefragt. Das können andere Veranstaltungen im Jahresverlauf sein oder Hallenvermietungen.

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Finden sich noch genügend Schützenkönig-Interessenten?

Es hat Fälle gegeben, in denen es Probleme gab. Immer öfter bilden sich König-Clubs mit einer gemeinsamen Kasse, aus deren Reihen sich ein neuer Regent findet. Und es gibt Vereine, die dem König einen gewissen Beitrag geben. Aber das ist von Verein zu Verein unterschiedlich, wie man pauschal auch nicht sagen kann, wie viel eine Regentschaft kostet.

Wie steht es um Frauen in Schützenvereinen?

Wir sind kein geschlossener Männer-Club. Jedem Verein bleibt selbst überlassen, ob er die Mitgliedschaft von Frauen in seine Satzung aufnimmt.

Bereitet Ihnen der demografische Wandel Sorgen?

Das Thema kommt auch auf uns zu. Wir müssen diejenigen, die da sind, ermuntern, Mitglied zu werden. Zeigen, dass wir eine Heimat für alle gesellschaftlichen Schichten, Nationalitäten und Konfessionen sind. Und keinesfalls einem Sauf-Image entsprechen.