Herdecke. . Die Herdecker Kraftwerke liegen wenige Meter voneinander entfernt, aber ihr Schicksal in der Energiewende trennt Welten: Das Koepchenwerk (Wasserkraft) darf Strom liefern — das Cuno-Kraftwerk (Gas) nicht. Für Betreiber Mark-E bedeutet die Stilllegung 10 Millionen Euro Miese.
Cuno und Koepchen: Herdecke ist über Stadtgrenzen hinaus bekannt für seine zwei Kraftwerke. Doch im Zuge der Energiewende haben sich die Bedingungen für die Stromproduktion auch an der Ruhr verändert: Das Koepchenwerk (Wasserkraft) darf weiter Strom einspeisen — das Cuno-Kraftwerk (Gas) nicht.
Während die Pumpspeicher-Technik von RWE am Hengsteysee die schwankende Einspeisung der Erneuerbaren Energien ausgleichen darf, wartet das stillgelegte Gas- und Dampfturbinenkraftwerk von Mark-E bzw. Enervie weiter auf den ersten Auftrag in 2014. Die Lage am Harkortsee bleibt damit unverändert ernst. Eine Bestandsaufnahme.
Verlust beim Versorger Statkraft
In der vergangenen Woche teilte der Energieversorger Statkraft mit, dass er 2013 mit seinen Gaskraftwerken einen schweren Produktionsrückgang hinnehmen musste. Insgesamt ging der Umsatz der deutschen Tochter des norwegischen Staatskonzerns im vergangenen Jahr um gut acht Prozent auf 19,1 Milliarden Euro zurück. Mit seinen „Geisterkraftwerken“ verdiene Statkraft deshalb praktisch kein Geld. Für die rund 20 Millionen Euro Betriebskosten der nicht nachgefragten Anlagen in Hürth-Knapsack bei Köln und in Herdecke, wo Mark-E als Tochtergesellschaft von Enervie den Betrieb führt, müsse das Unternehmen draufzahlen.
Enervie-Sprecher Andreas Köster bestätigte die Zahlen des Projektpartners in Herdecke. Das abgemeldete Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in der Wetterstraße verursache jährlich zehn Millionen Miese.
Strom aus Gas hat keine Chance auf dem Markt
Der Verlust in dieser erst 2007 eröffneten Anlage komme durch Betriebskosten (Personal, Technik) und Ausgaben für den Brennstoff Gas zustande. „Obwohl unser Strom hocheffizient und umweltfreundlich hergestellt wird, haben wir derzeit damit keine Chance im Markt“, sagt Köster und stellt fest, dass sich seit der Stilllegungsanzeige aller Enervie-Kraftwerke im September 2013 nichts gebessert habe.
Die Hoffnung auf Änderungen durch die neue Bundesregierung habe sich bisher nicht bestätigt, wie das Beispiel Hürth zeige: Das Kraftwerk dort wurde 2013 in Betrieb genommen und sofort stillgelegt.
Enervie weiter für Energiewende
Diese „absurde Situation“ führe auch zu höheren Kosten für die Stromkunden, betrage der Anteil an Steuern und Abgaben doch bereits mehr als 50 Prozent. Der Enervie-Sprecher betont aber, dass sein Arbeitgeber weiter für die Energiewende sei. Doch da die Erneuerbaren Energien, über deren Subvention verhandelt werden müsse, mittlerweile mit mehr als 25 Prozent ins Netz eingespeist werden sowie abgeschriebene Kern- und Kohlekraftwerke hinzukommen, „sehen wir uns aktuell als ein Verlierer der Energiewende“, so Köster.
Die Folge: „Einsparungen und interne Umstrukturierungen“ sollen die Verluste etwas auffangen. Auch Personalfragen spielen dabei eine Rolle, es soll aber keine betriebsbedingten Kündigungen geben. „Wir brauchen weiter unsere etwa 20 Leute in Herdecke, um die Produktion anzufahren“, wünscht sich Köster mittelfristig wieder Zeiten herbei, als das Werk am Harkortsee mehr als 5000 Betriebsstunden lief.
Enervie bleibt nur die Lobbyarbeit
Was also tun? Enervie bleibe vorerst nur die Lobbyarbeit. „Wir wollen über die Kommunalpolitik, über die NRW-Landesregierung und in Berlin Druck machen.“ Zumal das Problem in ganz Deutschland zu sehen sei, da die allermeisten Gas- und Dampfturbinenkraftwerke aus dem Markt gedrängt worden seien.
Etwas besser sieht die Lage für das Koepchenwerk von RWE in Herdecke aus. Nach der Revision stand die Pumpspeicher-Technik nach sechs Monaten termingerecht am 27. November 2013 wieder mit voller Leistung zur Verfügung, um die teils stark schwankenden Einspeisungen der Erneuerbaren Energien auszugleichen. Kurz umrissen das Prozedere: Scheint die Sonne, läuft der Pumpbetrieb; fällt die Sonne aus, rotieren am Hengsteysee die Turbinen. In der vergangenen Woche gab es laut Betriebsleiter Oliver Sorges viele Einsätze. „Nach der Revision liegen wir im Vergleich zu 2012 etwa auf gleichem Niveau, vielleicht etwas höher. Und die Tendenz insgesamt ist leicht steigend.“
Auch RWE sieht sich als Opfer
RWE sieht sich aber auch als „Opfer der Energiewende“: Der Konzern teilte kürzlich mit, dass er ein neues Gas- und Dampfturbinenkraftwerk in den Niederlanden schließen müsse. Zur Begründung hieß es, dass Photovoltaik bzw. Windkraft aus Deutschland billigen Strom in die holländischen Netze drücke.
Erst im November 2013 hatte RWE zudem angekündigt, in den kommenden drei Jahren nochmals 6750 Stellen abzubauen. Ob das Auswirkungen auf die kleine Mannschaft in Herdecke haben wird, ist derzeit noch ungewiss. Wenn all das Arthur Koepchen oder Will Cuno noch erlebt hätten...