Herdecke.

Die produktionslose Zeit als Chance für unsere Leser: Eine 17-köpfige Gruppe konnte im Cuno-Kraftwerk an der Stadtgrenze Herdecke/Wetter auch in sonst verschlossene Räume hineinschauen. Dabei entwickelte sich schon vor dem Rundgang durch das Gas- und Dampfturbinenkraftwerk bei den einleitenden Worten von Betriebsleiter Günter Kleine eine muntere Diskussion über die Energiewende.

Eigentlich wollte Kleine zunächst über den ältesten Kraftwerksstandort mit der neuesten Anlage von Mark-E (früher Elektromark) bzw. der Dachgesellschaft Enervie informieren. Dass diese zu großen Teilen in kommunaler Hand ist, 1796 Mitarbeiter beschäftigt und sich über ein Netzgebiet von etwa 1000 Quadratkilometern Fläche erstreckt, 2012 einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro hatte. Und 11,5 Milliarden Kilowattstunden Strom verkauft hat, darunter 6,2 Millionen über die Gasversorgung. Und Teile Herdeckes mit Fernwärme versorgt. Und dass sein Arbeitgeber nicht nur Strom produziert, sondern diesen auch zukauft und damit handelt.

Doch mit dem Stichwort Energiewende, dem Einspeisevorrang für Ökostrom durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und der Erklärung, warum dieses Gaskraftwerk wie alle anderen in Deutschland derzeit nicht in Betrieb ist, weckte Kleine den Diskussionsbedarf seiner Zuhörer. „Dass nach Fukushima Ökostrom bevorzugt wird, dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden“, sagte der Cuno-Betriebsleiter, der natürlich aus seiner beruflich bedingten Position heraus argumentierte. Beim Blick auf die Preisentwicklungen und Rahmenbedingungen („Wenn sich nichts ändert, bleibt unser Gaskraftwerk still gelegt“) wurde er deutlicher: „Es ist eigentlich die Einschätzung aller, dass es so nicht weiter gehen kann.“ Auch wenn eine Patentlösung bei diesem komplexen Thema nicht in Sicht sei, hofft er auf Änderungen im nächsten Jahr. „Nach der Bundestagswahl wird sich da was tun“, glaubt Günter Kleine.

Die Leser fanden vor allem den Aspekt der (Un)Wirtschaftlichkeit spannend und äußerten sich zu Subventionierung, Marktpreis-Umgehung durch Einspeisevergütung, EEG-Umlage oder Steuern.

Hoher Wirkungsgrad

So verzögerte sich der Rundgang durch das Werk, das 1908 auf Betreiben von Hagens damaligem Oberbürgermeister Willi Cuno zur kommunalen Energieversorgung ans Netz ging, ehe es bis 2007 für etwa 200 Millionen Euro zum Gas- und Dampfturbinenkraftwerk mit 400 Megawatt Leistung umgebaut wurde. „Gegenüber Kohlekraftwerken hat dies eine CO2-Ersparnis von einer Million Tonnen“, warb Kleine für den sauberen Strom hier und den hohen Wirkungsgrad von 59 Prozent.

Die Leser schickte er auf den Rundgang mit dem Vergleich, dass die Gas- und Dampfturbinen hier so ähnlich wie bei Flugzeugtriebwerken funktionieren würden. „Unsere Kraftwerksleistung besteht zu zwei Dritteln aus Gas, zu einem Drittel kommt es aus den Dampfturbinen.“ In der Brennkammer der Gasturbine, die die Gruppe exklusiv mit dem Eintritt ins Schalldämmhaus aus nächster Nähe sahen und aus der im Prinzip 480.000 Drei-Personen-Haushalte mit Strom versorgt werden könnten, entstehen Temperaturen von mehr als 1200 Grad Celsius, die im Prozess auf etwa 90 Grad abgekühlt werden. „Hier wird der größte Teil der Leistung, etwa 500 bis 600 Megawatt vom Verdichter gefressen“, erklärte Kleine vor Ort, der sonst wegen der hochsensiblen Entzündungsgefahr für Besucher nicht zugänglich ist. Auch die vielen Rohre bei den Dampfturbinen, von denen eine etwa „Isabel“ heißt, beeindruckten die Leser beim Blick auf die gesamte Technik. Zudem erfuhren sie nebenbei, dass etliche internationale Firmen spezielle Gerätschaften für dieses Werk lieferten. Darunter zählt auch das Unternehmen Taprogge aus Wetter, das bei der Herstellung von Kondensatorreinigungsanlagen Weltmarktführer sei, so Kleine.

Außerdem konnten die Besucher den Wärmetausch mit Wasserdampf nachvollziehen. Ausnahmsweise schlossen Kleine und Kraftwerksmeister Wolfgang Ewerts das Kühlwassereinlaufbauwerk direkt am Harkortsee auf. Von dort kommen 8500 Liter zur Kühlung. An anderer Stelle in der Wasseraufbereitungsanlage werde dann Chemie für den Wasserdampfkreislauf eingesetzt, so der Betriebsleiter in der Halle, in der besonders viele Hähne, Regler und Leitungen sichtbar sind.

Nach weiteren Stationen bei einem 360 Tonnen schweren Generator, beim brummenden Transformator sowie beim Abhitzekessel schaute die Gruppe am Ende des Rundgangs im Leitstand vorbei. Dort müssten immer mindestens zwei bis drei Mitarbeiter den Betrieb an vielen Monitoren und Computern mit Alarmmeldesystem überwachen. „Mit 25 Leuten kann man dieses Kraftwerk betreiben“, erläuterte Kleine abschließend. Die Hoffnung, dass dies bald wieder der Fall sein wird, war deutlich aus seinen Worten herauszuhören.