Herdecke. Wenn Schauspieler Jörg Hartmann Sonntag in seiner Heimatstadt Herdecke sein erstes Buch vorstellt, spielt Ex-FHS-Lehrer „Siggi“ Hiltmann Saxofon.
Ein Schüler-Lehrer-Verhältnis ist erst dann etwas Besonderes, wenn es über den Unterricht hinausgeht. Das ist beim bekannten Herdecker Schauspieler Jörg Hartmann und dem pensionierten Pädagogen Siegfried „Siggi“ Hiltmann der Fall. Den 72-Jährigen können manche noch als früheren Pauker für Kunst und Physik am heimischen Friedrich-Harkort-Gymnasium kennen. Oder als Musiker, der in der Stadt an den Ruhrseen und Umgebung einst viele Konzerte gab. Jetzt am Sonntag steht ein Wiedersehen hier im Zweibrücker Hof an.
Dritter gemeinsamer Auftritt am Sonntag
Zum dritten Mal begleitet „Siggi“ Hiltmann Jörg Hartmann nun bei einer Lesung. Als der Darsteller in Dortmund und Witten sein erstes Buch „Der Lärm des Lebens“ vorstellte, stand auch sein früherer Kunstlehrer bei einem Kurzauftritt mit einem Saxofon-Solo auf der Bühne. So soll es jetzt auch am 9. Juni im hiesigen Ruhrfestsaal sein. „Ich will da keine große Rolle spielen, sehe mich eher als eine Art Dienstleister für meinen früheren Schüler“, sagt der gebürtige Sauerländer aus Brilon, der von seinem Vater das musikalische Talent geerbt hat und mehrere Instrumente beherrscht.
Schöne Erinnerungen an die FHS
Seine erste Stelle als Pädagoge führte Siegfried Hiltmann 1980 nach Herdecke zur Friedrich-Harkort-Schule (FHS). Als „grandioses Jahrzehnt“ beschreibt er die Zeit hier am Gymnasium. Da er als junger Lehrer sowohl beruflich als auch auf persönlicher Ebene viel Schönes erlebte, dachte er damals: „Eine Steigerung wird kaum möglich sein.“ Im Februar 1991 zog es ihn dann aber nach Argentinien. Kollegen wie Paul Heer, der an der FHS bekanntlich seine Panama-Erfahrungen etablierte, rieten ihm zu einer Auslandserfahrung. Hiltmann ging also („nicht aus Überdruss“) für sechs Jahre nach Buenos Aires, darüber berichtete damals auch die Lokalredaktion.
Als er dann von 1997 bis 2008 in Witten und schließlich bis zu seiner Pensionierung 2017 in Dortmund wieder unterrichtete, konnte er auch hierzulande wieder seine musikalischen Neigungen ausleben. Schon in den 1970-er Jahren spielte Hiltmann im Ruhrgebiet in durchaus bekannten Rockgruppen mit, auch die Klassik ließ ihn nicht los. 1982 gründeten er und sein mittlerweile verstorbener FHS-Kollege Dr. Ulrich Heimann (ebenfalls Kunstlehrer) das Duo Kunstkopf. „Uli und ich mochten Lyrik, daraus sind Lieder und Auftritte mit Autoren wie Ulla Hahn, Erich Fried oder Peter Härtling entstanden.“ Acht Jahre lang stand der Flöten- und Saxofonspieler mit dem Gitarristen unter anderem bei der Dörken-Stiftung, auf Gut Schede oder in Wetters Villa Vorsteher auf der Bühne, nach der Biografie-bedingten Pause folgte von 2007 bis 2012 Episode zwei. „Wir hatten eine recht große Fangemeinde.“
Bemerkenswert: Hiltmann spielte nicht nur in „nischenartigen“ Jazz-Formationen, sondern während seiner FHS-Zeit auch in der New-Wave-Gruppe „100 Prozent Baumwolle“ mit. „Das hatte sogar einen Fernsehauftritt zur Folge“, sagt er rückblickend zur Band, die bis zu ihrem Ende 1984 aus Herdecker Schülern und Lehrern bestand. Womit der Brückenschlag zu Jörg Hartmann, der 1988 sein Abitur am hiesigen Gymnasium bestand, gelingt. „An ihn als Schüler kann ich mich gut erinnern“, so der pensionierte Pädagoge. Der heute bekannte Schauspieler gehörte nicht zu einer Musikgruppe, habe aber begeistert in Hiltmanns Kunstunterricht mitgemacht und auch durch sein zeichnerisches sowie technisches Talent herausgeragt. Das gute Verhältnis zu ihm und anderen in dem Jahrgang hielt der damals junge Lehrer auch in einem Tagebuch fest.
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Als nun im Frühjahr Hartmanns erstes Buch erschien, wunderte sich Hiltmann aber etwas. In „Der Lärm des Lebens“ beschreibt sich der Darsteller selbst als schüchternes und unsicheres Kind. „Ich habe Jörg als Jugendlichen selbstbewusst und bei Mitschülern beliebt erlebt. Er hatte originelle Ideen wie etwa einen Filmdreh, in dem ich eine Hauptrolle als Täter spiele und aus dem Lehrerzimmer abgeführt werde.“ Beim 25- und 30-jährigen Abi-Nachtreffen der lebendigen Stufe war Hiltmann sowohl 2013 als auch 2018 vor Ort, da habe er keinen arroganten Promi angetroffen, sondern einen angenehmen Zeitgenossen, der früher auch Hiltmanns Konzerte besucht hatte. „Ich war wohl so etwas wie sein Lieblingslehrer.“
Angesichts ihrer angenehmen Verbindung hatte der 72-Jährige vor einigen Monaten eine Idee. Als er aus der Zeitung erfuhr, dass Jörg Hartmann Mitte März in Dortmund ein Buch vorstellen wolle, schrieb der dort wohnende Musiker den Veranstalter an und schlug diesem quasi aus alter Herdecker Verbundenheit einen Saxofon-Beitrag vor. Dieses ungewöhnliche wie überraschende Angebot stuften die Verantwortlichen inklusive Autor als gute Idee ein. Sowohl dort als auch im April in Witten trat er dann kurz auf die Bühne, wobei der Schauspieler ihm vor Publikum zurief: „Siggi, wegen dir wäre ich fast Maler geworden.“