Volmarstein. Wachstum: Mit 4400 Mitarbeitern ist die Evangelische Stiftung größter Arbeitgeber in Wetter. Und doch läuft nicht immer alles wie geplant.

Der traditionelle Jahresempfang der Evangelischen Stiftung Volmarstein bietet immer sehr viel Inhalt. Zu den Auskünften über die Entwicklungen in der ESV gesellen sich stets Fachvorträge und tiefer gehende Aspekte aus dem Inneren der Einrichtung. Die aktuelle Ausgabe im Grundschötteler Rechenzentrum hat obendrein noch einen feierlichen Moment enthalten: In einem Gottesdienst wurde Dr. Tabea Esch in ihr Amt als Leiterin des Zentrums für Theologie, Diakonie und Ethik eingeführt.

Komplexer Konzern

Auch die Pfarrerin dürfte beeindruckt sein, wie groß und komplex das Unternehmen der diakonischen Behinderten-, Kranken- und Seniorenhilfe mit etwas mehr als 4400 Mitarbeitenden mittlerweile geworden ist. Dr. Hans-Peter Rapp-Frick skizzierte als Vorsitzender des Stiftungsrates den eher überraschenden Verlauf des Jahres 2023. Eigentlich hatte sich Wetters größter Arbeitgeber nach der schwierigen Corona-Zeit einem Konsolidierungskurs verschrieben. Doch dann kam aus Herdecke der Notruf wegen der Convivo-Insolvenz, die ESV übernahm bekanntlich vier Häuser und auch eine Seniorenresidenz in Volmarstein. In der Bilanz stehe eine erwirtschaftete Summe von 370 Millionen Euro und somit zwei Prozent mehr als in 2022.

Ausgaben in der gesamten Region

„In der Region haben wir im vergangenen Jahr 17 Millionen Euro investiert“, so Rapp-Frick. Die Kehrseite der Medaille: Nach den Corona-Belastungen kamen durch die Kriege in der Ukraine und Nahost sowie durch steigende Zins- und Sachkosten plus tarifliche Lohnerhöhungen neue Herausforderungen auf das Unternehmen zu. Innerhalb der Belegschaft habe es einen neuen Rekordkrankenstand gegeben. „Nach den Turbulenzen wollen wir das Schiff jetzt beständig in ruhigen Gewässern und auf Kurs halten“, kündigte der Stiftungsrats-Vorsitzende einen erneuten Konsolidierungskurs nach der langen Wachstumsphase an. „Aber meistens kommt es ja doch anders, als man denkt …“

Erfolge in beiden Kliniken

Mit 160 Millionen Euro Jahresumsatz sei das soziale Geschäftsfeld mittlerweile die größte Sektion, was etwa an der Kita-Eröffnung 2023 in Volmarstein oder einer neuen Tagespflege in Schwelm liege. Auch die beiden Kliniken in Volmarstein und Haspe konnten Leistungssteigerungen verbuchen. „Andere Krankenhäuser würden sich das wünschen“, sagte Rapp-Frick. Er sprach von richtigen Strategie-Entscheidungen in den letzten Jahren, so dass alle Beteiligten „stolz“ auf die Entwicklungen im Geschäftsfeld Gesundheit sein könnten. Gut aufgestellt sei die ESV unter anderem durch ihr Rechenzentrum auch bei der Gesundheitspflege („Healthcare Service“).

Pfarerrin Dr. Tabea Esch mit ESV-Vorstand Markus Bachmann und Diakon Andreas Vesper (hinten).
Pfarerrin Dr. Tabea Esch mit ESV-Vorstand Markus Bachmann und Diakon Andreas Vesper (hinten). © WP | Steffen Gerber

In dem Zusammenhang betonten sowohl Rapp-Frick als auch ESV-Vorstand Markus Bachmann, dass 2023 die Schließung von acht der neun Demenz-Wohngemeinschaften „schweren Herzens“ erfolgt sei. Der geschäftsführende Chef der Stiftung führte die rund 150 Gäste dann durch 120 Jahre Unternehmensgeschichte, mit dem Startschuss durch die Eröffnung des Johanna-Helen-Heimes. Wobei er zu Beginn seines Vortrags den Spruch des Abends lieferte, da ja doch recht viele das Gründungsjahr 1904 auf ihrem Autokennzeichen haben. Vor allem anwesende Fußball-Fans von Schalke 04 lachten daraufhin herzhaft.

Rund 150 Gäste verfolgen im Rechenzentrum die Vorträge und den Gottesdienst.
Rund 150 Gäste verfolgen im Rechenzentrum die Vorträge und den Gottesdienst. © WP | Steffen Gerber

Den 120. Geburtstag der Ev. Stiftung nutzte Bachmann, um die strategischen Entwicklungen des Konzerns darzustellen. Sowohl Stelltafeln im Foyer als auch ein gedrucktes Werk zeigten zusätzlich auf, welche Meilensteine und Erweiterungen es im Laufe der Zeit gegeben habe. In Sachen Heilpädagogik sei etwa ein Netzwerk entstanden, das „seinesgleichen sucht“ und über NRW-Grenzen hinaus bekannt sei. „Und es ist auch nicht ungewöhnlich, wenn bei einem Ärztekongress in Japan die Orthopädische Klinik Volmarstein erwähnt wird“, so der Vorstand. Gleichwohl sorgen Übernahmen von traditionellen Einrichtungen für Herausforderungen, da die Integration von unterschiedlichen Betriebskulturen schon mal Zeit brauche.

Zwei Ärzte-Vorträge

Vor dem geselligen Beisammensein bei einem Imbiss hatte Dr. Jörg Stockmann während des Jahresempfangs erläutert, dass er als Chefarzt Inklusive Medizin im evangelischen Krankenhaus Haspe auch Patienten aus verschiedenen Bundesländern behandele. Mehr als 1000 Leute versorge die Hagener Klinik in dieser Hinsicht jährlich stationär, darunter viele mit schweren Behinderungen.

Während der Internist Schwierigkeiten wie mitunter die Verständigung und Zeitmangel bei Ärzten sowie lokale Besonderheiten skizzierte, weitete Prof. Dr. Jeanne Nicklas-Faust dann in ihrem Vortrag den Blick und sprach über grundlegende Aspekte der Inklusiven Medizin.

Mittlerweile ist die ESV in der gesamten Region vertreten, wozu auch Wetters Bürgermeister gratulierte. Zum 120. Geburtstag hob Frank Hasenberg in seinem Grußwort das gute Miteinander zwischen Stadt und Stiftung hervor, er erinnerte beispielsweise an den gemeinsam mit dem Frauenheim Wengern entwickelten Aktionsplan menschengerechte Stadt. Auch der inklusive Bauspielplatz und Brückenlauf seien wichtige Zeichen für gelebte Vielfalt.

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Zuvor hatte Dr. Tabea Esch unterhaltsam wie auch emotional sowie persönlich über sich und die ESV gesprochen. Vor allem die zahlreichen Abkürzungen in dem Unternehmen haben es der Pfarrerin, wegen der auch Annette Kurschus als ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland ins Rechenzentrum gekommen war, angetan. Eschs Botschaft: Wörter lassen sich reduzieren, Menschen nicht.

Apllaus nach der Einführung von Pfarerrin Dr. Tabea Esch.
Apllaus nach der Einführung von Pfarerrin Dr. Tabea Esch. © WP | Steffen Gerber