Herdecke/Kathmandu. Brillen, Medikamente, Augenoperationen: Marc Schulte organisierte am Fuße des Mount Everest Eye-Camps für Menschen aus abgelegenen Bergdörfern.
Einerseits Abenteuer, andererseits stand der gute Zweck im Vordergrund: Zwei Herdecker begaben sich kürzlich auf eine besondere Reise. Viele kennen Rebecca (21) und Marc Schulte (51) seit Jahren als engagierte Bürger, die sich in und für Nepal einsetzen. Vor einigen Tagen flogen Vater und Tochter wieder nach Asien, Schultes Rotary-Freund Ralph Näscher aus Wetter und weitere Mitstreiter komplettierten die Gruppe. Die wollte mit einem ortskundigen Team Menschen am Fuße des Mount Everest helfen und organisierte nun „Eye-Camps“ für augenmedizinische Untersuchungen, Operationen sowie etliche Brillen zur Sofortnutzung.
Nach Urlaub entsteht Hilfsprojekt
2013 kraxelte Marc Schulte zum Basislager des Mount Everest hinauf. Aus diesem Urlaub heraus entstand 2015 das Projekt „Herdecke hilft“, das sich zuletzt um Fortschritte zur Augenheilkunde in Nepal kümmerte. Diesbezüglich berichtet der 51-Jährige von „unvorstellbaren“ Zuständen in dem südasiatischen Land. Etwa von einem Jungen, „der dem Schulunterricht nicht folgen kann, weil er keine Brille hat und somit gar nicht richtig lernen kann.“
Nachdem Marc Schulte selbst die Diagnose Grüner Star erhalten hatte, forcierte er seine Pläne für eine dritte Nepal-Reise und sammelte dafür 20.000 Euro Spendengeld. Rund ein Viertel der Summe kam aus Herdecke, die Co-Finanzierung erfolgte durch Rotarier-Gruppen, wobei im Verlauf des dreiwöchigen Abenteuers weitere 8000 Euro Kosten auftauchten.
Abgelegene Bergdörfer
Die monatelang geplante Reise führte die siebenköpfige Delegation aus dem Ruhrgebiet dann unter anderem in Bergdörfer im Nordosten des Himalaya-Landes, in dem an vielen Stellen Armut zutage tritt. „Dank örtlicher Unterstützung und vielen langjährigen Kontakten etwa zum Verein Freunde Nepals gelang es uns, bürokratische Hürden zu meistern und ein fachkundiges Team zusammenzustellen“, so seine ebenfalls voll im Projekt eingebundene Tochter Rebecca. Auftrag der Augenärzte und Begleiter: In den kleinen Gemeinden Cheskam und Bung im Bezirk Sulkukhumbu, knapp 55 Kilometer südlich des Mount Everest, je zwei Tage lang Untersuchungen und bei Bedarf sofort Operationen in dem jeweils provisorisch eingerichteten Camp anzubieten.
Weiter aktiv
Die Finanzierung dieser Nepal-Reise wurde durch einen internationalen Multi-Distrikt Grand (Deutschland & Schweiz) realisiert, der über den Rotary Gemeindienst Deutschland abgewickelt wird. Die Gruppe vor Ort setzte sich aus Mitgliedern der Rotary Clubs Passport D1900, Wetter-Herdecke-Ruhrtal, Gummersbach, Gummersbach-Oberberg und der Organisation „Herdecke hilft“ zusammen.
Marc Schulte will weitere Eye-Camps in Nepal im Februar 2025 unterstützen. Dafür sammelt er ab sofort Spendengeld. Interessierte erfahren die Kontonummer nach einer Mailanfrage (marc.schulte@web.de).
Um dort hin zu gelangen, musste die deutsche Gruppe einige Strapazen auf sich nehmen, es ging durch bergiges Land auf unbefestigten Wegen und schmalen Serpentinen. „Für 40 Kilometer mit dem Jeep, der maximal in den zweiten Gang schalten konnte, haben wir sieben Stunden gebraucht. Das war schlimmer als angenommen. Da kommen schon mal Zweifel auf, wobei wir ja aber auch genau dorthin wollten, wo noch keine Augenärzte jemals zuvor waren.“
Die beschwerliche Anreise relativierte sich durch örtliche Begebenheiten in den drei Eye-Camps. „Der Andrang war überwältigend! Vor allem am zweiten Tag, nachdem sich unsere Aktion dort herumgesprochen hatte. Fußmärsche von mehr als vier Stunden und teils barfuß durch unwegsames Gelände nahmen die Menschen in Kauf, um sich untersuchen zu lassen“, so der Herdecker, der die Organisation und Unterstützung von ca. 20 Helfern, Unterstützern und nepalesichen Ärzten lobt. „Ohne die Fach- und Sprachkunde, aber auch das Wissen um kulturelle Besonderheiten wären die Patienten nicht so schnell bereit gewesen, sich überhaupt auf eine Brille einzulassen.“ Sehtests mussten beispielsweise über Symbole so gestaltet sein, dass auch Analphabeten nicht außen vor blieben.
Improvisiert, aber professionell
Professionell liefen die Behandlungen an mehreren Stationen der augenmedizinischen Camps ab: Datenaufnahme, Sehscreening, augenärztliche Untersuchung, Ausgabe von Medikamenten, Anpassung von Brillen. Gesonderte Termine gab es für ambulante Katarakt- und Schieloperationen. Das alles wohlgemerkt in einer benachteiligten Region, wo die Lebensverhältnisse laut Schulte „einen scharfen Kontrast zum kulturellen Reichtum und der herzlichen Gastfreundschaft der Menschen bilden“.
Die deutschen Gäste schliefen in einfachsten Verhältnissen (teils im Schlafsack nur auf Spanplatten), packten beim Aufbau ab 8 Uhr morgens mit an und waren am späten Nachmittag ziemlich kaputt. „Es war anstrengend. Doch die Reaktionen waren überwältigend, da flossen auch mal Tränen“, berichtet der Herdecker und erzählt von einer jungen Mutter, die nach der medizinischen Premiere erstmals ihr Baby richtig betrachten konnte. Eine ältere Frau mit sechs Dioptrien sagte nach ihrer Behandlung, dass sie ihren Mann nun erstmals richtig sehen könne. „Ob das gut oder schlecht für die weitere Ehe ist?“, ergänzt Rebecca Schulte mit einem Lächeln.
Individuelle Brillenmodelle
Vor allem die stabilen Brillenmodelle, in die Gläser mit verschiedenen Sehstärken passten, kamen demnach gut an. Fast 18.000 Linsen hatten die Helfer vor Ort, um die verschiedenen Sehstärken korrigieren zu können. Mit einer Mischung aus Betroffenheit und Stolz, Bedürftigen geholfen zu haben, verließen Schulte und Co. die Camps wieder. In diesen hatte sich seine Tochter Rebecca, die als Erzieherin arbeitet und zum zweiten Mal in Nepal war, neben vielen anderen Stationen auch intensiv um die Kinderbetreuung gekümmert. „Kinder brauchen Aufmerksamkeit und Beschäftigung, das gilt weltweit!“
Die Bilanz: 3010 Untersuchungen, 1381 individuell passende Brillen und 81 Operationen (meist wegen eines Grauen Stars und Linsentrübungen) in improvisierten OP-Sälen. „Es bleiben aber vor allem die Begegnungen mit den Menschen hängen, die unsere Aktion sehr wertgeschätzt haben“, sagt der Wetteraner Ralph Näscher rückblickend.
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Als die Gruppe dann noch in den Süden fuhr und sich die Kooperations-Klinik anschauen wollte, sollte eine weitere Herausforderung auf sie warten: Dort draußen stand eine Mutter mit ihrem Baby. Dieses litt unter einer Netzhautablösung, sah bereits so gut wie nichts und wäre ohne Operation wohl dauerhaft erblindet. Die OP-Kosten von mehreren tausend Euro konnten seine Eltern nicht aufbringen, also haben Marc Schulte und Begleiter das noch ad-hoc organisiert. „Wenn man dann in glückliche Gesichter schaut und konkret helfen kann, gibt einem das einen unheimlichen Schub und die Bestätigung, wirklich etwas bewirkt zu haben.“