Wetter. Bei den Arbeiten an der Burgruine in Wetter gelangen Fundstücke aus drei Epochen an die Oberfläche. Rundgang über die Großbaustelle mit Fotos.
Überraschungen gehören auf Baustellen dazu. Wer aber einen historischen Boden öffnet, muss sich umso mehr auf besondere Fundstücke einstellen. So auch die Stadt Wetter, die bekanntlich derzeit die Freiheit für mehr als vier Millionen Euro umgestaltet. Im Umfeld der ebenfalls aufzuwertenden Burgruine fanden Mitarbeitende der beauftragten Firma – wie berichtet – einen Gewölbekeller, der sich dem einstigen Bergamt aus dem 18. und 19. Jahrhundert zuordnen lässt. Damit nicht genug.
Archäologische Baubegleitung
Die archäologische Baubegleitung hatte nämlich noch mehr zu tun: Neben diesen alten Fundamentresten legten die Experten auf dem Platz vor der evangelisch-reformierten Kirche vorübergehend auch eine mittelalterliche Mauer frei. Gleiches geschah ein paar Meter weiter mit einer Druckwasserleitung, damals vermutlich zu Kühlungszwecken installiert, der Mechanischen Werkstätte von Friedrich Harkort. Dieser Fabrik (1819 bis 1871) lassen sich auch ein Hochofen beziehungsweise Schlot, Rinnen sowie Fundamente einer Treppenanlage zuordnen, die die Fachleute im Untergrund vor dem heutigen Pfarrhaus entdeckten.
Wer aktuell auf die Großbaustelle im Kirchspiel blickt, schaut aber auf eine weitgehend geschlossene Oberfläche. Es gilt weiter die Verabredung, dass die Fundstücke quasi sorgsam wieder unter der Erde verschwinden, damit Experten in der Zukunft mit womöglich besserer Technik die alten Zeiten detaillierter aufarbeiten können. Ausnahme: Eine knapp 50 Zentimeter hohe Mauer des alten Bergamtes bleibt vor dem Burgturm weiterhin sichtbar, Schutz bietet momentan eine Plane. „An der Stelle erklären dann künftig Hinweisschilder die Hintergründe, dazu gibt es noch Bodenleuchten“, erläutern Birgit Gräfen-Loer und Nadine Schmutzler von der Stadt Wetter.
Bedeutsame Bodendenkmäler
Bei einem Baustellenrundgang skizziert das Duo aus dem Fachbereich Bauwesen den Fortschritt der Arbeiten und die vielen Absprachen mit den Denkmalpflegern vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). „Es ist schon eine tolle Sache, was hier bisher gefunden wurde, das hatte im Vorfeld keiner gedacht“, meint Gräfen-Loer und denkt dabei an jene Epochen, die das Gelände geprägt haben: Burg und Mittelalter, Neuzeit mit Bergamt sowie der Beginn der Industrialisierung mit den Harkortschen Werken. Nadine Schmutzler kommt auf Feinheiten der Funde zu sprechen: „Sind Steine unregelmäßig angeordnet, lässt sich das entsprechende Mauerwerk dem Mittelalter zuordnen. Stahlbefestigungen weisen auf spätere Verankerungen von Maschinen hin.“
Nachteil der Entdeckungen im Erdreich: Die Bauarbeiten verzögern sich wegen archäologischer Begutachtungen, zudem müssen die Verantwortlichen Pläne anpassen. An der Stelle, wo etwa der alte Ofen zum Vorschein kam und der nun bereits wieder unter einer Plane sowie einem Sandhaufen verschwunden ist, sollte demnächst eigentlich eine barrierefreie Rampe für Touristen hin. „Die wird etwas versetzt“, sagt Birgit Gräfen-Loer, die weitere Funde einpreist: „Die zuverlässige Baufirma legt bald noch Versorgungsleitungen und eine Fläche nahe der Kirche frei. Mal gucken, was da noch zum Vorschein kommt.“
Wolfram Essling-Wintzer äußert sich als wissenschaftlicher Referent beim LWL „hellauf begeistert“ angesichts der Entdeckungen in der Freiheit. „Ich war anfangs skeptisch, ob wir dort bei den Oberflächenarbeiten überhaupt etwas von archäologischer Bedeutung finden. Richtig erfreulich ist auch, dass die Fundstücke gut erhalten sind.“ Der Archäologe kündigt an, dass künftige Besuchergruppen über verschiedene Hinweistafeln den Aufbau der Anlage und die Entwicklungen rund um die Mechanischen Werkstätten nachvollziehen können.
Bauarbeiten in der Freiheit: Fundstücke und Fortschritt
Ähnlich beeindruckt bewerten die Archäologen Georg Eggenstein und Grabungsleiter Roland Lavelle die bisherigen Erkenntnisse. „Ich bin fasziniert, weil sich in Wetter die Keimzelle des Ruhrgebiets befindet und die Industrialisierung dank Friedrich Harkort dort ihren Anfang nahm. Die für damalige Verhältnisse hochmoderne Technologie belegt das und lässt sich über die Ruine mit dem Mittelalter verknüpfen“, sagt Dr. Eggenstein und meint vor allem den früheren Hochofen vor dem Pfarramt.
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Lavelle hat sich wiederum als Mitarbeiter von Eggenstein Exca in den vergangenen Monaten mehrfach mit Spitzhacke und Maurerkelle durch Schichten in der Freiheit gegraben. Der Verantwortliche geht davon aus, dass weitere Relikte aus der Hauptzeit der Burg noch tiefer im Boden schlummern. Doch auch das, was bisher nach Auflagen und einer Dokumentation wieder geschützt unter der Erdoberfläche verschwand, könne sich sehen lassen.
Zeitplan und Denkmal-Fragen
150.000 Euro und damit mehr als gedacht kostet die archäologische Baubegleitung. Trotz mancher Verzögerung gehen die Verantwortlichen der Stadt Wetter davon aus, dass sich die Umgestaltung der Freiheit Ende 2024 fertig stellen lasse. Im Anschluss steht die Burg auf dem Programm, die erhält dann ein eigenständig stehendes Dach und soll bei der Internationalen Gartenausstellung 2027 als Veranstaltungsort dienen.
Unterhalb der alten Burg zeichnen sich bereits neu gestaltete Wege zum Harkortsee ab. Abgesteckte Pflöcke zeigen dort zudem an, wie groß das so genannte Panorama-Deck mit einer schönen Aussicht ausfallen wird. Neben dieser dann möblierten Plattform am Fuße der Ruine sollen Lichtstrahler das historische Gemäuer in Szene setzen, Leitungen dafür liegen bereits im Boden.
Auch hinsichtlich der Burgruine bestand Gesprächsbedarf seitens der Denkmalschützer. Die wünschen sich im Idealfall eine Original-Version eines Bauwerks. Im Kirchspiel in Wetter hat sich über all die Jahre aber die Natur ausgebreitet, was zur Frage führte: Wild gewachsene Bäume und Pflanzen wie Efeu von der Mauer komplett entfernen? Antwort: ein Kompromiss. Rückschnitt ja, Kahlschlag nein.