Herdecke. Kellner entlasten, Vorteile für die Küche: Ein sprechender Serviceroboter rollt nun durch das Ringhotel in Herdecke. Manche reagieren skeptisch.
Ihr Name: Bella. Das klingt nicht nur auf Italienisch hübsch. Handelt es sich um eine Schönheit? Ihr Katzengesicht wirkt freundlich, rein äußerlich stimmen die Proportionen. Doch ihre Attraktivität liegt eindeutig in ihrer Funktionalität.
Seit September setzt der Zweibrücker Hof in Herdecke auf einen Roboter der Marke BellaBot. Das mit dem Namen wäre somit schon mal geklärt. Die programmierbare Maschine ist knapp 1,30 Meter hoch, kann sprechen und einiges an Geschirr transportieren. Mittlerweile fährt sie im Erdgeschoss des Ringhotels traumwandlerisch sicher zwischen Küche und Gastraum hin und her. Vor zwei Jahren, so berichtet es Gastgeberin Veronika Riepe, habe sie das Gerät auf einer Messe gesehen. „Ist ja ganz nett, aber eher nichts für uns“, habe sie damals gedacht. Im Frühjahr 2023 ändert sie ihre Meinung und investiert in diese Unterstützung zum Preis eines Mittelklassewagens.
Der erste Reflex: Müssen Mitarbeitende um ihre Stelle bangen, übernehmen Bella und Co. nun ihre Aufgaben? Das wäre ja nicht schön. Wobei Hotels und Gastronomien seit längerer Zeit Personalprobleme plagen. „Auch unsere Belegschaft hat skeptisch auf den Roboterkellner reagiert, jemand aus dem Service hat gefragt: Sind wir jetzt unseren Job los?“, erzählt Riepe. Und will direkt beruhigen: „Unsere Leute können dank der Unterstützung länger beim Gast sein, können sich intensiver um die Kundschaft kümmern. Sie müssen weniger hin und her laufen, wir reden da über ein paar tausend Schritte am Tag. Es geht ganz klar um Entlastung.“
Testbetrieb für die Hotelkette
Familie Riepe hat sich erst einmal auf den Zweibrücker Hof als eine Art Teststation für den Serviceroboter verständigt. Das Haus in Herdecke biete sich im Gegensatz zu anderen Standorten wegen langer und ebenerdiger Wege im Parterre dafür an. „Treppensteigen kann Bella nicht, Hindernissen weicht sie aber gekonnt aus“, erklärt Veronika Riepe. Kürzlich habe die zuständige Firma den „Papa“ von Bella zum Programmieren noch einmal hier hin geschickt, um die eingegebenen Dienstleistung zu optimieren.
Verband prognostiziert Zunahme
Vertreter vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband sehen hierzulande Roboter noch relativ selten in Restaurants. „Ihr Einsatz könnte aber deutlich zunehmen, da in der Gastronomie Personal knapp ist“, heißt es.
Die Technik könne „echte“ Angestellte aber nicht ersetzen. „Wir gehen nicht davon aus, dass Serviceroboter in unserer Branche flächendeckend als Mitarbeiter-Ersatz angeschafft werden, obwohl sie bei den Gästen erst einmal große Begeisterung wecken“, so Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges, die noch betonte: Menschlicher Kontakt und „herzliche wie kompetente Gastfreundschaft“ seien unverzichtbar.
Damit zu den Aufgaben: Meist ist das Gerät zwischen Küche, Spüle und Gastraum unterwegs. „Wenn wir eine größere Gruppe zu Gast haben oder einen Empfang ausrichten, nimmt uns Bella viel Arbeit ab“, sagt die Hotelchefin. Auf den vier Etagen lassen sich mehrere Salatteller, kalte Vorspeisen, Desserts und ähnliches platzieren, die die Servicekräfte dann nur noch mit wenigen Schritten zum Tisch bringen. Fehlt eine Kleinigkeit, bittet jemand um Ketchup oder Senf, rollt der Roboter los. Und während Bella dann nach dem Abräumen auch die Strecke zur Spülküche übernimmt, kann das Kellner-Team weitere Wünsche der Kundschaft erfüllen.
Der Gast soll profitieren
Riepes Rechnung: Für einen Zehner-Tisch braucht es drei Serviceleute. „Das bleibt bei uns auch so, die können aber zum Beispiel dank der Roboter-Unterstützung das Essen nun besser gleichzeitig servieren oder sich entspannter um Getränke und alles Weitere kümmern.“ Das jeweilige Ziel lässt sich oben am Display einstellen, dort meldet auch der Akku beizeiten Strombedarf (im Schnitt alle zwei Tage) an. „Eine Mitarbeiterin sagte kürzlich dazu: Bella ist sehr müde, sie verfällt gleich in einen Tiefschlaf“, sagt Riepe und lacht, zeigt diese Anekdote doch: „Unsere Leute nehmen die Technik immer mehr an, die Prozesse haben wir zunehmend besser aufeinander abgestimmt.“
Beim Zusammenspiel komme es auf das richtige Timing an, wobei gerade in Stoßzeiten Bella selten ungenutzt herumstehe. Die Grenzen der Maschine: Suppenteller oder Gläser vertrauen die Restaurantverantwortlichen dem Roboterkellner nicht an, den heißen Hauptgang servieren sie in Absprache mit den Köchen ebenfalls wie früher. Auch Servierwagen und Tabletts sind weiter im Einsatz. „Ich bin kein Technik-Freak, aber durch den Roboter können wir mehrere Tische gleichzeitig bedienen und vor allem kalte Speisen besser vorbereiten“, sagt der diensthabende Küchenchef.
Erfreulich: Bella stehe den Angestellten nicht im Weg und sei auch noch niemandem in die Hacken gefahren, Sensoren verhindern dies. „Sie erkennt unter anderem Personen, Stehtische und Unebenheiten, stoppt dann kurz und rollt dann vorbei. Ihre Schrittgeschwindigkeit lässt sich in zwei Stufen einstellen“, erklärt Veronika Riepe. „Und es macht auch Spaß, neue Mitarbeitende und Azubis mit dieser Technik vertraut zu machen.“ Zumal das Gerät mit der Frauenstimme auch Geburtstagslieder singen und einen guten Appetit wünschen kann.
Der digitale Fortschritt
In Urlaubsregionen mit vielen Touristen nutzen laut Riepe vermehrt Gastronomen diese Maschinen, an Autobahnraststätten taucht kaum noch ein Kellner auf. Ist das denn nun die Zukunft? Die Gastgeberin antwortet darauf mit einem klaren Jein. Vielleicht könne der Roboter eines Tages auch selbstständig den Aufzug bedienen und dann die personalintensive Zimmerbestellung in einem Obergeschoss ausführen, doch aktuell gehe es nur um die digitale Unterstützung.
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Und die Reaktionen der Kunden? „Bisher gab es hier bei uns erst einen negativen Kommentar, da sagte jemand: Ach du meine Güte, werden wir jetzt von einem Roboter bedient? Stammgäste hingegen finden Bella interessant“, sagt die Hotelchefin. „Wir wollen natürlich niemanden vergraulen. Wichtig ist uns daher, dass wir authentisch kommunizieren, es offen und ehrlich erklären. Es geht bei dieser Dienstleistung zuvorderst um eine körperliche Entlastung unserer Angestellten. Wir haben uns aber recht schnell und gut an Bella gewöhnt.“