Olpe/Köln. Seit den Corona-Lockdowns ist der Personalmangel in der Gastronomiebranche groß. Roboter von einem Unternehmen aus Olpe könnten die Lösung sein.

Der Servier-Roboter BellaBot kommt mit Katzenohren und einem niedlichen animierten Gesicht daher. Wenn man ihm über den Kopf streichelt, reagiert er mit einem „Miau“. Bis zu 40 Kilo kann der Roboter tragen – zehn Kilo pro Tablett. Was man früher nur aus Science-Fiction-Filmen kannte, ist inzwischen Realität: In Hagen oder Siegen beispielsweise entlasten bereits Roboter Kellner bei ihrer Arbeit und bringen Speisen und Getränke aus der Küche zu den Gästen an den Tisch. Ihr Einsatz ist aber nicht nur ein reiner PR-Gag, sondern soll einem Problem entgegenwirken: Dem Personalmangel in der Gastronomiebranche.

Nach Zahlen der Bundesagentur seien für Arbeit in Speisenzubereitung, Hotellerie und Gastronomie im März insgesamt 43.494 offene Stellen in Deutschland gemeldet worden, so Sandra Warden, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) in einem Branchenfachblatt. „Wir gehen allerdings davon aus, dass die gemeldeten Stellen lediglich die Spitze des Eisbergs sind“, so Warden weiter. „Ein großer Teil des Bedarfs wird gar nicht gemeldet, weil viele Betriebe die Erfahrung gemacht haben, dass ihnen die Agenturen ohnehin niemanden vermitteln können. Ich würde schätzen, der tatsächliche Bedarf ist mindestens doppelt so hoch, jetzt zur Sommersaison eher noch höher.“

Fachkräftemangel kompensieren

Servier-Roboter der Firma „Humanizing Technologies“ könnten in Zeiten der Personalnot Abhilfe schaffen. „Die Service-Roboter sind Mitte 2020 ins Portfolio gekommen“, erklärt Danijel Soldo, der als Account Manager bei „Humanizing Technologies“ Kunden berät und die Funktionen verschiedener Roboter demonstriert. „Sie können dazu genutzt werden den Fachkräftemangel zu kompensieren, sollen aber nicht nur Lücken füllen, sondern auch verschiedene Prozesse im Restaurant automatisieren, bei denen man nicht vom Menschen abhängig ist. Beispielsweise beim Essen oder Getränke liefern und den Tisch abräumen oder bei anderen beschwerlichen Aufgaben.“

Der Hauptsitz der Firma ist Olpe, dort wohnt auch Geschäftsführer und Gründer Tim Schuster. Sein Konzept vereint zwei Firmen unter einem Dach: Für die Roboter-Hardware sei die Zweitfirma „Roboterly“ zuständig, während „Humanizing Technologies“ sich um die Software kümmert. „Humanizing Technologies hat es durch Software ermöglicht, den Roboter verschiedenste Aufgaben durchführen zu lassen“, sagt Danijel Soldo. „Das Problem bei beispielsweise dem humanoiden Roboter Pepper war nämlich, dass man mit ihm nichts anfangen konnte, wenn man keine IT- oder Programmierkenntnisse hatte.“ „Humanizing Technologies“ gibt den Robotern also ein Betriebssystem, damit sie sich einfach bedienen lassen. Pepper war der erste Roboter im Vertrieb der Firma. Er ist gleichzeitig Verkaufsassistent, Rezeptionist und Animateur, spielt Lieder oder gibt High Fives. Von allen Robotern im Showroom in Köln sieht er am menschlichsten aus.

+++ Lesen Sie auch: Lkw-Durchfahrverbot an A45: 22.000 Euro Strafen zum Start+++

Bestseller ist der BellaBot

Neben „Sozialen Robotern“ bietet „Humanizing Technologies“ unter anderem auch Liefer-, Reinigungsroboter an. In der Gastronomie benutze man am liebsten die Lieferroboter, allen voran BellaBot. Der Roboter der Marke „Pudu“ wird aus China importiert. „Pudu“ ist der Marktführer unter den Roboterherstellern und Vertriebspartner der Olper Firma. Pepper hingegen wird in Frankreich hergestellt.

Bestseller BellaBot hat den Grundriss des Restaurants eingespeichert und fährt die Strecken nach einem immer gleichen System ab. Das Einrichten des BellaBots funktioniert dabei ähnlich wie bei einem Staubsauge-Roboter – er ist jedoch auch in der Lage auszuweichen. Springt man dem Roboter in den Weg, bremst er sofort, um einen Zusammenstoß zu verhindern und umfährt das Hindernis. „Der BellaBot hat Sensoren, die einmal von schräg oben nach unten und von schräg unten nach oben alles erkennen“, sagt Danijel Soldo. „Generell haben alle Roboter Sensoren, die Menschen oder andere Gegenstände wie beispielsweise Tische und Stühle erkennen, damit sie ihnen ausweichen können.“ Auch der Einsatz von mehreren Service-Robotern gleichzeitig sei möglich, da diese untereinander kommunizierten und Aufgaben aufteilten.

Gastronomie attraktiver machen

Zwischen 12.000 und 20.000 Euro kostet ein Serviceroboter. Dafür hat er eine Akkulaufzeit von etwa 12 Stunden, braucht nie eine Pause oder Urlaub. Er kann vier Tabletts gleichzeitig transportieren und verschüttet nichts. „Viele Restaurants, die sich für unsere Roboter interessieren oder einen anschaffen, tun das aus der Not heraus, dass sie kein Personal finden. Manche schaffen ihn aber auch als innovativen Helfer an, der neben der eigentlichen Lieferfunktion Leute begeistert und vom Restaurant werbewirksam genutzt werden kann“, erklärt Danijel Soldo. Hauptaufgabe des Roboters: Den Mitarbeitenden Laufwege, repetitive Tätigkeiten und Gewicht abnehmen. Das könne gleichzeitig Arbeitsplätze in der Gastronomie attraktiver machen. „Ersetzen kann ein Roboter derzeit einen Menschen noch nicht, allerdings kann er ihn an verschiedenen Stellen unterstützen und entlasten“, so Soldo.

+++ Lesen Sie auch: Erdbeeren: Lohnt es sich selbst zu pflücken? +++

„Natürlich muss jeder Gastronom für sich selbst entscheiden, ob der Einsatz eines Servierroboters sinnvoll ist, aber an die Rationalisierung müssen wir uns wohl gewöhnen“, äußert sich Kirsten Deggim von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) zu Hagen zur Thematik. „Natürlich sind der menschliche Kontakt und die Gespräche mit den Gästen wichtig, aber wie oft ist das zeitlich realistisch? Wenn es nur darum geht eine Bestellung zu platzieren, spricht nichts dagegen auch einen Serviceroboter zu verwenden.“ Viele Gastronomen stünden aktuell vor großen Herausforderungen durch gestiegene Kosten und den Personalmangel. „In der gehobenen Gastronomie ist das etwas anderes, weil dort ja auch eine Beratung stattfindet.“

Automatisieren von Arbeitsabläufen

DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges findet in einem Statement zum Thema Service-Roboter klare Worte: „Wir können nicht bestätigen, dass die Mehrzahl der Betriebe wegen personeller Engpässe aktuell vermehrt in Service-Roboter investiert. Keine Frage, bei größeren Gruppen und für bestimmte Tätigkeiten können sie hilfreich und entlastend sein, zum Beispiel beim An- und Abtransport von Geschirr oder einfachen Speisen und bei längeren Wegstrecken. Fakt ist jedoch, ein Service-Roboter kann die Mitarbeiter nicht ersetzen.“

Von „Humanizing Technologies“ heißt es dagegen: „In der Gastronomie lässt sich definitiv ein Trend hinsichtlich des Einsatzes von Robotern beobachten. In den letzten Jahren hat die Verwendung von Robotertechnologie in der Gastronomiebranche zugenommen, und es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzt.“ Dabei beruft sich das Unternehmen auf Zahlen der International Federation of Robotics (IFR) mit Sitz in Frankfurt, die von 2020 auf 2021 einen Anstieg von 85 Prozent bei den Einsätzen von Robotern im Gastgewerbe verzeichnet. Dieser Trend ließe sich an verschiedenen Faktoren beobachten. Unter anderem werde das Automatisieren von Arbeitsabläufen immer wichtiger und durch den Einsatz von Robotern könnten Gastronomiebetriebe ihre Effizienz steigern und Kosten reduzieren, so „Humanizing Technologies“: „Die Gastronomiebranche wird voraussichtlich eine Kombination aus menschlicher Arbeitskraft und Robotertechnologie nutzen, um eine optimale Serviceerfahrung zu bieten“, denn menschliche Interaktion und der persönliche Kundenservice seien von großer Bedeutung.