Wetter. Kämmerer Wagener nennt die Haushaltslage „dramatisch“, eine Überschuldung droht. Bürgermeister Hasenberg positioniert sich zu Steuererhöhungen.

Das Beste zum Schluss? Nein, im Rat ließ sich nun eher das Gegenteil beobachten. Als sich die Sitzung dem Ende zuneigte, meldete sich Wetters Kämmerer Andreas Wagener zu Wort und verkündete schlechte Nachrichten zu den kommunalen Finanzen in der Harkort­stadt. „Die Lage ist dramatisch – so dramatisch wie vielleicht noch nie.“ Angesichts fast identischer Berichte aus Herdecke oder anderen Städten des Ennepe-Ruhr-Kreises reagierten die Fraktionsmitglieder gefasst auf diese Hiobsbotschaft.

Die Liste der Krisen verlängerte sich in der jüngeren Vergangenheit zunehmend. Hohe Energiepreise, Auswirkungen der Inflation, Corona, steigende Flüchtlingszahlen (in dieser Hinsicht geht der Kämmerer von einer überplanmäßigen Mittelbereitstellung in 2023 aus) – Bürgermeister Frank Hasenberg verzichtete angesichts der bekannten Probleme auf eine Aufzählung, er richtete vielmehr einen klaren Appell an die nordrhein-westfälische Landesregierung: „Wir können nur hoffen, dass bei ihr das Thema oben auf der Agenda steht und alsbald eine Entlastung für die Kommunen erfolgt.“

Brandbrief an Ministerpräsident

Er habe einen Brandbrief an Ministerpräsident Hendrik Wüst unterschrieben, wie übrigens auch Herdeckes Bürgermeisterin Katja Strauss Köster. In diesem Text beschreiben Vertreter aus 355 Städten und Gemeinden (die Übergabe erfolgte am Donnerstag) ihre Geldsorgen. Zur eindeutigen Botschaft, dass sich auch das Bundesland besser um die Finanzausstattung der Städte kümmern müsse, ergänze Hasenberg noch, dass er den erfolgten Vorschlag zur Altschulden-Regelung als einen „Scherz“ aufgefasst habe. Sein Vorwurf: Es habe zuletzt eher „kleine Spritzen gegeben, wir brauchen aber dringend eine Reform, um unsere Aufgaben erfüllen zu können. Uns laufen die Kosten weg. Und das kann sich auch nicht mit Steuererhöhungen für die Bürgerinnen und Bürger auffangen lassen. Daher dieser echte Hilferuf vom Städte- und Gemeindebund.“

Sowohl Wetters Bürgermeister als auch der Kämmerer blickten konkret ins Jahr 2027. Tenor: Wenn sich die Finanzlage nicht bessere, dann droht der Harkortstadt eine Überschuldung. „Das ist ein ernstes Thema“, sagte Andreas Wagener, der aktuell wesentliche Eckdaten aus den städtischen Haushaltszahlen vortrug. Das Defizit könnte sich von 2023 bis 2027 auf 34,7 Millionen Euro vergrößern, perspektivisch kommen womöglich bis 2032 weitere 22,7 Millionen hinzu. Das Eigenkapital betrug Ende 2022 noch 31,3 Mio. Euro. Eine drastische Reduzierung dieser finanziellen Rücklage drohe bis 2027, womit dann der Status der Überschuldung erreicht wäre. „Durch diese verschärften Bedingungen müssten wir ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen, zumal uns von 2023 bis 2027 in Sachen Liquidität 25,3 Millionen fehlen könnten“, so Wagener.

Große Ausgaben stehen an

Seine einzige Einschränkung: Es handele sich noch um ein vorläufiges Zahlenwerk. Die Alarmglocken sollten dennoch schon jetzt läuten, weil in diesen Berechnungen größere Investitionen wie die umfangreiche Sanierung des Geschwister-Scholl-Gymnasiums oder die Umsetzung des Mobilitätskonzepts nicht enthalten seien. „Es braucht Änderungen aufseiten der Ausgaben – nicht nur in Wetter. Im EN-Kreis sind sechs von neun Städte überschuldet beziehungsweise von Überschuldung bedroht, drei weitere können ebenfalls keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.“

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Der Kämmerer will seinen Etatentwurf für 2024 statt wie üblich im September erst im Dezember vorlegen und geht von einer Beschlussfassung im nächsten März aus. Er rechne auch nicht damit, dass dieser zeitliche Verzug von jemandem moniert werde. Zugleich rundet es sein düsteres Bild wie folgt ab: „Wir Kämmerer sehen im Moment nicht, wie ein Finanzausgleich zustande kommen könnte.“ Relevant sei in dieser Hinsicht auch eine Lösung für die Altschulden-Frage, nachdem sich zuletzt ja auch die Zinsen zuungunsten der Städte und Gemeinde entwickelt hätten.

Laut Hasenberg müssen in Nordrhein-Westfalen wohl bald 40 Kommunen ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen. „Das zeigt deutlich, dass im Prinzip alle die gleichen Problemen haben.“