Wetter/Hagen. Als Zeuge sagt nun der trauernde 47-Jährige vor Gericht aus. Über die Angeklagte und seine langjährige Lebensgefährtin berichtet er nichts Gutes.

Ein schwerer Gang: Im Fall der Wetteranerin (43), die ihren neunjährigen Sohn getötet haben soll, wurde nun am Landgericht der Vater des verstorbenen Kindes gehört. Eine weitere Zerreißprobe für den 47-Jährigen, der bemerkenswert gefasst auftrat und gleichzeitig zeigte, wie viel Kraft ihn die Aussage und die Begegnung mit der Angeklagten kosteten.

Heike Hartmann-Garschagen, Vorsitzende Richterin des Hagener Schwurgerichts, bewies Mitgefühl, als sie den versteinert wirkenden Zeugen begrüßte: „Wir wissen, in welcher Situation Sie sich befinden und wie schwer das ist.“ Aber ersparen könnten sie ihm die Aussage leider nicht. Der 47-Jährige nahm es zur Kenntnis, reagierte nicht großartig. Der Mann, der Anfang Februar ganz normal zur Arbeit ging und vor dem dann plötzlich zwei Polizisten und ein Notfall-Seelsorger standen, um ihm das Unfassbare zu sagen: Sein Sohn lebte nicht mehr – offenbar von der eigenen Mutter getötet. Die Frau, mit der er über ein Jahrzehnt zusammen war, die neun Jahre zuvor den Jungen zur Welt brachte und die jetzt auf der Anklagebank saß. Die kaum in seine Richtung sah, eher wieder permanent ins Leere blickte und erneut keine Regung zeigte.

„Ein widerlicher Mensch“

Zu dem Verhältnis zu ihr befragt, erinnerte er sich: „Am Anfang war die Beziehung gut. Irgendwann ging es immer mehr bergab.“ Sie habe stets Druck auf ihn ausgeübt, habe alles kritisiert – Job, Finanzen oder auch der Umgang mit dem Kind. „Man konnte es ihr einfach nicht recht machen.“ Und dabei habe er viel übernommen: kochen, einkaufen oder Gänge mit dem Jungen zum Skater-Park. „Alles, was ich gemacht habe, war falsch.“ Generell seien bei ihr immer die anderen schuld gewesen. Dann habe er sich Ende vergangenen Jahres getrennt: „Weil ich nicht mehr konnte.“ Und: „Es ging einfach nicht mehr.“ Das, was die 43-Jährige in der Vergangenheit nach außen kommunizierte, zweifelte er mehr oder weniger deutlich an. „Wenn es nach ihr ging, war sie immer überlastet.“ Er empfand das offenbar anders.

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Anzeichen für eine Depression habe er bei ihr nie festgestellt. „Meiner Meinung nach ist das alles erstunken und erlogen.“ Er habe sie nicht traurig oder antriebslos erlebt, habe nicht gesehen, dass sie sich selbst verletzt habe. Und Suizidgedanken habe sie ihm gegenüber auch nicht geäußert. Ihre Krankschreibungen bezeichnete er als „Jammern auf hohem Niveau“. Auf die Frage der Richterin, ob er seine frühere Partnerin für krank halte, fand er deutliche Worte: „Nein. Alles eine riesengroße Show.“ Mit der früheren Aussage der Angeklagten konfrontiert, dass der Junge ihr größtes Geschenk sei, redete er erneut Klartext: „Meiner Meinung nach war das eine Lüge. Sonst wäre das ja nicht passiert.“

Sein Rechtsanwalt Philippos Botsaris hakte nach, fragte, wie es ihm heute gehe. Die Antwort kam prompt: „Scheiße.“ Dann wurde der 47-Jährige konkreter: „Es geht mir nicht gut. Ich bin antriebslos, muss da jeden Tag drüber nachdenken.“ Lange Zeit sei er nicht dazu in der Lage gewesen, zu arbeiten. Außerdem befinde er sich nunmehr in Therapie. Und noch einmal redete er Tacheles: „Wie kann man nur so ein widerlicher Mensch sein?“

Trauer, Therapie und Wiedersehen

Nach der Zeugenvernehmung zeigte sich der Hagener Jurist Botsaris, der den hinterbliebenen Vater in diesem Verfahren vertritt, von seinem Mandanten beeindruckt. „Ich habe einfach einen riesigen Respekt vor der Kraft, die er heute gezeigt hat, hier auszusagen.“ Zumal der Mann die Angeklagte bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal nach der Tat wiedergesehen habe. Der 47-Jährige hoffe nach wie vor darauf, irgendwann das Wieso zu erfahren – wieso sein Sohn sterben musste.

Die Frau, von der sich der trauernde Vater eine Antwort erhofft, hat sich bislang nicht zu dem Vorwurf und möglichen Hintergründen der Tat geäußert. Das Totschlags-Verfahren wird in den kommenden Tagen fortgesetzt.