Volmarstein. Dutzende Bürger beklagen vor dem besonderen Supermarkt in Volmarstein, dass mehr wegbreche als nur der wichtige Nahversorger. Kritik an der Awo.

Der Protest formiert sich langsam. Beim Miteinander in Volmarstein baut die SPD mit leichter Verspätung einen Stand vor dem Cap-Markt auf. Vor zehn Tagen hat die Awo als Betreiberin angekündigt, diesen besonderen Supermarkt in der Dorfmitte zum Jahresende zu schließen. Im Laufe des Nachmittags kommen Dutzende aus der Anwohnerschaft zum Eingang des Geschäfts, in dem Angestellte mit Beeinträchtigungen seit zehn Jahren eine wertvollen Aufgabe gefunden haben. In den Bürgergesprächen häuft sich Kritik an der verkündeten Entscheidung, Tenor: Der Stadtteil stirbt aus, auch Rewe Grundschöttel gibt jetzt auf, wo und wie sollen vor allem die Älteren denn zukünftig einkaufen?

Die Enttäuschung breitet sich aus

Ein Satz aus einem Zeitungsbericht der Vorwoche taucht in vielen Gesprächen auf. „Ein Sturm der Entrüstung hat sich nicht gebildet“, so stand es am Samstag im Lokalteil. „Wir waren richtig geschockt, dass der Cap-Markt schließen soll“, sagen viele Leute aus Volmarstein am SPD-Stand. Manche hätten auch resigniert, Protest bringe ja eh nichts, wie das Beispiel Rewe-Schließung in Grundschöttel gezeigt habe. Diese Schockstarre, wie andere es nennen, wandelt sich nun zunehmend in Ärger um. Ilona Richter kämpft mit gesundheitlichen Einschränkungen und sei auf den Nahversorger „angewiesen. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Ich war stolz, hin und wieder den Berg hoch zu Rewe in Grundschöttel geschafft zu haben. Ich habe mich im Ortskern seit 15 Jahren stets gut und sicher gefühlt, das fällt jetzt weg. Stattdessen sehe ich, wie das Ordnungsamt Knöllchen verteilt. Ich will hier aber auch nicht wegziehen.“

Die Lage im Dorf

Den Supermarkt betrachten Anwohnerinnen und Anwohner als wichtigen Aspekt der Nahversorgung, aber auch dank fußläufiger Erreichbarkeit als wertvollen Treffpunkt. „Nicht jeder hat ein Auto und kann woanders einkaufen“, heißt es. Auch der Lieferservice vom Cap-Markt erhält Bestnoten. „Die stellen das auf den Küchentisch und würden Lebensmittel womöglich sogar in den Kühlschrank einräumen.“ Hans-Udo Lindert sagt: „Ich weiß nicht, wo ich künftig Lebensmittel herbekommen soll. Vermutlich fährt meine Frau oft nach Westerbauer, auch Herdecke bietet viel. Wir werden älter und brauchen Hilfe, durch die Cap-Markt-Schließung nimmt unsere Eigenständigkeit ab.“

Die Kritik an der Awo

Gerhard Schrimpf appelliert an die Arbeiterwohlfahrt: „Erst feiern sie hier Zehnjähriges und dann schließen sie Holter-die-Polter? Das passt nicht zu einer sozialen Verantwortung. Ich hätte mein Einkaufsverhalten geändert, wenn ich von der Not gewusst hätte.“ Andere pflichten ihm bei und kritisieren, dass die Awo keine Alarmsignale ausgesendet und mit der Schließungsmitteilung quasi alle überrascht habe. Fehlende Transparenz und Kommunikation wirft Thomas Apfelstädt der Betreiberin vor.

Bundestagsabgeordneter fordert Lösung

Neben Bürgermeister Frank Hasenberg hört sich auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Echeverria die Volmarsteiner Sorgen vor dem Geschäft an der Hauptstraße an. „Ich kenne nicht genügend Zahlen, um diese scheinbar marktwirtschaftlich nachvollziehbare Entscheidung bewerten zu können. Es braucht aber eine Lösung für das Dorf und die Anwohnerschaft, zu der hier ja viele Ältere gehören.“

Auch ihn habe die Schließungs-Nachricht überrascht. „Ich hatte die Beschäftigen zuvor für 2024 nach Berlin eingeladen.“

Manche zweifeln die vermeintlich soziale Ausrichtung der Awo an und bemängeln den ausgebliebenen Fortschritt. „Mehrfach habe ich nach Kartenzahlungsmöglichkeiten gefragt, aber nix ist passiert, das Konzept wurde nicht weiter entwickelt.“ Es gehe immer nur ums Geld, beklagt Martina De Bruyckere. „Wie sollen Menschen mit Behinderung für Umsatz sorgen? Volmarstein ist ja ein besonderer Ort für Leute mit Einschränkungen. Traurig, wie das hier langsam ausblutet, das tut mir im Herzen weh. Der Cap-Markt muss bleiben!“

Die Sorge um Mitarbeitende

Die Wertschätzung für den Cap-Markt als sozial-integrative Einrichtung dringt aus fast jeder Äußerung durch. Tränen seien im Geschäft geflossen, wenn Kunden mit den Angestellten über die Lage reden. „Die sind deprimiert und fertig“, berichtet jemand. „Die sind über all die Jahre zum festen Bestandteil des Dorfes geworden. Und viele haben Zukunftssorgen, der Job hier ist doch sinnstiftend und viel wertvoller als in den Werkstätten.“

Die Sicht der SPD

Rosi Wolf-Laberenz habe eine Problemanzeige der Awo vermisst. „Sie hätte früher informieren müssen.“ Nils Roschin fragt sich, ob nicht auch ein Untermieter wie eine Postannahmestelle oder ein Lotto-Toto-Laden für zusätzliche Einnahmen sorgen könnte. Viele Ratsmitglieder kennen die Zukunftssorgen in Volmarsteins Dorfmitte.

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„Ja, vielleicht hätten die Menschen mehr im Markt einkaufen sollen, jedoch haben gerade viele Ältere die Woche über genutzt, ihre Einkäufe über die Woche zu verteilen und nicht einen großen Einkauf auf einmal zu tätigen. Die Mitarbeitenden im CAP-Markt haben durch ihre netten Worte und der Freude an ihrer Arbeit den Einkaufsmarkt und das Dorf Volmarstein belebt. Das wird zukünftig sehr fehlen!“ Für Roschin habe eine zentrale Versorgungs-Nachfolgelösung Priorität. Sollte sich kein klassischer Lebensmittelhandel hier ansiedeln, komme „vielleicht ein Daily-Supermarkt infrage – oder ein Einkaufswagen, der zwei bis drei Mal pro Woche hier hält.“