Ennepe-Ruhr/Wetter. Der Ennepe-Ruhr-Kreis sucht einen Ort für eine dritte Förderschule. Die Stadt Wetter zieht ihr Gebäude-Angebot an der Vogelsanger Straße zurück.

Eine Umfrage in den neun Stadtverwaltungen ergab vor einiger Zeit ein eindeutiges Bild: Im Ennepe-Ruhr-Kreis soll eine dritte Förderschule in öffentlicher Trägerschaft entstehen. Eine interkommunale Arbeitsgruppe befasst sich mit dem Thema und hat mögliche Standorte abgefragt.

Eine schon länger vorliegende Analyse zum Unterricht für Kinder mit Lern- und Entwicklungsstörungen klingt eindeutig: Die Hasenclever-Schule in Gevelsberg und die Wittener Pestalozzi-Schule als bestehende Einrichtungen können eine weitere Zunahme der Schülerzahlen nicht bewältigen, die Kapazitäten lassen sich den Angaben zufolge nicht erweitern. Es gibt also einen Bedarf an Ennepe und Ruhr, wobei der EN-Kreis die Oberlinschule in Volmarstein, das Alte Pfarrhaus in Herdecke-Ende oder die Loher-Nocken-Schule in Ennepetal (alle in privater Trägerschaft) in dieser Hinsicht nicht mitzählt.

Bedarf im EN-Nordkreis

Vor allem der Nordkreis mit der Pestalozzi-Schule verzeichne demnach einen außerordentlich starken Zuwachs seit 2014. Bis 2022 habe sich die Schülerzahl von 159 auf 257 um mehr als 60 Prozent erhöht, Tendenz weiter steigend. Die EN-Kreisverwaltung beobachte „ein verändertes Schulwahlverhalten der Eltern und generell mehr Wechsel aus dem Gemeinsamen Lernen in das Förderschulsystem. Dieser Trend zeichnet sich seit Jahren auch landesweit ab. Förderschulen werden unter anderem gezielt gewählt, um ein Lernen in kleineren, überschaubaren Systemen zu ermöglichen.“

Doch für Eltern gibt es im hiesigen Gebiet quasi keine Wahlmöglichkeit. „Aus einigen Regionen des Kreises ist ein Förderschulbesuch aufgrund der Entfernungen nur eingeschränkt beziehungsweise unter erschwerten Bedingungen möglich.“ Das gelte vor allem im Nordkreis für Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, die den Weg zum Beispiel mit Bussen ins südlicher gelegene Ennepetal auf sich nehmen müssen. Daher entscheiden sich, so steht es in der pädagogischen Analyse, Eltern für das Gemeinsame Lernen in Regelschulen, obwohl sie lieber eine Einrichtung mit Förderschwerpunkt wählen würden. Ergo geht die Arbeitsgruppe davon aus, dass die Zahlen an hiesigen Förderschulen noch höher wären, wenn ein erreichbares Angebot als Alternative bestehen würde.

Noch immer ist die Kämpenschule am Schmandbruch ausgeschildert, das Schild steht an der Zufahrt.
Noch immer ist die Kämpenschule am Schmandbruch ausgeschildert, das Schild steht an der Zufahrt. © Steffen Gerber

Eine solche schien sich am Stadtrand von Wetter zu ergeben. Und zwar am Schmandbruch. Dort an der Vogelsanger Straße 94a gab es bis 2016 Unterricht für Grundschüler, ehe diese nach Volmarstein wechselten. Ab 2017 mietete der EN-Kreis das Haus für seine Förderschule Hiddinghausen an, um diese Einrichtung (Schwerpunkt geistige Entwicklung) im Heimatgebäude in Sprockhövel sanieren zu können. Aus diesem Grund kam von 2019 bis 2021 auch Wittens Kämpenschule am Schmandbruch unter.

Vor einigen Monaten teilte die Stadt Wetter mit, dass sie bislang keine Beratungen und Planungen hinsichtlich der Errichtung einer eigenen Förderschule im Visier habe. Zugleich wies die hiesige Verwaltung in einem Schreiben an den Kreis auf das städtische Gelände an der Vogelsanger Straße 94a hin. Doch mittlerweile hat sich die Lage geändert, auf Anfrage der Lokalredaktion heißt es aktuell: „Das Schulgebäude am Schmandbruch steht für einen Förderschulstandort nicht zur Verfügung, weil wir das Gebäude für die Unterbringung von Geflüchteten nutzen. Das hatten wir dem Kreis aber bereits mitgeteilt.“

Seit August 2022 leben Geflüchtete in dem Haus am Stadtrand, 34 Plätze stehen zur Verfügung. „Dort wohnen hauptsächlich Familien, das Kontingent ist nahezu ausgeschöpft“, berichtet Marietta Elsche aus dem Bürgermeisterbüro. Für die Nutzung waren nur kleinere Um- bzw. Einbauten notwendig, zum Beispiel kleinere Brandschutzmaßnahmen, ein Kücheneinbau oder das Aufstellung von Sanitärcontainern. Auch in naher Zukunft sollen Auswärtige dort eine Unterkunft finden, eine langfristige Planung für das Gebäude liege nicht vor.

Herdecke lehnt ab, Hattingen gesprächsbereit

Auch die Stadt Herdecke hat sich auf Anfrage der EN-Verwaltung zu einer weiteren Bildungseinrichtung für Heranwachsende mit Lern- und Entwicklungsstörungen geäußert. „Die Möglichkeit, dass Kinder im Nordkreis eine Förderschule nach der 4. Klasse besuchen können, ist aufgrund der räumlichen Distanz und langen Fahrtzeiten nur sehr eingeschränkt möglich. Der Bedarf ist aber gegeben“, hieß es in der Februar-Stellungnahme.

Daher begrüße die hiesige Verwaltung das Vorhaben, einen weiteren Förderschulstandort im EN-Nordkreis in öffentlicher Trägerschaft zu errichten. Im Herdecker Stadtgebiet gebe es dafür aber kein freies oder geeignetes Grundstück. „Die vorhandenen Schulgebäude sind aufgrund der steigenden Schülerzahlen, wegen des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz und des Wechsels von G8 zu G9 am Limit ihrer Kapazitäten.“

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Somit komme nach derzeitigem Stand nur Hattingen als Ort für eine dritte Förderschule des EN-Kreises infrage. Die WAZ-Lokalredaktion berichtet nun, dass Bürgermeister Glaser und Landrat Schade nach den Sommerferien über geeignete Standorte reden wollen.