Schwelm/Gevelsberg/Ennepetal. Die Inklusion im EN-Kreis ist gescheitert, die Eltern wollen ihre Kinder so nicht beschulen. Nun muss der EN-Kreis eine neue Förderschule bauen.

Es ist noch keine zehn Jahre her, dass mit der Albert-Schweitzer-Schulen in Ennepetal (2015) und der Pestalozzi-Schule in Schwelm (2014) zwei Förderschulen im Ennepe-Ruhr-Kreis politisch getrieben geschlossen wurden. Erweist sich das als ein möglicherweise nun teurer Fehler auf dem Rücken der Kinder? Denn: Der Bedarf an Förderschulplätzen steigt so stark an, dass die verbliebenen Förderschulen – die Hasencleverschule in Gevelsberg, die Pestalozzi-Schule in Witten und die private Förderschule der Stiftung Loher Nocken in Ennepetal – aus allen Nähten platzen. Der Kreis muss eine neue Förderschule bauen. Dies beschlossen die Politiker einstimmig.

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Rückblick auf die Jahre vor der doppelten Förderschulschließung. „Inklusion“ lautete die aktuelle Mode im NRW-Schulministerium, nachdem Sylvia Löhrmann (Grüne) den Ministerposten übernommen hatte. Die rot-grüne Landesregierung unter Führung von Hannelore Kraft (SPD) rührte massiv die Werbetrommel dafür, Kinder mit Förderbedarfen an Regelschulen anzumelden, damit sie am Standard-Schulleben teilnehmen können – mit Hilfe von Inklusionshelfern, die sie im Schulalltag unterstützten.

Viele Eltern folgten dem Ruf, meldeten ihre Kinder von den Förderschulen ab – oder gar nicht erst mehr dort an. Folge: Die Anmeldezahlen sanken rapide, Schwelm und Ennepetal schlossen ihre Bildungsinstitute für Kinder mit zusätzlichen Bedarfen. Die Hasenclever-Schule in Gevelsberg sollte für die drei genannten Städte plus Breckerfeld künftig die Kinder beschulen, die weiterhin eine Förderschule besuchen.

Eltern schicken Kinder gezielt auf Förderschulen

Doch das Inklusionssystem geriet bald ins Wanken, denn die Eltern sind diejenigen, die abstimmten und ihre Kinder wieder mehr und mehr an den Förderschulen anmeldeten beziehungsweise sogar von den Regelschulen zurück zu den Förderschulen schickten. Eltern wählen Förderschulen ganz gezielt, um ihren Kindern ein Lernen in kleineren, überschaubaren Systemen zu ermöglichen. Folge: Bereits im Jahr 2018 gründete der Ennepe-Ruhr-Kreis die interkommunale Arbeitsgruppe „Schulentwicklung Förderschulen EN“mit dem Ziel der Weiterentwicklung der Förderschullandschaft im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen (LES). In diesem Förderbereich gibt es im Kreis mit der Ferdinand-Hasenclever-Schule in Gevelsberg und der Pestalozzischule in Witten zwei öffentliche Schulangebote in kommunaler Trägerschaft. Die Loher-Nocken-Schule in Ennepetal ist auf „emotionale und soziale Entwicklung“ spezialisiert.

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Bereits im Jahr 2020 bestand in diesem Gremium Einigkeit darüber, dass die bestehenden Förderschulen im Ennepe-Ruhr-Kreis, die da bereits an ihre Kapazitätsgrenzen stießen, die weitere zu erwartende Zunahme an Schülern mit Förderbedarf nicht mehr aufnehmen können. Vor allem in den Nordkreis-Städten kann der Bedarf mittlerweile kaum gedeckt werden, durch das vollkommen ausgedünnte Angebot sind die Wege für die Kinder mit erheblichem Aufwand verbunden.

In Teilbereichen Schülerzahlen verdoppelt

Der Ennepe-Ruhr-Kreis teilt mit: „Vor allem der Nordkreis mit der Pestalozzischule verzeichnet einen außerordentlich starken Zuwachs. Zwischen den Schuljahren 2014/15 und 2021/22 hat sich die Schülerzahl von 159 auf 257 erhöht. Das entspricht einer prozentualen Zunahme von über 60 Prozent. Nur für den Teilbereich Lernen sind es in diesem Zeitraum sogar fast 100 Prozent. Zudem waren in den letzten Jahren die Anstiege besonders sprunghaft (bis zu 15 Prozent innerhalb eines Jahres).

Für den Südkreis stellt sich die Sache sogar etwas anders dar: „Im Südkreis verzeichnete die Hasencleverschule sogar einen Rückgang, der sich im Auslaufen der Orientierungsstufen im Förderbereich Emotionale und soziale Entwicklung begründet. Perspektivisch sind aber auch hier wieder Anstiege zu erwarten, insbesondere im Förderschwerpunkt Lernen, für den zuletzt wieder ein Aufwuchs zu beobachten war. Die private Förderschule am Loher Nocken in Ennepetal hat ihre Beschulungskapazitäten ausgebaut und verzeichnet ebenfalls höhere Schülerzahlen.“

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Raumnot und mangelnde Betreuungsmöglichkeiten sind an der Tagesordnung. Folge dieser Entwicklung: Der Ennepe-Ruhr-Kreis will so schnell wie möglich eine neue Förderschule bauen, die er in eigener Trägerschaft betreiben will. Dafür hat er bereits alle neun Kommunen angeschrieben, ob sie Grundstücke für die Realisierung hätten. Während Schwelm, Gevelsberg und Ennepetal abwinkten wie die meisten anderen Städte auch, hat die Stadt Wetter die ehemalige Schmandbruchschule in den Ring geworfen, Hattingen will erst die Anforderungen kennen, bevor sich die Kommune auf Grundstückssuche begibt.

Bislang liegen für das Vorhaben weder ein Zeit- noch ein Kostenplan vor. Im nächsten Schritt will die Kreisverwaltung Gespräche mit der Bezirksregierung aufnehmen, um zu den notwendigen Konkretisierungen zur Errichtung eines Förderschulstandortes für Lern- und Entwicklungsstörungen in Ersatzträgerschaft des Kreises zu kommen. Die Arbeitsgruppe hat für die Realisierung ein Ganztagsangebot mit verschiedenen Förderschwerpunkten im Blick, wofür die Politik mit ihrem einstimmigen Votum im Kreistag nun den Weg geebnet hat.

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