Ende. Senioren und Mitarbeitende, die in Ende von der Convivo-Pleite betroffen sind, warten auf Antworten zur Frage: Was passiert nach dem 30. Juni?

Immer mehr Gerüchte breiten sich in Herdecke und Umgebung aus. Kein Wunder, türmen sich doch offene Fragen zur Zukunft des Seniorenhauses Kirchende. Das gehört zur Convivo-Gruppe. Bekanntlich hat die Evangelische Stiftung Volmarstein im laufenden Insolvenzverfahren des Pflegeheimbetreibers mit Sitz in Bremen die drei Einrichtungen am Nacken, im Quartier Ruhraue und an der Goethestraße übernommen. Im bevölkerungsreichsten Stadtteil Ende hingegen droht ein Szenario ohne Lösung. Bisher scheint niemand – wie berichtet – ernsthaft Interesse an einer Übernahme der Gebäude zwischen Kirchender Dorfweg und Am Berge zu haben.

Die Lokalredaktion ist dabei, Antworten zu den aktuellen Problemen einzusammeln und will an dieser Stelle einen Überblick zu den drängendsten Fragen geben. Da wäre zuvorderst die Zukunftsperspektive für Bewohnerinnen und Bewohner. Ein großer Kritikpunkt auch aus dieser Gruppe (Mitarbeitende sehen dies ähnlich wie die Senioren): Bisher haben sie nur spärlich Informationen erhalten. Sie alle sowie deren Familienangehörige schauen mit großen Sorgen in die nahe Zukunft und wissen beispielsweise nicht: Müssen sie nun am 30. Juni 2023 ihre Wohnungen beziehungsweise Zimmer räumen? Das wäre in rund zweieinhalb Monaten, für ordentliche Kündigungen gelten in der Regel längere Fristen.

Verschiedene Gruppen

Im Seniorenhaus Kirchende leben verschiedene Gruppen. Dort stehen etwa vollstationäre Plätze, Einzel- und Doppelapartments zur Verfügung, manche für die Kurzzeitpflege und mit Möbeln ausgestattet. Viele leben aber dauerhaft in der Einrichtung mit Pflegeanschluss. Zu diesen angemieteten Wohnungen gehören den Angaben zufolge unter anderem Sanitärzellen und ein Anschluss an eine zentrale Notrufanlage. Bewohnerinnen oder Bewohner können die vorhandene Möblierung ergänzen oder eigene Akzente setzen. Convivo hat dazu geschrieben: „Der Pflegebereich des Hauses Kirchender Dorfweg besteht überwiegend aus Einzelapartments… Unser Bemühen geht dahin, eine individuelle Lebensqualität der Menschen, die sich uns anvertrauen, in der Gemeinschaft zu ermöglichen und zu gestalten.“

Weiterbetrieb bis 30. Juni 2023

Am Kirchender Dorfweg gehören auch Gesellschaftszimmer, Gemeinschaftssäle und Aufenthaltsräume zum Angebot.

Bis zum 30. Juni 2023, das hat der Ennepe-Ruhr-Kreis versichert, stehe Geld für den Weiterbetrieb des Seniorenhauses Kirchende zur Verfügung.

Die Evangelische Stiftung hatte angekündigt, die Anlage in Ende wegen des „nicht absehbaren Sanierungsbedarfs“ nicht zu übernehmen. Gleichwohl wollen die Verantwortlichen aus Herdeckes Nachbarstadt den Angaben zufolge helfen, den in Kirchende „lebenden Menschen eine Perspektive zu bieten. Natürlich haben wir die Mitarbeitenden und Bewohnerinnen und Bewohner in Kirchende im Blick. Darum führen wir (auch mit dem Kreis) viele vertrauliche Gespräche.“

Hinzu kommt im Haus Am Berge – dort lässt sich an einem Balkon eines Gebäudes durch die Zahl 1990 das Baujahr ableiten – die Gerontopsychiatrie. In Einzel- und Doppelzimmern erhalten erkrankte Menschen (Alzheimer, Demenz und ähnliches) eine spezielle Betreuung in Pflegewohngruppen.

Insgesamt geht es in Kirchende um das Schicksal von etwas mehr als 200 Betroffenen aus den Reihen der Mitarbeitenden und Senioren. Unbestätigt ist noch eine Entwicklung, von der die Lokalredaktion am Dienstag nach Ostern erfahren hat: Die Hoffnung, dass quasi alle der rund 90 Bewohner aus Ende bald in den im Sommer fertig gestellten Neubau mit 93 Plätzen an der Goethestraße umziehen können, scheint sich zu zerschlagen, da die Evangelische Stiftung Volmarstein dort in Herdecke andere Pläne verfolgen wolle.

In dem Zusammenhang hat die Redaktion auch die Eigentumsfrage in den Blick genommen. Im April 2019 veröffentlichte ein Immobilien-Magazin, dass AviaRent für circa zwölf Millionen Euro die Anlage in Kirchende für den offenen Spezialfonds „CareVision III“ erworben habe. Dabei handele es sich um ein circa 14.400 Quadratmeter großes Grundstück (10.500 nutzbar) mit mehr als 100 vollstationären Pflegeplätzen in 82 Einzel- und 16 Doppelzimmern. Zu diesen insgesamt sechs Gebäudeteilen gehören demnach auch 41 Servicewohnungen für Senioren mit einem Platz von jeweils 45 und 50 Quadratmetern. Eigentümerin sei somit die AviaRent Capital Management, die wiederum ist der deutsche Partner der französischen Primonial Holding. Beide engagieren sich in den Geschäftsfeldern Pflege und Bildung. Eine Sprecherin von der Primonial Reim Germany AG wollte auf Anfrage weder zur Convivo-Insolvenz noch zur Immobilien-Frage etwas sagen: „Es tut mir leid, wir möchten dazu keine Auskunft geben.“

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Somit lässt sich auch ein Zitat eines Verantwortlichen des Luxemburger Fondsmanagers AviaRent Capital Management aus 2019 nicht weiter kommentieren, zumal es aus heutiger Sicht fragwürdig erscheint: Vor vier Jahren habe AviaRent angesichts der angespannten Lage in den Senioren- und Pflegeimmobilien in Nordrhein-Westfalen auch hier „gezielt in Objekte investiert, die den hohen Qualitätsansprüchen des Fonds entsprechen“. Wer sich den Zustand der Anlage in Kirchende anschaut und die Äußerungen von Eingeweihten anhört, kann wegen solcher Sätze nur den Köpf schütteln. Über Jahre hat sich dort ein beträchtlicher Sanierungsstau ergeben. Angeblich sollen sich im Zuge des Convivo-Insolvenzverfahrens zwei Träger für eine Übernahme interessiert, diese aber doch abgelehnt haben. Somit warten die Bewohnerschaft und Mitarbeitende weiter auf eine künftige Lösung.