Herdecke/Hagen. Eine aufmerksame Mutter hat einen 38-Jährigen vor Gericht gebracht. Er soll sich in Chats als Teenager ausgegeben haben. Dann wurde er gemein.

„Das war wieder dieser Kick.“ – Über eine Chat-Community suchte ein Herdecker (38) offenbar Kontakt zu Kindern und Jugendlichen, gab sich als Gleichaltriger aus und äußerte dann schnell, in Wort und Bild, seine sexuellen Absichten. Er tauschte mit Gleichgesinnten kinder- und jugendpornografisches Material aus und scheute sich auch nicht, Vergewaltigungsfantasien zu äußern. Nun steht der Mann mit bewegter Vergangenheit vor dem Hagener Landgericht.

Mutter erwischt Tochter

Eine aufmerksame Mutter, die ihre Tochter beim Versenden von Fotos ihrer entblößten Brüste an den Mann aus Herdecke erwischte, brachte den Stein augenscheinlich ins Rollen. Im Zeitraum zwischen Mai 2018 und August 2021 beging er, so der Vorwurf, unzählige Straftaten. Allein die Verlesung der Anklageschrift mit 66 einzelnen Punkten dauerte sicherlich eine Viertelstunde und das, was die Staatsanwältin vortragen musste, ging, vorsichtig formuliert, unter die Haut.

Angeklagter gibt sich als Teenager aus

Demnach hatte der Herdecker mit über 20 Mädchen im Alter zwischen zehn und 16 Jahren über das Internet Kontakt, bediente sich also der Masche, die mittlerweile als Cyber Grooming bezeichnet wird. Sein wahres Alter verschwieg er nicht nur, er gab sich selbst als Teenager aus und nährte diese Legende im Notfall auch mit fremden Fotos. In den Chats wurde er recht schnell konkret, forderte Bilder von den Brüsten seiner Opfer und schreckte auch nicht davor zurück, ansonsten mit der Veröffentlichung bis dahin erhaltener Fotos zu drohen. In anderen Fällen kündigte er an, die Mädchen im Falle der Weigerung brutal zu vergewaltigen oder auch ihnen „die Zähne einzuschlagen“. Immer wieder verschickte er ungefragt Aufnahmen von erigierten Penissen – sogenannte Dickpics. Und, stets forderte er die Mädchen zu Treffen auf, stellte Fahrtgeld und Taschengeld in Aussicht.

Austausch mit anderen Pädophilen

Außerdem versandte er offenbar in Chats mit „erwachsenen“ Männern in etlichen Fällen einschlägige Bilder und Videos. In einem Fall prahlte er auch im Detail damit, an der Vergewaltigung eines jungen Mädchens beteiligt gewesen zu sein. Als schließlich seine Wohnung in Herdecke durchsucht wurde, fanden die Ermittler zum Beispiel auf einem Laptop, USB-Sticks und CDs tausende kinder- und jugendpornografische Fotos und Videos. Der Inhalt: unter anderem schwerer Missbrauch, Säuglinge unter den Opfern, Gewalt, Tränen und auch massiver Ekel bei den betroffenen Kindern.

Angeklagter räumt Taten ein

Taten, für die er sich jetzt vor der Jugendschutzkammer des Hagener Landgerichts verantworten muss und die er gleich zu Prozessbeginn über seinen Verteidiger Martin Düerkop einräumte, auch wenn er sich angesichts der Masse der Vorwürfe im Detail nicht erinnern konnte. Er habe immer nach dem gleichen Schema gehandelt – um sich zu befriedigen. Wobei er von der Vielzahl der Taten erschrocken sei. Als kernpädophil würde er sich nicht bezeichnen. Er habe eine Neigung zu Teenagern. „Ich stehe auf Jugendliche“, gab er letztlich selbst an und fügte offen hinzu, welche sexuellen Vorlieben er konkret habe.

Reale Treffen ausgeschlossen

Aber ein Treffen mit einem der Mädchen – das hätte er sich nie getraut. Schon alleine aus der Angst heraus, dass ihn ein Nachbar mit einem Teenager sehen und Fragen stellen könnte. Nein, die Phantasie eines Treffens habe ihm gereicht. Die Vorstellung habe ihm bereits einen Kick gegeben. Und bei seinen Drohungen sei es ihm wohl um Machtausübung gegangen. „Ich wollte noch einmal zeigen, wer der Chef ist.“ Über die Folgen für seine minderjährigen Opfer habe er nicht nachgedacht. Ähnlich sei es gewesen, als er mit der brutalen Vergewaltigung angegeben habe – die frei erfunden gewesen sei. Denn das entspreche nicht seinen Präferenzen.

Haft für Therapie nutzen

Auf der anderen Seite gab er offen zu, dass er, als die Mutter aufmerksam wurde und das Mädchen im Chat schrieb, erwischt worden zu sein, dennoch weitergemacht habe. „Das war wieder dieser Kick. In dem Moment habe ich gedacht, mir kann keiner was. Mir tut das alles sehr leid“, betonte der 38-Jährige, der derzeit bereits eine ältere Strafe verbüßt, außerdem. Die Zeit in Haft wolle er aktiv für eine Therapie und Ursachenforschung nutzen. Bereits jetzt nehme er im Vollzug psychologische Hilfe in Anspruch. Sein Verfahren wird zu Beginn der kommenden Woche fortgesetzt – unter anderem mit den Aussagen von zwei Polizeibeamten, die an den umfangreichen Ermittlungen beteiligt waren.

Urteil für die kommende Woche erwartet

Eigentlich hatte der Prozess bereits in der vergangenen Woche beginnen sollen, da war der Angeklagte allerdings erkrankt. Aufgrund der umfassenden Aussage des Anklagten wird davon ausgegangen, dass bereits in der kommenden Woche das Urteil fallen wird.