Herdecke. Die „attraktive Kapitalanlage“ ist ein Wohn- und Geschäftshaus mit viel Geschichte. Es kostet allerdings auch eine siebenstellige Summe.

Fachwerkhäuser sind in Herdecke eigentlich nichts Besonderes, sorgen sie doch hier vielfach für ein schönes Ambiente in der Altstadt. Dennoch ragen manche Gebäude mit der bekannten und markanten Schwarzweiß-Aufmachung noch etwas mehr heraus. Zum Beispiel wegen einer bemerkenswerten Vorgeschichte oder weil sie unter Denkmalschutz stehen.

In dem Zusammenhang fällt die Überleitung zum Fachwerkhaus an der Mühlenstraße 8 leicht. Dieses langgezogene sowie rund 15 Meter hohe Gebäude zwischen dem Abzweig Kampstraße und Café Kornspeicher sticht optisch durch eine massive Sandsteinmauer im Erdgeschoss hervor. Bis 1987 stand es in der städtischen Baudenkmalliste. Nun gerät das frühere Gemeinschaftshaus der Firma Habig wieder in den Fokus der Öffentlichkeit: Interessierte können es – so steht es aktuell auf entsprechenden Internetseiten – als „attraktive Kapitalanlage im Herzen von Herdecke“ für satte 1,4 Millionen Euro kaufen.

Hintergrund

Laut Paula Habig (1922-2018) wollte ihr Vater und Firmenchef zu Beginn der 1950-er Jahre beweisen, dass auch in jener Zeit noch moderne Fachwerkhäuser mit Eichenholz entstehen können.

Das Wohn- und Geschäftshaus in Herdeckes Mühlenstraße bietet, so heißt es nun bei den Immobilienmaklern von Ruhrgrund, 445 Quadratmeter Mietfläche. Im Erdgeschoss (ca. 135 m²) soll die LBS auch künftig residieren.

Die vier Wohnungen darüber wurden über die Jahre „sukzessive qualitativ hochwertig modernisiert“. Alle seien vergeben, so dass der oder die neue Besitzer(in) auf dem ca. 375 Quadratmeter großen Grundstück mit jährlichen Mieteinnahmen von rund 42.000 Euro rechnen könne.

Der eigentliche Kaufpreis beträgt 1,25 Millionen Euro. Der Betrag erhöht sich durch Posten wie Grunderwerbsteuer, Maklerprovision und den Grundbucheintrag.

Die Ruhrgrund Immobilienmanagement GmbH vermarktet dieses Wohn- und Geschäftshaus gegenüber vom Mühlencenter. Ein Mitarbeiter des Dortmunder Makler-Unternehmens teilt auf Anfrage der Lokalredaktion mit: „Wir tun das im Auftrag einer Privatperson, die das Objekt veräußern möchte.“ Zu den Gründen gibt es keine weiteren Angaben, auch zur jüngeren Geschichte des historischen Gebäudes könne der Immobilienkaufmann nicht viel beisteuern, nur so viel: „Bei den letzten Mieterwechseln wurden die Wohnungen saniert.“

Zu Beginn dieses Jahrtausends gehörte die Immobilie der Firma Westfalia Landtechnik. 2014 hat die Landesbausparkasse LBS dann das Erdgeschoss im Gebäudekomplex Mühlenstraße 8 und 8a bezogen. In den zwei Etagen darüber befinden sich vier Einheiten, diese familienfreundlichen 4,5-Zimmerwohnungen seien derzeit alle vermietet. Als vor etwas mehr als zehn Jahren schräg gegenüber das Quartier Ruhraue entstand, kamen damals im Parterre des Fachwerkhauses (das zwischenzeitlich auch mal leer stand) öfter Baubeteiligte zu Planungsgesprächen zusammen.

Baujahr 1870

Das Baujahr dieser „Landmarke“ datiert die Ruhrgrund Grundstücksgesellschaft in ihrem Exposé auf 1870. Womit sich die Tür zur Vergangenheit öffnet. „Zu welchem Zweck das Gebäude ursprünglich errichtet wurde und wozu es diente, weiß man nicht“, schrieben 2006 Paula Habig als Schwester des letzten Unternehmenschefs und der Historiker Gerhard E. Sollbach in einem Aufsatz für die Herdecker Hefte. Wahrscheinlich habe die nahe gelegene Tuchfabrik Hueck das Haus zu Produktionszwecken gebaut, ehe die Brennerei und Likörfabrik Brand und Grave es übernahm. Im Zeitraum 1920/23 erwarb Heinrich Habig (1893-1956) dieses und weitere Fachwerkhäuser.

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1934 stattete die Heinrich Habig AG das Gebäude als von ihr finanziertes Kinderheim aus. 1944 brannte das Haus nach einem Bombenbeschuss nieder, nach Kriegsende diente es vorübergehend als Post. Laut Aufsatz konnte der Unternehmer beim Wiederaufbau „einen lange gehegten Plan verwirklichen“, er richtete Schulungs- sowie Gemeinschaftsräume ein, etwa einen Saal für Veranstaltungen und Werkswohnungen. Zudem betrachtete er es als „harmonischen Abschluss“ der Kampstraße und architektonische Verbindung zur Hauptstraße.