Herdecke. . Aus dem ehemaligen Brauhaus Pfingsten an der Kampstraße 18/20 in Herdecke ist das Finke-Nest geworden. Eine spannende Haus- und Stadtgeschichte.

Vier Herdecker sitzen in einer gemütlichen Stube an einem Tisch. Sie erzählen, scherzen und lachen. Ob das an der besonderen Fachwerk-Atmosphäre in dem ehemaligen Brauhaus Pfingsten liegt? „Vielleicht haben wir deshalb auch heute noch viel Durst“, sagen die beiden gut gelaunten Geschwister, denen das Gebäudeensemble gehört und die scherzhaft von einer „bierschwangeren Luft“ berichten. Es lohnt auf jeden Fall, sich genauer mit den Menschen und der Geschichte in der Kampstraße 18/20 zu beschäftigen.

Die Kurzversion: 1809 und 1819 erbaut, waren hier mal das Brauhaus Pfingsten, Kleinhandwerker wie Korbflechter oder Schuster und Werkswohnungen der Firma Habig beheimatet. Heute ist es das Finke-Nest. So nennen es der pensionierte Malermeister Klaus Finke mit Ehefrau Gabriele und seine Schwester Monika, die den Komplex von ihren Eltern übernahmen. Mit Albert Finke, der 1939 den Malerbetrieb gründete (den heute dessen Enkel weiter führt) und zuvor bei Habig beschäftigt war, begann ab 1966 die Zeit für diverse Umbauten in dem Doppelhaus. „Für den war das Haus sein Ein und Alles. Davor hatte man die Besonderheit des Fachwerks hier nicht richtig zu schätzen gewusst“, meinen dessen Kinder Monika und Klaus Finke, der 1972 von der Bahnhofstraße hier her zog und 1975 das Geschäft von seinem Vater übernahm. Auch die Straßensanierung vor etwa 25 Jahren habe zum schönen Erscheinungsbild der Kampstraße heute beigetragen: „Wir bekommen begeisterte Reaktionen. Viele sagen uns, wie toll sie dieses Naherholungsgebiet finden.“

Mit etwas Stolz blicken die Finkes auf das Ergebnis vieler Arbeiten in den ineinander verschachtelten Gebäuden. Aktuell legen sie etwa in der Hausnummer 18 die Eichen-Balken bei der Sanierung der Erdgeschoss-Wohnung frei, die ins Nachbarhaus hereinragt. In die frühere Bleibe ihrer Oma Lydia Sigmund, ein Herdecker Urgestein mit bemerkenswertem Erzähl-Talent, zieht dann Simone Duchene ein. „Meine Urgroßmutter und Großeltern lebten hier, ich bin hier groß geworden. Die Kampstraße ist mein Zuhause.“

Das war es viele Jahre auch für den Künstler Rudolf Wiemer. Der richtete im Hof für seine Holzschnitte ein Atelier ein, in dem Monika Finke heute mit Aquarellen malt. Wer daran vorbei geht, sieht im hin­teren Teil des Anwesens gewissermaßen architektonische Hinterlassenschaften von Detlef Grüneke, der mit seinem Büro in den Augen der Finkes das Alte gekonnt mit neuen Elementen verband und etwa aus einer früheren Schlosserei eine Wohnung machte, die dann der Sohn von Klaus und Gabriele Finke übernahm. Die Bayerin kümmert sich übrigens um die dekorative Gestaltung mit Blumen und ähnlichem, wofür diese Zeitung in einer früheren Berichterstattung die Bezeichnung „italienisches Flair“ fand.

Beliebtes Fotomotiv

Vielleicht zählt auch deshalb die Kampstraße 18/20 zu den beliebtesten Fotomotiven in der Ruhrstadt. Ein Paketzusteller berichtete den Finkes etwa, dass er schon mal aufgehängte Bilder ihres Hauses in einer Wohnung weit von Herdecke entfernt gesehen habe. Auch auf einer Restaurant-Speisekarte tauchte das Fachwerkensemble mit den insgesamt sieben Wohneinheiten mal auf. „Da steckt natürlich auch viel Fleiß drin, wobei uns solche Geschichte schon happy machen“, sagt das Finke-Trio, das auch die Beziehung zu ihren Mietern lobt: „Wir ziehen hier alle an einem Strang.“

Spürbar sei das sowohl im Alltag als auch bei manchen Feiern im Hof. Es drängt sich der Eindruck auf, dass sich hier vieles zusammen fügt: Neben den guten nachbarschaftlichen Beziehungen passen die Finkes in die handwerkliche Tradition dieses Hauses und der unmittelbaren Umgebung. Beinahe wie gemalt.