Herdecke. Prof. Dr. Inge Habig ist im Alter von 99 Jahren verstorben: Die Kunstprofessorin steht für die letzte Generation der Blaudruckerei in Herdecke.

Der Name Habig hatte in Herdecke vor einiger Zeit ungefähr die gleiche Bedeutung wie einst die Familie Krupp für Essen. Im Alter von 99 Jahren ist nun Prof. Dr. Inge Habig verstorben.

Herdecker verbinden mit diesem Namen Erinnerungen an die große Zeit der Textilindustrie. Die heimische Blaudruckerei und Färberei, 1809 gegründet und 1966 abgewickelt, beschäftigte in Hochzeiten und beispielsweise im Jubiläumsjahr 1959 fast 1400 Mitarbeitende hier am Ufer. Dort wurde dann in der Folge die Firma Westfalia Separator bis 2005 heimisch, ehe das heutige Quartier Ruhraue entstand.

1949 Heinrich Habig geheiratet

Inge Habig hat in München studiert – zur gleichen Zeit wie die Geschwister Scholl. Im September 2020 war sie in Herdecke dabei, als hier die Gedenkstelle „Weiße Rose“ eingeweiht wurde. Habig erhielt zahlreiche Auszeichnungen, 1966 wurde sie etwa zur Dame des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem ernannt. Sie engagierte sich für zahlreiche Sozialprojekte in Israel, Palästina (Gazastreifen/Westjordanland), Jordanien und Zypern.

Die Vita

Inge Habig wurde am 19. Oktober 1923 in Freiburg geboren, in Herdecke starb sie am 11. Dezember. Die Tochter des Rechtswissenschaftlers Walter Bappert studierte nach Kriegsende Kunstgeschichte und Archäologie. Sie promovierte 1949, arbeitete als Lehrerin und wurde 1971 in Münster habilitiert. Zwei Jahre später wurde sie in Dortmund zur Universitätsprofessorin berufen und 1989 emeritiert.

1984 war Inge Habig Gründungspräsidentin des Hagener Clubs Soroptimist International, auch in Schwerte war sie aktiv (Kunsthistorisches Seminar, Gesellschaft zur Förderung der Katholischen Akademie).

Sie hat mehrere Bücher und viele Artikel und Aufsätze veröffentlicht, zumeist zu Kernthemen der Architektur, des Schulbaus und der Kunstausstellung.

Die 1923 in Freiburg geborene Inge Bappert heiratete 1949 den Druckereiunternehmer Heinrich Habig, der 1963 starb. Wie ihre Schwägerin Paula Habig (die Ururenkelin des Firmengründers verstarb 2018 im Alter von 95 Jahren) setzte sich auch die Kunst-Professorin für eine erkennbare Erinnerungskultur in Herdecke ein. Nach der Einweihung der Schautafeln und Westfalia-Galerie 2014 an der Auffahrt zum Mühlencenter durch besagte Schwester des letzten Firmenchefs trieb Inge Habig ein paar Meter weiter die Errichtung eines Denkmals voran. Um die langjährige Industrie- und Wirtschaftsgeschichte am hiesigen Mühlengraben abzubilden, steht seit einer Feierstunde im Sommer 2017 neben dem Eingang zur Kampstraße ein stählernes Faltblatt (Leporello) mit entsprechenden Hinweisen. Dafür hatte die Ehefrau des letzten Vorstands der Stoffdruckerei Spendengeld eingetrieben und selbst Texte verfasst.

Lange wohnte sie im Schatten der katholischen Kirche der Herdecker Gemeinde St. Philippus und Jakobus, für diese setzte sich Inge Habig immer wieder ein. Ihr Mann hatte sich bis zu seinem Tod im Jahr 1963 als Mitglied des Kirchenvorstands und Förderer der Gemeinde engagiert, die Witwe setzte das fort.

Zu ihrem 90. Geburtstag 2013 gratulierte der Hagener Club Soroptimist International der Gründungspräsidentin Inge Habig: „Ihr kritischer Geist, ihr universelles Wissen und ihr heiteres Naturell bereichern das Clubleben seit fast 30 Jahren.“ Nach langjähriger Tätigkeit als Universitätsprofessorin im Fach Kunst und Didaktik initiierte Inge Habig 1984 gemeinsam mit anderen Frauen aus der Region und aus den verschiedensten Berufsfeldern den 45. deutschen Club von Soroptimist International. Ein besonderes Anliegen der in Herdecke lebenden Weltbürgerin sei die Bedeutung von Kunst und Kultur in der globalen gesellschaftlichen Entwicklung.

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Lange war ihr Name mit der Bildungsarbeit der katholischen Akademie Schwerte eng verbunden, vor allem als Leiterin kunsthistorischer Seminare und Kuratorin zweier Ausstellungsreihen. Ihren Erfahrungsschatz brachte die vielfach geehrte Kunstwissenschaftlerin auch in den Kunstbeirat der heimischen Werner-Richard-/Dr.-Carl-Dörken-Stiftung ein. Hier an der Wetterstraße kuratierte Inge Habig etwa 2010 die Eröffnungsausstellung in dem damals neuen Raum.