Herdecke/Hagen. Eine Zip-Line am Hengsteysee wäre toll, Lokalpolitiker aus Herdecke sehen aber noch „eine Batterie an Problemen“. Stadt Hagen betont Vorteile.

Eine außergewöhnliche Idee erfordert ein spezielles Vorgehen: Gleich drei Herdecker Fachausschüsse befassten sich in einer gemeinsamen Sitzung mit der geplanten Zip-Line am Hengsteysee. Nach einleitenden Worten von Dr. Christoph Diepes, der als Hagener Fachbereichsleiter für Stadtentwicklung, -planung und Bauordnung eine Machbarkeitsstudie erläuterte sowie zugleich die Werbetrommel für dieses „sehr besondere Projekt“ rührte, meldete die Lokalpolitik einige Bedenken an. Trotz der Vorbehalte aus heimischer Sicht stand am Ende ein einstimmiger Beschluss mit Ergänzungen, wonach die zwei Stadtverwaltungen nun ein „konkretes Realisierungsszenario ausarbeiten“ sollen.

Diepes sprach mit Blick auf eine 20-seitige Analyse von einer ersten Standortuntersuchung zur Orientierung, die trotz fehlender Details das enorme „touristische Potenzial in einem einmaligen Landschaftsraum“ aufzeige. Dabei stehe die angedachte Seilrutsche nicht allein auf weiter Flur, sondern füge sich im dortigen Umfeld quasi in eine Bündel weiterer Attraktionen an beiden Ufern ein. „Es gibt für die Zip-Line bekanntlich einige Vorbilder, etwa im Harz oder in Winterberg. Jene im Sauerland ist bezüglich der Kulisse aber nicht so spektakulär wie es hier am Hengsteysee sein könnte“, so der Hagener Gastredner.

Keine Gondel und kein Brücken-Zusammenhang

Die SPD wollte in der Beschlussfassung zur Zip-Line auch noch den Erhalt der Amprion-Brücke zwischen Herdecke und Hagen erwähnen. Nachdem die anderen Fraktionen dies aber als fragwürdigen Zusammenhang einstuften, fand dieser Aspekt schließlich keine Erwähnung.

Nico Fischer (Die Partei) fragte nach einer Gondel-Variante: Für Ältere sei ein gemütlicher Transport hinauf zu den drei markanten RWE-Buchstaben mit der tollen Aussicht sicher reizvoller als eine Adrenalin-Seilrutsche. Hagens Fachbereichsleiter Diepes sagte, dass diese Idee geprüft worden sei, wobei sehr hohe Kosten und Einschnitten in wertvolle Naturräume dagegen sprächen. Amtskollege Matißik ergänzte, dass bauliche Maßnahmen gering ausfallen sollen, das sei bei der Zip-Line der Fall.

Viel Logistik sei noch zu klären, etwa Transportfragen rund um das Koepchenwerk und den möglichen Start oben am Ardey-Höhnenzug. Braucht es einen Shuttleservice, was ist mit der Reaktivierung des RWE-Schrägaufzugs, kommt eine Elektro- oder Solarfähre? Diese Varianten will Diepes unabhängig betrachten, „das eine bedingt auf keinen Fall das andere. Ein Shuttlebus mit Haltepunkten an bestehenden Parkplätzen scheint aber am realistischsten zu sein, wobei die Leute nicht bis zum Start gebracht werden sollen, sondern einige Meter zu laufen haben. Wir wollen die Gäste insgesamt im Gebiet halten.“ Auch weitere Angebote auf dem Wasser oder eine Rad-Leihstation ließen sich anfügen, wobei nur ein Privatinvestor die Zip-Line-Kosten trage.

In Sachen Natur- und Vogelschutz stehen demnach ebenso noch Antworten aus. Zumal eine solche Anlage Auswirkungen mit sich bringe. Wenn Menschen an einem Seil vom Koepchenwerk zum Seepark Hagen (dieser wird gerade projektiert) rauschen, könne es „unkalkulierbare“ Geräusche geben. Insgesamt sprach Diepes von einigen zu erledigenden „Hausaufgaben“, wobei die Probleme nicht unüberwindbar erscheinen. Auszuschließen seien aber nach Rücksprache mit dem Ruhrverband in jedem Fall bauliche Maßnahmen im Hengsteysee, „das will keiner.“

Irmingard Schewe-Gerigk (Grüne) sorgt sich sowohl um seltene Vogelarten in der Seeumgebung als auch um die Auswirkungen durch „schreiende oder kreischende Menschen“, wenn 60 Leute in der Stunde mit 80 km/h am Seil hinunter rauschen. Das beeinträchtige Ruhesuchende am Ufer. Von einer so genannten Skyglider-Lösung mit Start und Ziel im Seepark ohne Halt am Koepchenwerk profitiere nur Hagen. Obendrein gefalle ihr der skizzierte Weg des Shuttlebusses nicht, zumal dieser etwa vom Schiffswinkel hoch durch dicht besiedelte Wohngebiete und schmale Straße bis zum Waldfriedhof fahren würde. „Und für Rettungswege bräuchte es wohl neue Straßen, also einen riesigen Einschnitt in die Natur. Die Zip-Line ist eine tolle Idee, es stellen sich aber Fragen über Fragen. Zudem sollte nicht einer die Lasten tragen und der andere nur Vorteile haben“, sagte die Politikerin mit Blick auf Herdecker Vorbehalte.

SPD: „Projekt nicht kaputt reden“

Jan Schaberick von der SPD nannte die Zip-Line ein „großartiges Projekt mit enorm viel Potenzial“ für beide Städte, darüber ließen sich junge Leute anlocken. Wie die Grünen seien auch die Sozialdemokraten aber dafür, dass die Seilrutsche Fördergeld zur Reaktivierung des RWE-Schrägaufzugs nicht gefährden dürfe. Auch seine Fraktion habe Bedenken wegen des Shuttlebus-Wegvorschlags. „Wir sollten nun aber nichts kaputt reden, sonst wird die Zip-Line womöglich an der Hohensyburg in Dortmund gebaut.“

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Das rief Daniel Matißik auf den Plan. Der Leiter des städtischen Bau- und Planungsamtes hob die Strahlkraft dieses Projektes sowie die interkommunale Zusammenarbeit von Herdecke mit Hagen hervor. Mit der Seilrutsche lasse sich ein Kirchturmdenken überwinden. „Zudem hat uns die Bezirksregierung mitgeteilt, dass die alleinige Weiterentwicklung des Koepchenwerks zu wenig sei, wir sollen den See als Ganzes sehen.“ Auch die hiesige Stadt an den Ruhrseen profitiere von der Zip-Line. „Wir sollten nicht nach dem Motto verfahren: Wenn Herdecke nicht das Gleiche bekommt wie Hagen, dann machen wir es hier halt nicht.“

Nachdem auch Patrick Wicker von der CDU plus Christopher Huck von der FDP („Eine tolle Idee und eine Batterie von Problemen“) sowohl Bedenken als auch Vorteile der Zip-Line aufgezeigt hatten, einigten sich die Fraktionen nach Vorschlägen der Grünen und SPD auf eine Sprachregelung. Demnach sollen die zwei Stadtverwaltungen beachten, dass die Seilrutsche Fördergeld für den RWE-Schrägaufzug nicht beeinträchtigt, Naturschutzbelange berücksichtigt und mögliche Verkehrsbelange zum Wohle der Anwohner gelöst werden.