Herdecke. Politik, Bürger und Angehörige der Bewohner melden sich zur Convivo-Insolvenz und den Auswirkungen zu Wort.

Die Insolvenz des Pflegeheimbetreibers Convivo hat nicht nur für Bewohnern, Angehörigen und Mitarbeiter für entsetzen gesorgt. Auch die Politik meldet sich nun zu Wort. Die Linke hat inzwischen einen Maßnahmenkatalog erarbeitet.

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„Wir haben bereits bei den Diskussionen über die Privatisierung der Heime vor den möglichen Folgen einer Konzentrierung aller Heime auf nur einen Anbieter gewarnt. Nun ist der schlimmste denkbare Fall eingetreten“, so Dieter Kempka. Er fordert nun, dass alle Herdecker Parteien an einem Strang ziehen. „Die Politik ist nunmehr gefordert vorausschauend zu reagieren und die möglichen negativen Folgen für die Bewohner und das Personal der Convivo-Einrichtungen so klein wie möglich zu halten“, fordert er. Parteipolitische Denkmuster müssten hintenan gestellt werden, um gemeinsam die bestmöglichen Lösungen zu finden.

Kempka hat bereits einen Punktekatalog erarbeitet. Darin fordert er: „Keine Verscherbelung der vorhandenen Senioreneinrichtungen an unseriöse Investoren. Weiterbetrieb der Heime nur durch gemeinnützige Gesellschaften. Die unklare Situation darf nicht zu Lasten der Heimbewohner gehen. Die unklare Situation darf nicht zu einer Abwanderung des ohnehin knappen Personals führen.“ Zudem fordert er: „Wegen der großen Tragweite der Convivo-Insolvenz in Bezug auf die Herdecker Sozialpolitik wird die Stadt unverzüglich eine Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen aller Ratsfraktionen installieren.“

Leser Dr. Rutger Booss, gleichzeitig sachkundiger Bürger bei der Partei die Linke, hat einen Leserbrief an die Redaktion geschrieben, in dem er die Sozial- und Seniorenpolitik der Stadt Herdecke für gescheitert erklärt und die Convivo-Insolvenz als Mahnung für die Privatisierung der Technischen Betriebe sieht: „Die Insolvenz der Convivo-Gruppe hat für Herdecke schwerwiegende Folgen. Es muss nicht nur ein neuer Betreiber für die vorhandenen Heime und für den noch nicht fertiggestellten Neubau an der Goethestraße gefunden werden. Die Insolvenz ist leider auch ein Beweis für die gescheiterte Sozial- bzw. Seniorenpolitik in Herdecke, der Stadt mit der zweitältesten Bevölkerung von NRW. Und sie beweist auch, auf welch gefährlichen Weg sich die Stadt mit ihrem Privatisierungsvorhaben der Technischen Betriebe begibt. Wer kommunale Einrichtungen privatisiert, sollte die Bevölkerung über Chancen, aber auch die nicht zu unterschätzenden Risiken informieren und keinesfalls die Weichenstellung wie im Falle TBH in nichtöffentlicher Sitzung beschließen“, schreibt er.

Währenddessen hat sich auch der Bremer Regionalleiter des BIVA-Pflegeschutzbundes, Reinhold Leopold, in einem Interview mit dem Nachrichtenportal „butenunbinnen“ zu Wort gemeldet. Zur Erinnerung: Der Hauptsitz des Pflegeheimbetreibers Convivo befindet sich in Bremen. Leopold versucht, in dem Interview Gründe für die Insolvenz von Convivo zu nennen. Seine Vermutung ist, dass ein überproportionales Wachstum mit hohen Renditeerwartungen ausschlaggebend gewesen sein könnte. Gewinnmaximierungen könnten zur Folge gehabt haben, dass es zu Qualitätseinbußen gekommen sei und daher einzelne Einrichtungen durch Fehlkalkulationen insolvent seien. Hinzukämen seiner Einschätzung nach auch noch die explodierenden Energiekosten. Ob die Einschätzung auch auf die Herdecker Einrichtungen zutrifft, ist bisher nicht bekannt. Aus Mitarbeiterkreisen heißt es jedoch: „Der gute Mann spricht das aus, was wir denken.“

Bei den Bewohnern, so berichtet ein Angehöriger, gehe schon länger das Gerücht über einen möglichen Verkauf der Immobilien herum. „Das reichte bis hin zur Vermutung, dass die Häuser abgerissen werden“, berichtet der Angehörige. Die Vermutung kam nicht zuletzt deshalb auf, weil es wohl seit längerer Zeit einen Sanierungsstau gegeben haben soll (die Redaktion berichtete im Juni 2021). „Es wurde auch versucht, direkt von Convivo Antworten zu bekommen, aber auf die Fragen wurde nie reagiert“, erklärt der Angehörige.