Herdecke/Hagen. Das Gas- und Dampfturbinenkraftwerk von Mark-E in Herdecke steht langfristig vor großen Änderungen. Enervie rechnet mit Preisanstieg für Kunden.

Schwierige Zeiten, aber ein gutes Geschäftsjahr 2021: Die Enervie-Gruppe, zu der auch der in Herdecke tätige Energiedienstleister Mark-E gehört, sieht sich für die aktuellen und mittelfristigen Herausforderungen gerüstet.

Vorstandssprecher Erik Höhne gab bei einer Bilanz-Pressekonferenz einen Überblick zum Unternehmensergebnis, wobei sich natürlich viel um die Auswirkungen des Ukraine-Russland-Krieges und Preissteigerungen drehte.

Die wichtigste Frage durfte in der Videokonferenz für Journalisten nicht fehlen: Müssen Kunden etwa in Herdecke bald mehr für Strom und Gas zahlen? Der Enervie-Chef relativierte zunächst. Nach der Erhöhung vor einigen Monaten und dank einer langfristigen Beschaffungsstrategie mit entsprechenden Verträgen gerate das regionale Versorgungsunternehmen aus Hagen derzeit nicht unter massiven Druck, die Preissteigerungen auf den globalen Märkten sofort an die Endverbraucher weiterzugeben. „Die Industrie macht uns größere Sorgen“, sagte Erik Höhne und warf dann einen Blick in die Zukunft: Je länger die derzeit schwierige Situation (teurer Einkauf) anhalte, desto wahrscheinlicher werden Preissteigerungen auch für Privathaushalte.

2021 stieg der Gasabsatz im Enervie-Bezirk mit rund 400.000 Energiekunden witterungs- und handelsbedingt um 21 Prozent an. Die Beschaffung sei seit Herbst ein schwieriges Unterfangen, der Krieg in der Ukraine erschwere das zusätzlich. Angesichts der dynamischen Entwicklungen wollte Höhne keine Prognose abgeben, wann es um wie viel Prozent teurer werden könnte.

Ziel: Unabhängig vom russischen Gas

Der Vorstandssprecher erläuterte einige Hintergründe im Zusammenhang mit der Gasversorgung. Dieses beschaffe sich die Enervie von Großhandelsmärkten und nicht als Direkt-Import aus Russland, wobei auch aus Putins Land „einige Moleküle“ hierher strömen. „Bis zum Winter 2022/23 ist eine Unabhängigkeit vom russischen Gas nicht realistisch. Dieses wird in der Übergangszeit ein Teil der Lösung bleiben. Wir müssen uns aber unabhängiger von fossilen Energien machen und die Erneuerbaren ausbauen“, so Höhne.

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Damit rückt auch wieder die Zukunft des Herdecker Gas- und Dampfturbinenkraftwerks (GuD) in den Blickpunkt. Erfreulich: Im Geschäftsjahr 2021 fiel die Einsatzbilanz zufriedenstellend aus. Zwar brachte es die Anlage am Harkortsee insgesamt nur auf rund 2700 Betriebsstunden und damit weniger als in den Vorjahren, doch trotz der gestiegenen Gaspreise bei der Beschaffung erzielte das GuD auf dem Cuno-Gelände ordentliche Deckungsbeiträge. „Es spricht nach wie vor viel für ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk, weltweit steht ja Erdgas weiterhin zur Verfügung“, sagte Erik Höhne. Das GuD in Herdecke sei immer noch eine gute Wahl, da es gegenüber Kohlekraftwerken einen deutlich besseren CO2-Ausstoß habe und einen hocheffizienten Wirkungsgrad erreiche.

So lautet die kurz- und mittelfristige Sichtweise. Und langfristig? Diesbezüglich laufen bei der Enervie und beim Tochterunternehmen Mark-E als Betreiberin der Anlage Überlegungen, dass Wasserstoff als Antrieb Gas am Herdecker Kraftwerksstandort ersetze. Zumal sich der regionale Versorger dieser Technologie bereits widme und mit der Stadt Hagen als Modellregion gilt: Für das Wasserstoff-Projekt „HyExperts“ gab es Fördergelder in Höhe von 400.000 Euro. „Ein Meilenstein“, wie Vorstandsmitglied Volker Neumann dieses Projekt nennt.

Die Jahresbilanz 2021

Im abgelaufenen Geschäftsjahr erzielten die Unternehmen der Enervie bei einem deutlich erhöhten Umsatz von rund 1,2 Milliarden Euro (2020: 937 Millionen) ein Ergebnis vor Steuern von 47,2 Mio. Euro (2020: 43,1 Millionen Euro). Folge: Die Eigenkapitalquote ging hoch auf 27,9 Prozent, zudem will der Vorstand 14 Mio. Euro (2020: 11 Mio. Euro) als erhöhte Dividende an die Aktionäre ausschütten.

Gute Ergebnisse gab es trotz der Flutschäden in Enervie-Betrieben bei der Erzeugung und im Vertrieb. Die Netzgesellschaft der Gruppe investierte 2021 insgesamt rund 30 Mio. Euro in den Ausbau der Strom-, Gas- und Wassernetze. Für 2022 stehen diesbezüglich 43 Millionen bereit.

Zum 31. Dezember 2021 arbeiteten für die Enervie-Gruppe 1093 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit. Dazu zählen 66 Auszubildende. Damit hat sich die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vergleich zum Vorjahr um insgesamt 19 Mitarbeiter erhöht.

Zurück nach Herdecke, wo die Erinnerungen an das frühere Cuno-Kohlekraftwerk zunehmend verblassen. Auf dem Gelände oberhalb der Wetterstraße laufen bekanntlich seit einigen Monaten Abrissarbeiten, Fachleute bauen unter anderem im Schatten des 248 Meter hohen Kamins die Rauchgasentschwefelungsanlage ab. Einige der Nebengebäude stehen nicht mehr, insgesamt gehe es dort laut Höhne „gut“ voran. Die Demontage will Enervie Mitte 2022, spätestens im dritten Quartal abschließen.

Keinen konkreten Zeitpunkt gebe es, wann der Schornstein fällt. „Wir erstellen noch das Rückbaukonzept“, sagt der Vorstandssprecher und bestätigt, dass es auch zu einer spektakulären Sprengung kommen könnte. „Das wird geprüft. Mal abwarten, wie das dazugehörige Gutachten ausfällt.“