Herdecke. Ein Bauwerk nach dem anderen fällt. Bis Herbst soll auf dem alten Kohlenlagerplatz nichts mehr stehen. Dann ist der Cuno-Schornstein dran.

Es geht voran mit dem Rückbau der Brache am Cuno-Schornstein, auf der einst Kohle verladen und gelagert wurde. 135 Tonnen wiegt der gigantische Bagger, der für den Abriss der teils historischen Bauwerke angerückt ist. 40 Meter hoch ist sein Ausleger, acht Tonnen schwer allein die Schrottschere. Wenn alles freigezogen ist, soll Ende dieses Jahres auch der Turm fallen.

Ende einer Ära

Einiges hat sich getan, seit Oliver Rabe, Projektleiter der Mark E für den Rückbau der Kohlekraftwerksstandorte Werdohl und Herdecke, vor einem halben Jahr beim Rundgang über das Gelände oberhalb der Wetterstraße Zeit- und Zukunftspläne des Unternehmens erklärte. Von dem riesigen Portalkrahn, dessen Demontage den Start der Abrissarbeiten im Juni markierte, ist längst nichts mehr zu sehen. „Es war eine schwierige Aktion, die langen Teile mit Tieflader-Konvois auf die Autobahn zu befördern“, merkt Oliver Rabe kurz an, bevor er erneut über die Brache führt. Dabei gewährt er Einblicke in imposante Kohleförderanlagen, in Technik und Gebäude, mit deren Abriss ein Stück Industriegeschichte für immer verschwinden wird.

+++Die Fotostrecke zu dem Rundgang finden Sie hier https://www.wp.de/staedte/herdecke-wetter/riesenbagger-raeumen-an-cuno-brache-in-herdecke-auf-id234508593.html

Als verantwortliches Abbruchunternehmen ist die Firma Landwehr mit zwei Baggern angerückt. Sie werden nun auf dem 20.000 Quadratmeter großen Areal alles dem Erdboden gleichmachen. Mit Ausnahme einiger Stützwände, aber die sollen an anderer Stelle noch zur Sprache kommen. „Mit seinem Ausleger reicht der 135-Tonner so gerade an die Oberkante der Rauchgasentschwefelungsanlage heran“, sagt Rabe und deutet auf den gigantischen gelben Bagger. Der hat große Ähnlichkeit mit einem Saurier: Wenn seine bewegliche Schrottschere Stück um Stück einer meterlangen Rohrleitung abtrennt, könnte man meinen, einem Urtier beim Abknabbern von irgendetwas Essbarem zuzuschauen. Auf der oberen Ebene des aufgrund der Hanglage terrassierten Geländes befinden sich die neueren, Anfang der 1980er Jahre gebauten Anlagen, so der Experte. Jedenfalls seien sie allesamt älter als der Schornstein, der 1983/84 errichtet wurde.

Noch stehen die Gebäude auf dem oberen Bereich des Cuno-Areals oberhalb der Wetterstraße.
Noch stehen die Gebäude auf dem oberen Bereich des Cuno-Areals oberhalb der Wetterstraße. © WP | Manuela Pavlovskis

Im unteren Bereich des Areals kamen die mit Kohle beladenen Güterzüge einst vom Herdecker Bahnhof an und entluden ihre Fracht in einen darunter gelegenen Tiefbunker, von wo aus sie in Schütten verteilt in einem Umlaufverfahren entweder hinauf zum Kohlenlager auf der oberen Gelände-Ebene oder über einen Schrägaufzug direkt hinunter zum Kraftwerk am Ufer der Ruhr befördert wurde. Ummantelt sind die alten Förderanlagen von stabilem Mauerwerk, macht Oliver Rabe deutlich: „Das sind brachiale Bauwerke aus schwerstem Beton, der auch schwer zurückzubauen ist. Die Stützwände haben eine statische Funktion auch für den Hang, deswegen werden sie stehen bleiben.“ Und die Zahnräder, mittels derer die Kohleschütten nach oben oder unten bewegt wurden, seien von einer Technik angetrieben worden, die noch von Hand bedient worden sei, erklärt Oliver Rabe. Im Vorbeigehen hebt er einen lose umherliegenden Kabelstrang auf und sagt: „Nichts mehr drin. Auf der ganzen Anlage gibt es nicht ein Gramm Kupferkabel mehr. Alles von Einbrechern rausgerissen und gestohlen.“ Aber nicht nur Diebe und Graffiti-Sprayer haben Spuren hinterlassen: Zersplitterte Fensterscheiben, herausgebrochen Türen und zertretene Stühle zeugen davon, dass auch Leute vor Ort waren, „die nur ohne Sinn zerstören wollen“. Insofern sei eine solche Anlage stets ein Risiko für Unternehmen, so Rabe: „Man kann es nicht verhindern, dass Leute sich Zutritt verschaffen.“

Etappen im Zeitplan

Der Zeitplan für die Abbrucharbeiten sieht vor, dass bis zum Frühjahr der Rückbau des unteren Areals abgeschlossen sein wird. Wenn es Herbst wird, soll auch die obere Ebene des alten Kohlenlagerplatzes mitsamt der Gebäude freigezogen sein. Bis auf die beiden Baggerführer in ihren riesigen Maschinen präsentiert sich die Brache bei dem Rundgang menschenleer. Doch der Eindruck täuscht, wie Oliver Rabe versichert: „Im Inneren der Gebäuden arbeiten viele Menschen der beauftragten Unternehmen, um Material von Schadstoffen zu trennen und auf diese Weise den Rückbau vorzubereiten.“ Denn das Material aus dem Abriss (Metall, Ziegel und Schrott) soll zu 98 Prozent recycelt werden.

Kamin soll zuletzt fallen

Der Cuno-Schornstein misst von der Bodenplatte, auf der er steht, 248 Meter, von der Straße aus sind es 270 Meter. Noch ist nicht entschieden, ob der Kamin gesprengt werden kann oder manuell abgetragen werden muss. Eine Sprengung würde ca. 33 Sekunden dauern.

Einige Fakten müssen noch geklärt werden – etwa ob der Hang stabil genug für eine Sprengung ist. 20.000 Kubikmeter Schutt würden dabei anfallen und müssten im Anschluss aufbereitet werden.

MarkE will nach Abschluss aller Arbeiten auf dem Gelände eine Freiflächen-Photovoltaikanlage errichten.