Wetter. Wie haben die Verantwortlichen in der Flutnacht reagiert? Welche Konsequenzen werden gezogen? Diese Fragen wurden im Rat beantwortet.
Über zwei Monate nachdem das Hochwasser auch in Wetter immense Schäden bei Privatleuten und der Wirtschaft angerichtet hat, standen der Ruhrverband und RWE Rede und Antwort im Rat der Stadt Wetter.
Prof. Dr.-Ing. Norbert Jardin vom Ruhrverband ergriff zuerst das Wort und gab zunächst eine meteorologische Einordnung der Tage Mitte Juli. „Dass wir im Sommer ein solches Niederschlagsereignis mit einem Hochwasser haben, ist außergewöhnlich“, so Jardin. Das Ruhreinzugsgebiet verfügte an diesen fraglichen Tagen über sehr nasse, feuchte Böden. Das bedeutet, dass das Wasser direkt zum Abfluss kam und nicht versickerte“, erläuterte er den Anwesenden. Wobei er darauf hinwies, dass das Wasser im Sommer nicht so schnell abfließen könne wie im Winter. Das liege daran, dass beispielsweise Bäume und Sträucher voller Laub seien, die das Wasser aufhalten. Ein weiteres typisches Phänomen von Sommerhochwassern sei zudem, dass die Abflusswelle sehr schnell ansteigt und sehr schnell wieder zurückgeht. Hinzukämen die immensen Wassermassen. „241 Liter pro Quadratmeter wurden in 24 Stunden in Hagen-Holthausen gemessen. Vermutlich war dies ein 10.000 jährliches Niederschlagsereignis, was nicht bedeutet, dass wir jetzt 10.000 Jahre Ruhe haben“, warnt er vor falschen Schlussfolgerungen.
Die Gegenmaßnahmen
Dann ging Jardin auf die Gegenmaßnahmen des Ruhrverbands ein, die sich im Vorfeld des Hochwassers hauptsächlich auf die Regulierung der Talsperren beschränkte. „Dazu müssen Sie wissen, dass nur 23 Prozent des Regens überhaupt an der Ruhr in die Talsperren eingeleitet wird. Drei Viertel fließen hingegen direkt in Flüsse und Bäche“, so Jardin. Ab Montagmorgen seien die Talsperren vorentlastet worden. Insgesamt 23 Millionen Kubikmeter Freiraum wurden so bis Mittwoch in den Talsperren geschaffen. „Die Talsperren waren am Ende des Regenereignisses randvoll gefüllt, aber sind nicht übergelaufen“, berichtet der Experte. Das ist wichtig, denn so sei der Wasserstand um 30 Zentimeter niedriger gehalten worden. Um die Dimensionen der Wassermassen noch zu verdeutlichen erläuterte Jardin: „80 Kubikmeter Wasser pro Sekunde ist der normale Abfluss der Ruhr, beim Hochwasser waren es maximal 1010 Kubikmeter pro Sekunde.“
Das hatte zur Folge, dass das Wasser am Obergraben einen Höchststand von 89,8 Meter und im Unterwasser des Kraftwerks 88,1 Meter hatte. „Dadurch wurde das Haus Schöntaler Straße 62 durch den Obergraben in den Lichtschächten durchflutet. Auch die Ufermauer wurde leicht überströmt“, berichtet Jardin. „Nach dem Hochwasserscheitel ist das Wasser schnell zurück gegangen. Das ist das bereits beschriebene Phänomen des Sommerhochwassers und hat nichts mit der Öffnung der Schleuse am Kraftwerk zu tun“, erklärt der Experte. Da gebe es keinen Zusammenhang, auch wenn beides zeitlich gemeinsam eintrat. Insgesamt habe es im Schöntal drei Wassereintritte gegeben: über die Ruhr und die Reme Straße, durch die Kanalisation und über eine Böschung am Obergraben.
Konsequenzen
Als Konsequenzen gab Jardin an, dass eine detailliertere Hochwasserprognose für noch größere Abflüsse und eine Ermittlung genauer Wasserspiegellagen erfolgen soll. Eine bereits angekündigte hydraulische Modellierung soll Aufschluss über die Ereignisse in der Flutnacht geben und weitere Szenarien prognostizierbar machen. Eine Fertigstellung des Modells kündigte Jardin für das erste Quartal 2022 an. Dann werde er mit diesen Erkenntnissen dem Rat noch einmal Rede und Antwort stehen. Aus den Erkenntnissen sollen dann Ableitung und Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden. Zudem müssten die Meldewege im Hochwasserfall noch einmal überprüft werden.
Auch RWE reagierte auf den Vorwurf von Anwohnern des Obergrabens, in der Flutnacht keinen Ansprechpartner für das Kraftwerk vor Ort gehabt zu haben. „Wir werden im Nachgang sicherstellen, dass die Krisenstäbe (Feuerwehren und Städte) unsere Telefonnummern haben und den Hinweis mitnehmen, dass die Zugänglichkeit gegeben sein soll“, versprachen die Vertreter aus Essen.
Auch seitens der Ratsmitglieder gab es einige Fragen. Paul Schlenga (Grüne) wollte wissen: „Wird sich das Modell auch auf die Nebengewässer beziehen? Wir haben da beispielsweise den Schnodderbach, die Schmalenbecke und die Elbsche im Blick.“ Der Experte vom Ruhrverband signalisierte, dass Hochwassergefahrenkarten jetzt laut Landesregierung auch für die Nebengewässer erstellt werden. „Das wird eine Aufgabe sein, der sich die Kreise annehmen müssen“, so Jardin. In diesem Zuge verwies er noch einmal darauf, dass Renaturierungen nicht nur den ökologischen Zustand der Gewässer verbessern, sondern auch die Situation bei Hochwasser. Daher sei es wichtig, weiter daran zu arbeiten.