Wetter. Wann kam das Wasser woher und hätte es verhindert werden können? Nun äußert sich RWE zu den Vorwürfen aus dem Schöntal.

Fast acht Wochen ist es nun schon her, dass Firmen im Schöntal massiv vom Hochwasser betroffen waren. Seitdem versuchen sie, Antworten auf viele Fragen zu bekommen. Denn die Unternehmer vermuten, dass die Überflutung ihrer Firmen hätte verhindert werden können. Ein Termin am Freitag mit dem Ruhrverband, von dem die Presse explizit ausgeladen war, sollte Licht ins Dunkel bringen.

Eingeladen zu dem Termin hatte die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK). Ihr Bestreben: Unternehmer, Ruhrverband und Stadt an einen Tisch zu bekommen, um die Fragen der Unternehmer zu klären.

Die Unternehmer haben sich im Vorfeld zur Veranstaltung getroffen, um die Ereignisse der Hochwassernacht noch einmal zu rekapitulieren. Bis wann waren die Flutwächter in den Unternehmen? Wann und woher kam das Wasser? Wer hat die Erstmeldung gemacht? Die Ergebnisse wurden zusammengetragen und daraus resultierend wurden Fragen für das Treffen formuliert. Die drängendste Frage: Wer ist zuständig für das Kraftwerk am Obergraben? Denn dort, so die Vermutung der Unternehmer, hätte verhindert werden können, dass sich so viel Wasser aufstaut und dass sich dieses Wasser letztlich einen Weg sucht – in diesem Fall in die Firmen am Obergraben.

Laut Ruhrverband gehört das Kraftwerk der RWE. „Der Ruhrverband hat uns mitgeteilt, dass die RWE bei einem Wasserdurchfluss von 120 Kubikmetern Wasser pro Sekunde die Turbinen im Kraftwerk schließt“, berichtet ein Unternehmer. „Nun würde uns interessieren, ob das zum Schutz der Turbinen immer der Fall ist?“ führt er aus. Weitere Fragen seitens der Unternehmer gibt es bezüglich des Entlastungsschütz am Kraftwerk. Dort soll es seit Jahren einen Defekt geben. Es stellt sich die Frage, ob die RWE von dem Defekt wusste.

Ein weiterer Punkt, der den Unternehmern sauer aufstößt, ist, dass es keinen offiziellen Ansprechpartner in der Nacht gab, der über die Situation informierte oder das Wehr hätte betätigen können. Denn: „Als um 5.30 Uhr die Schleuse des Kraftwerks aufgemacht wurde, ging bei uns der Wasserstand zurück“, berichtet einer der Unternehmer. Daher die Vermutung der Unternehmer: Wenn die kleine Schleuse bereits um Mitternacht, als das Wasser im Schöntal stieg, geöffnet worden wären, hätte eventuell der massive Wassereinbruch verhindert werden können. Außerdem: „Wenn wir frühzeitig über die Lage informiert worden wären, hätten wir noch einige Maschinen retten können“, erklärt ein anderer Unternehmer. So hätten sie am Donnerstagmorgen vor vollendeten Tatsachen und das heißt in diesem Fall, vor den überfluteten Firmengeländen, gestanden. Neben der Rekapitulation der Ereignisse gibt es aber noch die Sorge vor der Zukunft bei den Unternehmern: Was kann getan werden, um eine solche Katastrophe in Zukunft zu verhindern?

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Die RWE war am Freitag nicht bei dem Termin mit den Unternehmern zugegen, erklärte sich aber auf Anfrage der Redaktion bereit, in einer kurzen Videokonferenz Frage und Antwort zu stehen. „Die RWE ist Pächter des Wasserkraftwerks, Eigentümer ist der Ruhrverband“, stellte Pressesprecher Jan Peter Cirkel zunächst klar. Im Regelfall sei die RWE für den Betrieb des Wasserkraftwerks und auch die Wasserführung im Harkortsee inklusive des Obergrabens zuständig. Das gelte jedoch nur, bis sich Mehrwasser-/Hochwasserlagen ankündigten. Ab einem Wasserdurchfluss von 120 Kubikmeter pro Sekunde werde das Kraftwerk abgeschaltet und die Verantwortung an den Ruhrverband übergeben. „Das geschah in diesem Fall bereits in der Nacht vom 13. auf den 14 Juli“, erklärt Sebastian Käfer, Gruppenleiter Anlagensteuerung in dieser Region bei der RWE.

Der Ruhrverband habe laut RWE die Schleuse zwischen Harkortsee und Ruhr geöffnet, um das Wasser darüber abfließen zu lassen. Das geschehe immer, wenn das Kraftwerk abgeschaltet wird, erklärt Käfer. Da die Fallhöhe des Wassers zwischen Harkortsee und Ruhr tiefer ist, floss so kein zusätzliches Wasser in den Obergraben, sondern rechts daran vorbei in Ruhr. Das Wasser, das letztlich aus Richtung Obergraben in die Firmen geflossen sei, sei das Wasser, das im Bereich Ruhr und Obergraben – hinter dem Kraftwerk – aufeinandergetroffen sei und sich dort angestaut habe. „Das hat aber nichts mit dem Kraftwerk zu tun“, versichert Käfer. Dass das Wasser gegen 5.30 Uhr wieder zurückgegangen sei, nachdem man die kleine Schleuse am Kraftwerk geöffnet habe, hänge nicht mit der Schleuse selbst zusammen. „Die ist nur einen Meter breit. Da passt gar nicht so viel Wasser durch“, erläutert Käfer. Viel mehr sei der Rückgang des Wassers mit einem Rückgang der Pegelstände zu erklären, so der RWE-Experte.

Den Vorwurf der Unternehmer, dass es im Kraftwerk keinen Ansprechpartner gegeben habe, kann Pressesprecher Jan Peter Cirkel bedingt bestätigen. „Es ist in ganz Deutschland gängige Praxis, das kleine Wasserkraftwerke nicht mehr rund um die Uhr besetzt sind. Innerhalb der Woche ist tagsüber regelmäßig ein Mitarbeiter vor Ort. Die sichere Steuerung des Wasserkraftwerk Wetter erfolgt durch die erfahrende Betriebsmannschaft des Pumpspeicherkraftwerk Herdecke. Das unabhängig von Pegelständen selbstverständlich rund um die Uhr besetzt ist. Da bei massiven Hochwasserlagen die Verantwortung für die Wasserführung im Oberbecken und die Schleusenführung beim Ruhrverband liegen, ist die Forderung für zukünftige Hochwasserlagen, eine Person vor Ort zu haben, ebenfalls an den Ruhrverband zu richten“, sagt er.