Wengern. Das Henriette-Davidis-Museum wird nach dem Hochwasser bis Mitte nächsten Jahres geschlossen bleiben. Eckehard Methler blickt auf die Schäden.
Die Sandsäcke vor der Eingangstür im Elbscheweg 1 erinnern auch vier Wochen später noch an die Unwetternacht vom 14. auf den 15. Juli. Schmalenbecke und Elbsche traten wie auch schon acht Jahr zuvor über die Ufer und fluteten den historischen Dorfkern Wengerns. „Doch diesmal war es schlimmer, weil das Wasser so hoch gestiegen ist, dass es durch die Fenster kam. Und die Haustür hat dem Druck irgendwann nicht mehr standgehalten und ist aufgesprungen“, berichtet Eckehard Methler und gibt einen Überblick über Schäden, die das Hochwasser im Henriette-Davidis-Museum angerichtet hat.
Wasser stand eineinhalb Meter hoch
„Die Elektrik funktioniert. Das ging auch zügig“, sagt Eckehard Methler. Die AVU habe schnell den Hausanschluss erneuert, „und Elektriker Friedel hat genauso schnell die Steckdosen erneuert“, so der Wengeraner weiter. Das Erdgeschoss des kleinen Fachwerkhauses wurde vor vier Wochen geflutet (wir berichteten); das Obergeschoss blieb verschont. „1,50 Meter hoch stand das Wasser hier unten, und es gibt viele Verluste – zum Beispiel zwei Originalstühle aus dem Haushalt von Henriette Davidis. Einer davon wird wohl nur noch schwer zu restaurieren sein.“
Viele Exponate zerstört
Auch etliche in Vitrinen ausgestellte Exponate wurden zerstört. Etwa die Originalverpackung eines Fingerspitzenformers aus der Biedermeierzeit.
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„Henriette versuchte ja, als Reformerin im Biedermeier den Frauen ein Selbstverständnis in Bezug auf einen Beruf zu geben, auf der anderen Seite repräsentierte sie aber auch das Schönheitsideal der klassischen Hausfrau, die den Fingerspitzenformer nutzte, um schlanke Finger zu bekommen. Der Former ist wie eine Klammer aus Metall, die ist nicht kaputt. Aber wir hatten ihn in der Originalverpackung, die leider zerstört ist“, so Eckehard Methler. Eine Flohfalle, die ganz oben in einer Vitrine stand, sei zum Glück erhalten geblieben.
Stickmuster nicht mehr zu retten
Aber viele alte Näh- und Stickmuster in Büchern aus der Zeit um 1860 seien zerstört und wohl nicht mehr zu retten. Nur gut, dass die signierten Auflagen und die Original-Manuskripte von Henriettes Gedichten im Magazin des Geburtshauses lagern und deswegen verschont blieben. Zum Opfer fielen dem Hochwasser aber auch alte Kopfbedeckungen, Hauben sowie Zylinder in Originalschachteln.
Ideeller Wert groß
„Alles, was aus Holz war, ist aufgeweicht. Einiges ist inzwischen wieder getrocknet und hat das Wasser ganz gut überstanden. Aber alles, was Furnier war oder wo Pappe drin war, hat zwar 200 Jahre überlebt, aber die Flut nicht“, resümiert Methler. Der Trocknungsprozess habe erst alle Schäden richtig zum Vorschein gebracht: „Egal welche Schubl
ade man öffnete, überall war Schlamm drin.“ Dabei sei es nicht unbedingt der materielle, sondern vielmehr der ideelle Wert mancher Exponate, der so bedauerlich sei. „Manche Dinge wurden über drei bis vier Jahrzehnte deutschlandweit auf Flohmärkten, Auktionen oder durch Spenden zusammengetragen.“ Am Ende versucht Methler doch, den finanziellen Schaden zu beziffern, der bei 15.000 bis 20.000 Euro liege. Denn auch die Heizung sei ganz sicher kaputt. Dass er sich aktuell um alles kümmert, hat einen einfachen Grund: „Meine Eltern hätten das gar nicht bewältigen können, denn sie sind beide über 80.“ Sein Vater und Museumsgründer Walter Methler „konnte die erste Woche nicht hierher kommen. Meine Mutter war noch gar nicht hier. Es ist ja ein Lebenswerk.“
Dankbar für Unterstützung
Aber, so hebt Eckehard Methler positiv hervor, es habe bereits Zuwendungen von Freunden des Museums gegeben – auch von solchen, die nicht mehr in Wengern wohnen: „Aus dem Nichts haben sie sich gemeldet, Leute aus Dortmund zum Beispiel. Hilfe haben wir auch von der Feuerwehr erhalten, die nachts alles leergepumpt hat. Viele Feuerwehrleute haben Sachen hochgehoben und sie nach oben gebracht, haben versucht, zu retten, was irgendwie zu retten war. Wir sind ja froh über jede Art von Unterstützung. Und es waren wirklich viele Leute, die schon geholfen und gespendet haben. Das ist auch eine schöne Erfahrung, die zeigt, wie wichtig den Menschen das Museum ist.“
Fenster und Tür abdichten
Nun will Eckehard Methler nach vorne blicken und sich Gedanken machen, wie sich etwa Fenster und Tür flutsicher abdichten lassen. Bis das kleine Museum im Herzen des historischen Dorfkerns allerdings wieder für Besucher öffnet, das wird noch eine Weile dauern. Mitte 2022, schätzt der Wengeraner; „denn es ist ja eine Privatinitiative, und da dauert eben alles seine Zeit.“
Das Henriette-Davidis-Museum – ein Lebenswerk
Aus einer privaten Leidenschaft von Pfarrer a.D. Walter Methler ist 1994 das Henriette-Davidis-Museum entstanden; es stellt Leben und Werk der berühmtesten deutsche Kochbuchautorin vor, die 1801 in Wengern geboren wurde.
Seit 2001 hat es sein Domizil im Mühlchen, einem Fachwerkhaus aus dem Jahre 1801 (Geburtsjahr der Davidis) im Zentrum von Wengern.
In den Räumen wird das biedermeierliche Leben dargestellt – neben einer alten Küche, Haushaltsgeräten, einer alten Kinderküche, Kinderspielzeug, Gartengeräten, Geräten der Heilkunde, einer Dienstbotenkammer, werden auch Kuriosa ausgestellt.
2013 kaufte Eckehard Methler das Davidis-Geburtshaus von der evangelischen Gemeinde; so bekam das Museum einen Ableger.