Herdecke. 39 Menschen sind in Herdecker mit dem Virus infiziert gestorben. An sie soll nun ein Gedenkstein erinnern.

Die Tage des Ausbruchs und der vielen Toten waren der Horror. „Aber wir haben uns gegenseitig aufgefangen“, erinnert sich die Pflegerin aus einem der Herdecker Seniorenheime. Jetzt steht sie mit einer Handvoll Kollegen und Kolleginnen auf dem Friedhof Zeppelinstraße bei der Gedenkfeier für die Toten der Corona-Krise.

Und plötzlich ist der Horror der Herbsttage wieder ganz nah. Tränen rollen, ein Schluchzen. Und dann stehen sie plötzlich dicht nebeneinander, verschränken die Arme auf Schulterhöhe, bilden einen Kreis und sind sich wieder gegenseitig Trost und Stütze. Bürgermeisterin Katja Strauss-Köster hat zu der kleinen Gedenkstunde an der Kapelle eingeladen. Der Kreis ist klein, immer noch wegen Corona. Ein paar Politikerinnen und Politiker stehen unter dem Vordach. Auch die Familie Vincent. Der Steinbildhauer aus Wetter hat einen Gedenkstein für die Opfer der Corona-Krise gestaltet und gestiftet. An diesem Nachmittag wir der Stein mitsamt der Stahlplatte vorgestellt, die das Virus zeigt.

„Dann kam die Bombe“

Und hier stehen jetzt, eher schon zum Ausklang der Veranstaltung, die fünf Pflegerinnen und ein Pfleger. Pfarrerin Leska Meyer, die gerade einen Segen gesprochen hat, stellt sich zu ihnen und ist mittendrin in der Selbstverständigung über das immer noch unfassbare Geschehen in den Herdecker Heimen. Vorigen Jahr, im Sommer wirkte die Lage schon einmal entspannt. In den Heimen aber blieb die Sorge groß. „Wenn nur die Demenzstationen verschont bleiben“, haben die Pflegenden gehofft. „Und dann kam die Bombe, ist die Lage explodiert.“ Genau in den Demenzbereichen hat das Virus angegriffen, die Schwäche der Menschen genutzt, bei denen Belehrungen über Abstandsregeln nicht haften bleiben. Isolation war die Folge. Und sterben. „Hardcore“ war das, sagt eine in der Runde. „Das ist etwas, was man in seinem Leben nicht zweimal haben möchte“, fährt sie fort. „Man ist so machtlos“, sagt eine andere, und wie aus Puzzleteilen setzt sich ein Bild zusammen von unvorstellbarer Belastung und Leid, das mit dem Sterben der Bewohner verknüpft bleibt.

Verbundenheit mit Herdeckern

Aber da ist auch das Gefühl der Verbundenheit mit den Herdeckern. Bilder haben sie gemalt für die eingesperrten Bewohnerinnen und Bewohner, Briefe geschrieben. Als dank haben die Pflegenden ein Bettlaken als Banner für die Nachbarn nach draußen gehängt. An diesen Gemeinsinn in besonders schwerer Zeit hat auch die Bürgermeisterin in ihrer kurzen Gedenkrede erinnert. Für sie ist der Gedenkstein gleich neben der im April gepflanzten Gedenk-Eiche „ein Zeichen, wie die Stadtgesellschaft zusammen gehalten hat.“ Mit Schrecken denkt sie an den Spätherbst, als in Herdecker Heimen Corona vielen Senioren das Leben nahm. Insgesamt 39 Menschen aus Herdecke sind bislang an oder in Verbindung mit Corona gestorben. „Hinter jeder einzelnen Zahl verbirgt sich ein Leben, hat ein Mensch eine Lücke hinterlassen „, sagt die Bürgermeisterin. „Corona hat unser Leben verändert“, stellt Katja Strauss-Köster fest, „aber Corona hat auch gezeigt, wie gut es tut, nicht allein zu sein.“

Mitarbeiter haben Unfassbares geleistet

Deshalb war es eine gute Idee, Mitarbeitende aus den Heimen zur Gedenkfeier zu bitten. „Die Mitarbeiter haben Unfassbares geleistet, sind bis ans Äußerste gegangen“, sagt stellvertretend David Siery zu den geladenen Gästen. Er arbeitet in der Parkanlage Nacken. Erste Tränen rollen bei seinen Nachbarinnen. Ganz kurz sagt auch Timothy Vincent etwas zu seinem Kunstwerk aus Ruhrsandstein. Auch er spricht von einem Zeichen, das er setzen möchte - „gegen die Coronaleugner“.