Herdecke. Vier neue Todesfälle in zwei Seniorenheimen Herdecke: Wie erklärt der EN-Kreis die Corona-Lage? Was denken Angehörige? Hier die Antworten.

Es wird immer schlimmer: In Herdecke, so vermeldete es der Ennepe-Ruhr-Kreis, gibt es vier weitere Todesfälle zu beklagen. Im Zusammenhang mit Corona verstarben nun drei Bewohner des Seniorenhauses Kirchende, eine 87-jährige Frau sowie zwei Männer im Alter von 84 und 81 Jahren. Trauer auch in der Parkanlage Nacken: Das dortige Pflegeheim verkündete den Tod einer Bewohnerin (90). Die Corona-Ausbrüche in diesen beiden Einrichtungen des Betreibers Convivo haben somit seit Mitte Oktober 20 Menschen im Alter zwischen 82 und 96 Jahren nicht überlebt.

Während durch den Tod einer 94-Jährigen in einem Sprockhöveler Altenheim die Zahl der verstorbenen Menschen im EN-Kreis somit auf 40 anstieg, wächst in Herdecke die Sorge wegen der Entwicklungen in den genannten Einrichtungen. Ein Angehöriger sagte im Gespräch mit der Lokalredaktion, dass die Zustände im Seniorenhaus Kirchende fragwürdig bis teils katastrophal seien. Die Kontaktaufnahme zu Verantwortlichen sei schwierig. „Die fühlen sich oft sofort angegriffen und gehen direkt in die Abwehrhaltung. Während manchmal keine vernünftigen Informationen zu bekommen sind, freuen wir uns dann im Gegenzug über Anrufe von Mitarbeitern und deren Meldung, dass für uns alles okay sei“, so der Herdecker. „Unser Familienmitglied kann trotz der offensichtlich hohen Ansteckungsgefahr einerseits auch mal frei über die Flure laufen. Dann wiederum heißt es andererseits, die Leute würden weggesperrt.“

Gleichwohl seien die Situation, mit der die Angehörigen seit dem 9. Oktober zurecht kommen müssen, und das nachvollziehbare Besuchsverbot sehr belastend. Vor allem wegen der Ungewissheit, ob sie den geliebten Menschen noch einmal zu Gesicht zu bekommen oder nicht. „Für die Familie – und sicher nicht nur für unsere – ist das ganz schlimm, es fließen oft Tränen.“

Jeden Mittwoch neue Abstriche

Astrid Hinterthür als Leiterin des EN-Krisenstabs hat einen differenzierten Blick auf die Lage in Herdecke. Sie berichtet von erneuten Corona-Abstrichen in den beiden Seniorenhäusern. Das geschehe seit Mitte Oktober sowohl in Ende bei den damals 114 Bewohnern wie auch (einige Tage später) am Nacken mit ehemals 63 Senioren mittlerweile jeden Mittwoch, Testungen stehen natürlich auch für Mitarbeiter an. Der Stand: Gab es in Ende in der vergangenen Woche 33 positive Fälle, sind es in der Parkanlage nach derzeitigem Wissen 21. „Wir hoffen, dass keine weiteren dazukommen. In Kirchende ist die Zahl im Vergleich zur Vorwoche leicht rückläufig“, so Hinterthür.

Sorgen von Angehörigen kann die Fachbereichsleiterin Soziales/Gesundheit nicht wegwischen, aber die Entwicklung erklären. „Auch in diesen zwei Einrichtungen sind – wie in anderen Altenheimen mit gleichfalls dramatischen Corona-Auswirkungen – die Demenz-Wohnbereiche betroffen. Diese haben die Heime bestmöglich von anderen Wohnbereichen abgetrennt. Doch die dementiell Erkrankten mit Covid-19-Infektionen konnten zuvor das Virus verbreiten. Aufgrund ihres Zustands konnten sie mit Vorgaben wie Isolation nichts anfangen und blieben teils nicht in ihren Zimmern“, sagt Hinterthür.

Die Kreisverwaltung arbeite gut mit den Heimleitungen zusammen. „Auch die Mitarbeiter und Verantwortlichen sind angesichts der Entwicklungen furchtbar betroffen. Sie versuchen alles, dass sich die Lage nicht verschlimmert.“ Bereits seit Wochen tauschen sich die Verwaltung und Einrichtungen aus, welche Maßnahmen zu treffen sind. „Wir hatten erwogen, das Seniorenhaus Kirchende leerzuziehen und bereits in anderen Einrichtungen nach freien Plätzen gefragt. Die sind aber fast alle ausgelastet“, so Hinterthür. Und: „Wenn ein Infizierter keine Symptome zeigt und beispielsweise ein sechs Tage altes Testergebnis vorliegt, hätte es sein können, dass diese Person das Virus in eine andere Einrichtung einschleppt. Daher haben wir von einer Evakuierung abgesehen und die Wohnbereiche isolieren lassen.“

Hohe Herdecker Zahlen

Der nun vermeldete Tod von fünf Pflegeheimbewohnern (vier in Herdecke, eine Frau im Haus am Quell in Sprockhövel) lässt die Zahl der im Ennepe-Ruhr-Kreis an oder mit Corona Verstorbenen auf 40 steigen.

Die 40 Verstorbenen lebten zuletzt in Breckerfeld (1), Ennepetal, Hattingen, Sprockhövel (jeweils 3), Gevelsberg (4), Herdecke (20), Schwelm, Witten und Wetter (allesamt 2).

„Richtig und schnell reagiert“

Natürlich würden sich alle Beteiligten im Schwelmer Kreishaus kritisch hinterfragen, ob sie beim Umgang mit der Pandemie in Herdecke Fehler begangen haben. „Wir haben schnell und richtig reagiert, auch wenn das den Angehörigen und Familien der 20 Verstorbenen schwer zu vermitteln sein dürfte.“

Da mitunter Notarztfahrzeuge die Erkrankten in Krankenhäuser transportieren, stellt sich noch die Frage nach einem würdevollen Abschied im Todesfall. Angesichts der Besuchsverbote kein leichtes Unterfangen. „Die Heimleitungen ermöglichen es aber Angehörigen über Sonderregelungen und mit entsprechender Schutzkleidung, dem Erkrankten noch einmal zu begegnen“, sagt Astrid Hinterthür.