Herdecke/Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage aus Herdecke zur 380-Kilovolt-Stromtrasse von Amprion ab. Hat Urteil Folgen für andere Prozesspläne?

Nach elf langen Jahren herrscht nun Klarheit: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Donnerstag Klagen gegen eine Höchstspannungsfreileitung in der Stadt Herdecke und angrenzenden Gemeinden abgewiesen . So steht es auf der Internetseite, nachdem sich der zuständige Senat am Dienstag in einer mündlichen Verhandlung mit dem Sachverhalt letztmalig auseinandergesetzt hat.

Die Kläger wandten sich gegen den Planfeststellungsbeschluss für eine 380-Kilovolt-Höchstspannungsfreileitung zwischen den Umspannanlagen Dortmund-Kruckel und Hagen-Garenfeld. Die Leitung soll in Herdecke (u.a.) zwischen den Wohngebieten Schnee, Semberg und Schraberg verlaufen. Auf den Masten sollen auch Leitungen geführt werden, die das Pumpspeicherwerk Herdecke mit der Anlage Kruckel verbinden.

Wie schon die Bezirksregierung Arnsberg, die die neuen Höchstspannungsfreileitungen im Juli 2018 genehmigte, verwiesen die Richter auf folgenden Umstand: Die Trasse verläuft überwiegend auf Trassen früherer Leitungen und im Verbund mit anderen, weiterhin bestehenden Freileitungen. „Die Klagen blieben erfolglos. Beachtliche Verstöße gegen Verfahrensrecht hat das Bundesverwaltungsgericht verneint. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ordnet das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG) an. Die Anforderungen des zwingenden Rechts, insbesondere des Immissionsschutzrechts, sind gewahrt.“

Autobahn-Alternative nicht vorzugswürdig

Das Bundesverwaltungsgericht hat nach eigenen Angaben auch die Abwägungsentscheidung gebilligt . Die Planfeststellungsbehörde habe es ohne durchgreifenden Fehler abgelehnt, die Leitung entlang der Autobahnen A 45 und A 1 zu führen. Diese Trassenführung hätte zwei Naturschutzgebiete neu betroffen, einen bisher nicht für Freileitungen genutzten Raum in Anspruch genommen, auf rund acht Kilometern Waldflächen beeinträchtigt und die Bündelung von Freileitungen aufgelöst. Angesichts dieser Nachteile durfte sich die Planfeststellungsbehörde in Arnsberg für die gewählte Trasse entscheiden, obwohl diese das Wohnumfeld in Herdecke beeinträchtigt. Insbesondere durfte die Behörde bei der Bewertung dieser Beeinträchtigungen berücksichtigen, dass die Leitung einen vorbelasteten Trassenraum nutzt und im Verbund mit anderen Leitungen geführt wird.

Spannender Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig: Im großen Sitzungssaal widmete sich der zuständige Senat unter dem Vorsitz der Richterin Kerstin Schipper in einem mündlichen Verfahren der Klage aus Herdecke und der Rechtmäßigkeit der Stromtrasse von Amprion.
Spannender Prozess vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig: Im großen Sitzungssaal widmete sich der zuständige Senat unter dem Vorsitz der Richterin Kerstin Schipper in einem mündlichen Verfahren der Klage aus Herdecke und der Rechtmäßigkeit der Stromtrasse von Amprion. © WP | Steffen Gerber

Die Abwägungsentscheidung war nach Ansicht der Richter auch im Übrigen nicht zu beanstanden. „Dies gilt sowohl für die Entscheidung, das Pumpspeicherwerk nach Kruckel anzubinden als auch für die Entscheidung, die Leitung als Freileitung auf Stahlgittermasten zu führen.“ (BVerwG 4 A 13.18 - Urteil vom 12. November 2020)

Fehler ohne Folgen

Auf Kläger-Seite löste das unumstößliche Urteil Enttäuschung aus. Gerade im Hinblick auf den langen Kampf gegen die neuen Masten und Leitungen am Schnee, Semberg sowie Schraberg, Herrentisch oder im Gahlenfeld ist es für Lars Strodmeyer von der Prozessgemeinschaft „Herdecke unter Strom“ frustrierend, dass „das Gericht scheinbar Fehler in dem Beschluss der Bezirksregierung gefunden hat, diese aber nicht ausreichten, um die Genehmigung zu kippen“. Ihm tue es leid, da dadurch das Stadtbild nun über Jahrzehnte geprägt werde. Er dankte allen Geldspendern, die das Kostenrisiko für das juristische Verfahren überschaubar hielten, der Stadtverwaltung und der Bürgermeisterin für die Unterstützung.

Chronologie eines komplexen Verfahrens

Der Herdecker Abschnitt ist Teil des Energieleitungsausbaugesetzes (EnLAG Nummer 19), das 2009 beschlossen wurde.

2011 genehmigte die Bezirksregierung Arnsberg über das Raumordnungsverfahren erstmals hier den Leitungsbau von Amprion.

Die Behörde verkündete 2018 nach kontroversen Diskussionen ( mehr als 900 Bürger-Einsprüche ) den Planfeststellungsbeschluss.

Darauf bezog sich auch der Anwalt der Herdecker Kläger. „Obwohl es nicht gereicht hat, können wir erhobenen Hauptes aus dem Prozess gehen“, sagte Philipp Heinz auf Anfrage. „Wir haben in das Verfahren alles hineingegeben, was uns zur Verfügung stand, und konnten Fehler aufzeigen. Die Gesamtbewertung ist aber leider anders ausgefallen als von uns erhofft.“ In der Leipziger Verhandlung sei es nicht um die Bewertung der vermeintlich besten Trasse gegangen, sondern um eine Abwägungsentscheidung und Zumutbarkeit. Der Protest vieler Bürger sei keineswegs „abgebügelt worden. Ich bedaure auch, dass das Gericht meinen Beweisanträgen nicht gefolgt ist und sich kein Bild von der Situation vor Ort machen wollte.“

Amprion begrüßt Urteil

Kurz nach der Verkündung veröffentlichte Amprion eine Stellungnahme zu dem Urteil. „Die Gerichtsentscheidung ist ein wichtiger Meilenstein für die Sicherung der Energieversorgung sowie der Umsetzung der Energiewende in Deutschland.“ Bei dem Leitungsbauvorhaben von Kruckel nach Dauersberg in Rheinland-Pfalz (mit dem Teilstück über Herdecke) handele es sich um ein Projekt des Energieleitungsausbaugesetzes. Die geplante Verbindung sei von besonderer Bedeutung für die Versorgungssicherheit Nordrhein-Westfalens und den überregionalen Stromtransport von Nord- nach Süddeutschland.

Arbeiten an Stromtrasse in Herdecke laufen auf Hochtouren

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Gegen den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Arnsberg hatten zwei Privatpersonen aus Herdecke geklagt. Für Vorhaben nach dem EnLAG ist in erster und letzter Instanz das Bundesverwaltungsgericht zuständig. „Der Gesetzgeber will damit eine Beschleunigung der EnLAG-Vorhaben als vordringliche Infrastrukturprojekte auch in Gerichtsverfahren sicherstellen“, schreibt der Netzbetreiber. Und: Weitere Klageverfahren sind ausgeschlossen.

Geringe Auswirkungen auch für Menschen

Obwohl die schriftliche Urteilsbegründung derzeit noch nicht vorliege, bedeute die aktuelle Entscheidung, dass Amprion die Leitung wie geplant weiter baue. Für die geplante Höchstspannungsfreileitung nutzt Amprion im Wesentlichen die Trassenräume der bereits vorhandenen 110- und 220-Kilovolt-Freileitungen. Die Stromkreise der bisherigen 110-kV-Freileitungen werden auf den neuen Masten der 380-kV-Freileitung mitgeführt.

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Auf diese Weise will der Übertragungsnetzbetreiber die Auswirkungen auf Mensch, Natur- und Umwelt so gering wie möglich halten, heißt es in der Reaktion des Unternehmens aus Dortmund.

Bürgermeisterin nimmt Urteil mit Bedauern auf

Herdeckes Bürgermeisterin, die am Donnerstagmorgen ebenfalls schnell eine Stellungnahme verschickt hat, erwähnt in ihrer Reaktion den „Kampf zweier betroffener Anwohner“ und verweist auf die Unterstützung der Bürgerinitiative Semberg, der Prozessgemeinschaft „Herdecke unter Strom“ sowie der Stadtverwaltung: Bis zur letzten Minute hatte sich der Anwalt der Kläger, Philipp Heinz, gemeinsam mit Gutachter Prof. Dr. Lorenz Jarass für eine Verhinderung der Höchstspannungsfreileitung der Firma Amprion stark gemacht.

Mit großem Bedauern nahm Bürgermeisterin Dr. Katja Strauss-Köster die Entscheidung entgegen: „Wir haben bis zuletzt gehofft, mit der Klage den voranschreitenden Trassenbau zu stoppen und das Menschenmögliche getan, um die Erforderlichkeit der Trasse zu hinterfragen. Dies ist uns trotz begründeter Zweifel und vorgestellten Alternativen nicht gelungen.“ Ein großer Dank gebühre daher allen Unterstützern der Klage. „Ich möchte mich bei allen beteiligten Bürgerinnen und Bürgern für das herausragende Engagement bedanken. Sie haben nicht lockergelassen. Immerhin konnten wir mit der Klage eine Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht und Rechtsklarheit erreichen“, so die Bürgermeisterin.

Bezirksregierung: „Wir haben sauber gearbeitet“

Erleichtert reagierte der Verfahrensleiter der Bezirksregierung. Werner Isermann nahm das Urteil auch deshalb erfreut auf, da das Gericht die Arbeit der Behörde als „rechtlich sauber“ ansehe. „Gerade wegen der erheblichen Belastungen für Bürger haben wir die notwendige Sorgfalt an den Tag gelegt.“

Für den Abschnitt hier sind weitere Klagen ausgeschlossen. Abzuwarten bleibt, welche Folgen das Urteil für Prozessbestrebungen in Hohenlimburg oder Kreuztal hat. Nach dem langen Verfahren in Herdecke attestieren Prozessbeobachter dem Bundesverwaltungsgericht aber keine Kurzschluss-Reaktion.