Herdecke. Die Sanierung des Wehrs am Hengsteysee verzögert sich um Jahre und wird deutlich teurer. Der Ruhrverband repariert nun die zweite von vier Walzen
Dass sich die Arbeiten an einer größeren Baustelle verzögern, ist heutzutage eher normal und keine Besonderheit. Insofern dürfte es auch kaum jemanden überraschen, dass die Sanierung der Stauanlage Hengstey zwischen dem Herdecker und Hagener Ufer länger dauert als gedacht. Der zuständige Ruhrverband verweist in dem Zusammenhang vor allem auf zwei Aspekte: Das Wehr ist bereits rund 90 Jahre alt, entsprechend umfangreich fällt die Instandsetzung aus. Zudem haben sich bei dem Bauwerk zunächst von außen nur oberflächliche Schäden erkennen lassen. Erst bei genaueren Analysen zeigt sich der exakte Zustand des Materials, das größtenteils aus den 1920-er Jahren stammt.
Immerhin: Seit dem Frühjahr ist das erste Wehrfeld am Schiffswinkel fertig saniert. Nun ist die daneben liegende Walze an der Reihe. „Das ist nochmal etwas schwieriger, weil die Fachleute da nur vom Wasser aus und nicht vom Ufer herankommen“, sagt Thomas Brinkmann, beim Ruhrverband für die östlichen Stauseen. Derzeit richten Gerüstbauer oben und unten Arbeitsflächen ein, dafür ließ das öffentlich-rechtliche Unternehmen unterhalb der Anlage Wasser in der Ruhr ab.
Mehr als 100.00 Nieten überprüfen
Bald gehen Spezialisten ans Werk, wobei diese auch Erfahrungen aus der ersten Wehrfeld-Sanierung nutzen können. „Dabei hat sich nach dem Freistrahlen gezeigt, dass der Zustand der Walze schlechter als angenommen war“, so Brinkmann. Dieses stählerne Bauwerk mit einem Durchmesser von rund fünf Metern halten beispielsweise mehr als 100.00 Nieten zusammen. Diese waren ähnlich marode wie die Träger im Inneren. „Im Laufe der Jahre wurde zwar manches ausgetauscht und auch ein neuer Korrosionsschutz aufgetragen, doch insgesamt war all das deutlich aufwendiger als vermutet“, berichtet der Wasserbau-Ingenieur des Ruhrverbands.
Der Ablauf bei der zweiten von vier Sanierungsetappen orientiert sich am Verfahren des ersten Wehrfelds: Nach der Trockenlegung über eine Dichtungswand (unten erfolgt ein „Revisionsverschluss“, oben ist ein Steg angelegt) erhält die Walze eine Schutzhülle. Dann kann das Sandstrahlen beginnen, durch die Einhausung sollen keine alten Farben oder andere Stoffe ins Wasser gelangen. Das soll auch ein großer Sauger verhindern. Sobald das Bauwerk gewissermaßen innen und außen blank gelegt ist, kann ein Gutachter das genaue Schadensausmaß ermitteln. Dieser Stahlwasserbau-Experte misst beispielsweise Wandstärken sowie Schichten und überprüft Nieten. Ein aufwendiger Arbeitsschritt dürfte wieder der Austausch der tonnenschweren Ketten darstellen, über die die Steuerung der Walzen zur Regulierung des Wasserpegels am Hengsteysee erfolgt.
Wenige Fachbetriebe kommen infrage
„Für all diese Aufgaben kommen nur wenige Fachbetriebe infrage, zum Glück konnten wir teilweise die Aufträge an den gleichen Anbieter wie bei der ersten Sanierung vergeben“, so Brinkmann. Er hat während der zweiten Wehrfeld-Sanierung ein weiteres Arbeitsfeld im Auge. Das so genannte Tosbecken direkt unterhalb der Wehranlage soll nun ebenfalls saniert werden. Angesichts des geringen Wasserstands können auch Passanten derzeit erkennen, dass die dortigen Betonkonstruktionen ebenfalls eine Frischzellenkur nötig haben. „Wir können zwar nicht alles parallel laufen lassen und müssen ja auch die Anlage im Betrieb halten, doch wollen wir demnächst das Becken jeweils vor zwei Wehrfeldern überarbeiten“, sagt der Stausee-Verantwortliche. „Denn wenn wir hier jetzt einmal tätig sind, dann wollen wir es auch gründlich angehen.“
Konkret heißt das: Der Abschluss der Sanierung (die Fachleute arbeiten sich vom Herdecker zum Hagener Ufer vor) dürfte Mitte des nächsten Jahrzehnts erfolgen, ursprünglich hatten die Verantwortlichen auf ein Ende der Tätigkeiten 2020 gehofft. Damals ging der Ruhrverband noch davon aus, dass ein Wehrfeld in einem Jahr zu reparieren sei. Doch allein die Reparatur der ersten Walze dauerte viele Monate länger als angenommen.
All das führt zu deutlich höheren Kosten. War zunächst von acht Millionen Euro die Rede, bewegt sich die Summe nun längst im zweistelligen Millionen-Bereich.