Herdecke. . Der Netzbetreiber Amprion will die umstrittene 380-Kilovolt-Stromtrasse ab Freitag in Herdecke mit dem Holzeinschlag und Wegebau vorbereiten.

Bisher handelte es sich meist um Texte, Animationen oder Gespräche, wenn es um die neue Höchstspannungsfreileitung von Amprion ging. Nun aber zeigt sich die konkrete Absicht des Netzbetreibers, der bekanntlich eine 380-Kilovolt-Stromtrasse von Dortmund über Herdecke nach Hagen bauen darf – sofern das Bundesverwaltungsgericht das nicht in einigen Monaten unterbindet. Unabhängig davon kündigt das Unternehmen jetzt den Baubeginn an.

Ab dem 8. Februar müssen Herdecker mit einem Holzeinschlag sowie Wegebaumaßnahmen zwischen Kruckel und Koepchenwerk rechnen. Aus Naturschutzgründen sieht der Gesetzgeber vor, dass die Gehölzarbeiten Ende Februar und damit vor der Brutzeit enden. Mit dem eigentlichen Leitungsbau will der Netzbetreiber hier in der zweiten Jahreshälfte 2019 beginnen und dann auch ein Netz-Provisorium errichten, um das Teilstück zwischen den Umspannwerken in Dortmund und Hagen-Garenfeld 2021 fertig stellen zu können.

„Kurzfristige und temporäre Beeinträchtigungen bei der Nutzung von Gehwegen sind möglich. Diese werden auf das notwendigste Maß beschränkt“, teilt Amprion nun auf Anfrage mit, nachdem die Bezirksregierung Arnsberg dem Netzbetreiber zeitliche Vorgaben für den Holzeinschlag und Wegebau erteilt hat. Am Speicherbecken hat das Unternehmen nach eigenen Angaben bereits im Januar Flächen für die geplante Trasse vorbereitet.

Bescheid der Bezirksregierung

Auch im Landschaftsschutzgebiet Peddenhohl gehen die Herdecker Grundstücksbesitzer davon aus, dass dort am Abzweig Nierfeldstraße/In der Erdbrügge in Kürze Bäume für den so genannten „Monstermasten“ (87 Meter hoch) fallen. Womöglich ohne konkrete Vorab-Information.

Wie berichtet, hatte eine Herdecker Familie als Eigentümerin dazu einen Termin bei der Enteignungs-Behörde von der Bezirksregierung Arnsberg. In dieser Woche kam nun der gültige Amts-Bescheid mit dem Hinweis auf eine vorzeitige Besitzeinweisung. Heißt: Obwohl die Geschwister aus Herdecke Amprion bis dato keine Dienstbarkeit an dem Standort von Mast 18 genehmigt haben, kann der Netzbetreiber dort ab sofort das rund 3600 Quadratmeter große Baufeld vorbereiten. Darauf deuten laut Einschätzung der Familie bereits markierte Bäume hin.

Der kleine Bürger im großen System

Unabhängig davon, ob dieser Leitungsausbau durch Her­decke notwendig oder unnütz ist: In dem Verfahren tauchen oft neue Wendungen auf, die das Gefühl eines ohnmächtigen Bürgers in einem komplexen Gesamtsystem bestärken. Der Laie wundert sich zurecht, warum eine Behörde einem Konzern trotz eines laufenden Gerichtsverfahrens das vorbereitende Abholzen von Bäumen erlaubt. Sollte nämlich das Urteil zuungunsten der Bezirksregierung bzw. von Amprion ausfallen, müssten die Verantwortlichen die vorgenommenen Maßnahmen wieder zurückbauen. Eine abgerissene Gartenlaube ließe sich schnell wieder errichten, in Waldstücken bräuchten Bäume Jahrzehnte.

Auch wenn es in konkreten Fällen nicht um die Enteignung von Grundstücken geht, so bleibt der Zweifel, ob Eigentum in diesem Land wirklich noch geschützt ist.

Nun gebe es die Möglichkeit, gegen den Bescheid der Bezirksregierung Rechtsmittel einzulegen und ein Verwaltungsgericht anzurufen. „Das hat aber nur aufschiebende Wirkung, wenn der oder die Beschwerdeführer genau dies zusätzlich beantragen“, sagt eine Sprecherin der Bezirksregierung auf Anfrage der Redaktion.

Auch Jörg Schulte-Trux und seine Schwestern haben sich überlegt, ob sie diesen Schritt wagen sollen. Einen Monat lang hätten sie Zeit, gegen die vorzeitige Besitzeinweisung vorzugehen. „Wir werden das wohl nicht tun, da auf uns unwägbare Kosten zukommen würden. Als Privatperson trägt man das komplette Risiko für solch ein Verfahren“, sagt der Grundstücksbesitzer, der sich anwaltlichen Rat einholte. „Demnach sind die Erfolgsaussichten relativ gering.“

Sensible Daten, schneller Anschluss

Zu solchen Grundstücksfragen will sich Amprion „aus Datenschutzgründen“ nicht äußern. Der Netzbetreiber will nach eigenen Angaben fortlaufend über den Bauablauf in Herdecke informieren.

Während das Bundesverwaltungsgericht die eingereichte Klage aus Herdecke bearbeitet und diese erst in einigen Monaten verhandeln kann, will Amprion nun offensichtlich den Bau der Trasse voran treiben. Auf die Frage, warum der Netzbetreiber weder das Leipziger Urteil noch die Genehmigungsverfahren im weiteren Trassenverlauf von Hohenlimburg bis ins rheinland-pfälzische Dauersberg abwarten will, teilt das Unternehmen mit: „Aus versorgungstechnischen Gründen müssen wir die Umspannanlage Garenfeld schnellstmöglich von Kruckel aus an das 380-kV-Netz anschließen.“

Komplizierte Grundstücksfragen

Grundlage für Grundstücksfragen im Zusammenhang mit Stromleitungen und Zwangsbelastungsverfahren ist Paragraf 45 im Energiewirtschaftsgesetz. Es erfolgt auch ein Grundbuch-Eintrag für eine sogenannte beschränkte persönliche Dienstbarkeit als Leitungsrecht. Damit werden einzelne Nutzungsrechte eingeschränkt. Ein Eigentumswechsel findet aber nicht statt.

Verhandlungssache ist, was mit dem abgeholzten Holz passiert. Laut Bezirksregierung sei Amprion gefordert, sich diesbezüglich mit dem Grundstückseigentümer zu einigen. Der Netzbetreiber teilt mit: „Die Weiterverwendung der gefällten Bäume wird individuell mit den betroffenen Eigentümer vereinbart oder über ein behördliches Verfahren geregelt.“ Grundsätzlich übernehme Amprion das Holz und entschädige dies entsprechend. Es könne aber auch sein, dass das Holz wunschgemäß beim Eigentümer verbleibt. Dies werde dann vertraglich vereinbart.