Herdecke. . Einige Herdecker sprachen mit der Enteignungs-Behörde der Bezirksregierung und erfuhren, dass Amprion auch ohne Gerichtsurteil loslegen kann.

Der Blick auf den Absender verhieß nichts Gutes: In den vergangenen Tagen erhielten einige Herdecker Post und hatten einen Termin bei der Enteignungs-Behörde der Bezirksregierung Arnsberg. In den Gesprächsrunden saßen auch Vertreter (u.a. Juristen) des Netzbetreibers Amprion, der bekanntlich eine 380-Kilovolt-Stromtrasse durch das Stadtgebiet errichten will und vom Amt Grünes Licht dafür erhalten hatte. Einladungen erhielten nun Grundstücksbesitzer, die dem Unternehmen noch keine Zusage für vorbereitende Maßnahmen auf ihren Flächen in Sachen Mastbau und Überspannung gegeben hatten.

Darunter auch Cornelia Strugholz und ihr Bruder Jörg Schulte-Trux. Den insgesamt vier Geschwistern gehören große Teile des Landschaftsschutzgebiets Peddenhohl. Dort, an der Ecke Nierfeldstraße/In der Erdbrügge, soll bald laut Amprion-Planung der berüchtigte „Monstermast“ (fast 87 Meter hoch) stehen. Doch die Herdecker Familie hat dem Netzbetreiber dazu auch nach dem erfolgten Planfeststellungsbeschluss im Juli 2018 noch keine Erlaubnis erteilt und will erst das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abwarten. „Nun wissen wir aber: Es wird schon jetzt ernst, die wollen mit dem Holzeinschlag zügig beginnen. Daher hat uns die Behörde gedrängt, dass wir uns jetzt bald mit Amprion einigen, damit Arnsberg nicht entscheiden muss“, sagte Jörg Schulte-Trux nach dem Termin bei der Bezirksregierung, in dem es um eine „vorzeitige Besitzeinweisung“ ging.

Natur nachhaltig geschädigt

Neun Gesprächspartner machten demnach den drei Geschwistern klar, dass sie „eh nichts verhindern können, der Mast werde in jedem Falle gebaut. Wenn wir Amprion die Dienstbarkeit zum Mastbau auf unserem Grundstück im Peddenhohl einräumen, wäre das für uns finanziell besser“, berichtete Cornelia Strugholz. Dabei gehe es der Familie gar nicht ums Geld bzw. die rund 4000 Euro als Entschädigungs-Angebot zur Grundstücksnutzung im Gebiet am Semberg. Sie befürchten vielmehr, dass die Rodung für das 3600 Quadratmeter große Baufeld mit tonnenschwerem Gerät die Natur nachhaltig schädige (hier findet oft Freiluft-Unterricht für die benachbarten Grundschule Schraberg statt).

Behörde muss auf  Klage-Schrift reagieren

Rechtsanwalt Heinz hat 76 eng bedruckte Seiten dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig vorgelegt und diverse Argumente wie beispielsweise die Anbindung am Koepchenwerk aufgeführt, weswegen die Stromtrasse nicht durch Herdecke bzw. Ende gebaut werden sollte.

Vor dem Gerichtstermin müssen die Bezirksregierung und Amprion darauf antworten.

Da spiele es auch keine Rolle, was das Bundesverwaltungsgericht in einigen Monaten grundsätzlich über diesen Trassenbau entscheide und dann womöglich vorgenommene Maßnahmen wieder zurückgebaut werden müssten. Durch den Beschluss der Bezirksregierung (mit bindender Wirkung) zugunsten Amprions bestehe bereits eine im Energieleitungsausbaugesetz verankerte Dringlichkeit, der Holzeinschlag ist im Jahreskalender nur bis Ende Februar erlaubt. „Es geht da um den Bauzeitenplan. In einem ersten Schritt sollten wir uns bezüglich der Baumfällungen einigen, später könnten wir weiteres wie Entschädigungsgelder und ähnliches verhandeln“, erklärte Jörg Schulte-Trux.

Als Privatperson habe sie zuvor noch nie etwas von einem Begriff wie „vorzeitige Besitzeinweisung“ gehört, sagte Cornelia Strugholz, die sich generell durch die Fristen unter Druck gesetzt fühle. Sollte sich die Familie nicht gütlich mit Amprion einigen, könne die Behörde eine sofortige Vollziehung zum Holzeinschlag erwirken, schließlich gehe es auch um die regionale Versorgungssicherheit. Wer zeitnahe Entscheidungen dazu hätte verhindern wollen, hätte mit einer Baustopp-Klage dagegen vorgehen müssen – das sei nicht geschehen. „Im Prinzip wurde uns klar gemacht, dass wir uns wehren können, dies aber nichts bringe“, so das Fazit der zwei Geschwister.

Anwalt mahnt „faires Verfahren“ an

Rechtsanwalt Philipp Heinz, der im Auftrag anderer Herdecker Ende Dezember fristgemäß die Klage-Begründung gegen den Planfeststellungsbeschluss in Leipzig eingereicht hatte, versteht die Dringlichkeit nicht. „Es geht um die Leitung von Dortmund-Kruckel über Herdecke nach Dauersberg, dabei stehen Entscheidungen zum Leitungsausbau hinter Hagen-Garenfeld bis nach Rheinland-Pfalz erst in den nächsten Monaten und Jahren an“, sagt der fachkundige Jurist und interpretiert das Vorgehen der Bezirksregierung so, dass Grundstücksstreitigkeiten dieser Art einer Behörde zusätzliche Arbeit bescheren und diese daher auf eine Einigung ohne ihr Zutun drängt.

Der Berliner Anwalt erläutert, dass es bei solchen Fragen wie im Peddenhohl mit dem „Monstermasten“ ebenfalls ein faires Verfahren nach der nun erfolgten Anhörung geben müsse. Sollte also keine Zusage der Eigentümer an den Antragsteller Amprion vorliegen, müsse das neutrale Enteignungs-Dezernat bei seiner Abwägung zur Besitzeinweisung (Dienstbarkeit) beide Seiten anhören. „Gegen diese Entscheidung könnte man auch Rechtsmittel einlegen“, so Heinz.