Herdecke. . Herdecker Bürger haben am Bundesverwaltungsgericht eine Klage gegen den Beschluss zur 380-Kilovolt-Stromtrasse durch das Stadtgebiet eingereicht.
Es wird spannend: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig muss überprüfen, ob die von der Bezirksregierung Arnsberg genehmigte Stromtrasse von Dortmund-Kruckel über Herdecke nach Hagen-Garenfeld rechtens ist. Fachanwalt Philipp Heinz als Vertreter mehrerer Bürger aus der Ruhrstadt reichte nun in Abstimmung mit der Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom eine Klage ein, um den Neubau von 380-Kilovolt-Freileitungen und das Vorhaben des Netzbetreibers Amprion zu stoppen.
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Fristgerecht schickte der Rechtsanwalt nun ein dreiseitiges Schreiben an das Gericht. „Ich gehe von einer mündlichen Verhandlung nicht vor Ende 2019 aus, erfahrungsgemäß dauern solche Verfahren zwischen ein und zwei Jahren“, sagte Philipp Heinz. Er muss in den nächsten Wochen eine ausführliche Klagebegründung nachreichen, damit der 4. Senat in Leipzig die Sachlage genau einschätzen und Unterlagen von der Gegnerseite einfordern kann. „Die Anzahl betroffener Bürger im Trassenraum und der überspannten Häuser ist derart hoch, dass die Anwohner im Falle eines Neubaus durch diese Generationen-Entscheidung sehr belastet wären“, so der Jurist aus Berlin, der diesen dauerhaften städtebaulichen Einschnitt im Sinne seiner Herdecker Mandanten verhindern will.
Einzige Chance, sich zu wehren
Damit spricht er den Vertretern der Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom aus der Seele. Seit der Gründung im Frühjahr 2016 verfolgt diese Gruppe das Ziel, juristisch gegen das Amprion-Vorhaben vorgehen zu können und klagebereite Anwohner inhaltlich sowie finanziell zu unterstützen.
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„Wir haben viele Gespräche geführt, intensiv Vor- und Nachteile einer gerichtlichen Auseinandersetzung abgewogen“, berichten Lars Strodmeyer, Gisela und Wolfgang Heuer. Ergebnis: „Wir sehen eine echte Chance, die Höchstspannungsfreileitung hier zu verhindern. Außerdem ist dieser nun eingeschlagene Weg die einzige Chance für Bürger, sich zu wehren.“ Alle anderen Bemühungen, die vielen Gespräche mit Politikern, Naturschützern und anderen im Sinne einer guten Lösung für Mensch und Natur, hätten nichts gebracht. „Wir rechnen nun mit einem langwierigen, komplexen und kostenintensiven Verfahren in Leipzig, sind dafür zunächst gut aufgestellt.“
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Die Prozessgemeinschaft sieht sich auch als Vertreter vieler Herdecker und kann das untermauern. Sie habe neben soldarischem Zuspruch, Geld von ca. 150 Einzahlern bekommen, mitunter stellten Privatpersonen hohe vierstellige Summen für die juristische Auseinandersetzung zur Verfügung. Zudem erinnert die Gruppe an die mehr als 900 hier wohnenden Einwender, die ihre Protestschreiben zu den Amprion-Plänen im Herbst 2015 der Bezirksregierung übermittelten. Aus diesen Reihen kommen jetzt auch die Kläger, die damals bei einer Aktion Zustimmung durch 936 Unterschriften erhielten.
Wichtig: Mit dem eingeleiteten Verfahren müsse der Netzbetreiber nun selbst einschätzen, ob er auf eigenes Risiko mit dem Leitungsbau beginne. Sollte das Bundesverwaltungsgericht eines Tages urteilen, dass diese 380-Kilovolt-Trasse zwischen Dortmund und Hagen unzulässig ist, müsste Amprion die in der Zwischenzeit umgesetzten Maßnahmen wieder zurückbauen.
Weiter Geld sammeln
Die Prozessgemeinschaft sammelt unterdessen weiter Geld und rät zweifelenden Grundstückseigentümern, sich bei der Gruppe zu melden und keine Verträge von Amprion bezüglich der Dienstbarkeit auf dem jeweiligen Privatbesitz für neue Masten oder Leitungen zu unterschreiben. „Wir sehen uns auch in der Verantwortung, diesen gravierenden Einschnitt in Herdecke für die nächsten 80 Jahre im Sinne nachfolgender Generationen zu verhindern“, sagt Gisela Heuer. Und Lars Strodmeyer beklagt, dass diese neue Stromleitung mit einer veralteten Technik statt innovativer Methoden umgesetzt werden soll. „Die gesetzliche Vorgabe zu Mindestabständen von Wohnbebauung und neuen Leitungen in einem vorhandenen Trassenraum verstehe ich obendrein nicht.“ Zumal rund 1700 Herdecker rechts und links des Korridors leben.
Während Wolfgang Heuer noch auf die riesigen Mastsockel in den Amprion-Plänen verweist, will die Prozessgemeinschaft als Vermittler und Ansprechpartner für Bürger weiter am Ball bleiben. Und ist schon jetzt gespannt auf das Urteil.
>>> Kommentar von Steffen Gerber
Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Heißt es. Optimistisch, realistisch, aber nicht euphorisch klangen die Vertreter der Prozessgemeinschaft Herdecke unter Strom und der Rechtsanwalt, als es um die Chancen der eingereichten Klage gegen die geplante Stromtrasse ging.
Doch zuletzt bewiesen immer wieder Richter, dass sie bei Urteilen zu energiepolitischen Fragen (jüngst zum Hambacher Forst) nicht zugunsten der Konzerne entscheiden, sondern den Bürgerwillen berücksichtigen. Das sollte Herdeckern Mut machen. Die Prozessgemeinschaft handelt übrigens mit ihrer Unterstützung nur konsequent, sonst hätte sie sich 2016 nicht gründen müssen. Und mit dem renommierten Rechtsanwalt Heinz steht ein ausgewiesener Experte bereit, der diesbezüglich einige Erfolge vorweisen kann. Passable Voraussetzungen sind also gegeben.