Hagen. . Mitsingen, Lernen und Vernetzen: Beim Bildungskongress des Chorverbandes NRW zeigen Sänger und Chorleiter die bunte Vielfalt der Chorbewegung zwischen Alter Musik und modernem Pop.

Überalterte Männerchöre auf der einen Seite und kreative junge Sängerinnen und Sänger auf der anderen: In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Chorszene Nordrhein-Westfalens derzeit. Beim Bildungskongress des Chorverbandes NRW wurde am Wochenende in der Stadthalle Hagen die ganze Bandbreite dessen deutlich, was Singen heute bedeuten kann.

Dirigieren mit dem GMD

Michael Eiche hat Mut. Der Hagener stellt sich nicht nur vor den Philharmonischen Chor mit seinen gut 100 Aktiven auf dem Podium, sondern auch vor das Philharmonische Orchester, um Passagen aus Mendelssohns „Elias“ zu proben. „Nervös ist man immer, sonst lernt man ja nichts. Ich bin total glücklich, dass mir hier diese Gelegenheit geboten wird.“ Eiche ist Kreis-Chorleiter des Sängerkreises Hagen-Ennepe-Ruhr und Dirigent des Hasper Kinder- und Jugendchores „Chorios“.

Im Hauptberuf arbeitet er im öffentlichen Dienst, aber die Musik ist seine Leidenschaft. Nun freut sich der ehrenamtliche Chorleiter, dass der Hagener Generalmusikdirektor Florian Ludwig beim Chorkongress einen Dirigier-Kurs anbietet – kein Trockenschwimmen, sondern mit den Philharmonikern, die auf jede falsche Handbewegung reagieren. „Florian Ludwig macht das toll“, lobt Eiche. „Er gibt wichtige Tipps und konzentriert sich auf das Wesentliche.“

Mitsingangebote sehr stark frequentiert

Stimmbildung, Akustik, Literatur von der Renaissance über die Romantik bis zum Pop und immer wieder Mitmach-Angebote: Die Bandbreite der Themen ist groß, und die Dozenten sind erstklassig. Allein für den Kurs von Maybebop-Sänger Oliver Gies haben sich 200 Teilnehmer angemeldet. „Einfach singen“, so lautet der Titel des Workshops, und der ist Programm. „Die Mitsingangebote sind sehr stark frequentiert“, berichtet Klaus Levermann. Der Mendener Musikdirektor ist Bildungsreferent des Chorverbandes NRW und als solcher federführend für den Kongress verantwortlich. Rund 300 Besucher sind gekommen, „das ist schon sehr beeindruckend“, freut sich Levermann. „Es ist schön, dass der Chorverband sich nicht spezialisiert, sondern hier seine ganze Vielfalt zeigt.“

Auch Hermann Otto strahlt. Der Siegener Unternehmer ist Präsident des Chorverbandes NRW, und es ist nicht zuletzt seinem Einsatz zu verdanken, dass die Chorbewegung ihr angestaubtes Image verloren hat. „Wir konzentrieren uns ausschließlich auf die Musik, auf ihre Erarbeitung und Vermittlung“, sagt er. „Denn die Chormusik ist unser zentrales Geschäft. Wir schaffen ihr neue Spielräume und hoffen, ihr damit auch neue begeisterte Freunde zu verschaffen.“

Eine Szene im Umbruch

60 junge Sängerinnen aus 30 Städten Nordrhein-Westfalens sind im Landesjugendchor NRW aktiv, einem Spitzenensemble, das sich den Kongress nicht entgehen lässt. Die Mehrzahl von ihnen sind engagierte junge Damen. Dieser Befund ist symptomatisch. Denn das Singen wird mehr und mehr zur Frauensache.

Treffen der NRW-Chorszene in Hagen

Workshop - Bildungskongress Chorszene NRW vom Chorverband NRW in Hagen.
Workshop - Bildungskongress Chorszene NRW vom Chorverband NRW in Hagen. "Sing mit..." Konzert. © WP / Michael Kleinrensing
GMD Florian Ludwig.
GMD Florian Ludwig. © WP / Michael Kleinrensing
"...ganz Romantisch" mit Ute Debus. Workshop - Bildungskongress Chorszene NRW vom Chorverband NRW in Hagen. © WP / Michael Kleinrensing
"Toni singt - im Kindergarten" Workshop - Bildungskongress Chorszene NRW vom Chorverband NRW in Hagen. © WP / Michael Kleinrensing
GMD Florian Ludwig.
GMD Florian Ludwig. © WP / Michael Kleinrensing
"Sing mit..." Konzert. © WP / Michael Kleinrensing
"Sing mit..." Konzert. © WP / Michael Kleinrensing
"Sing mit..." Konzert. © WP / Michael Kleinrensing
"Sing mit..." Konzert. © WP / Michael Kleinrensing
"Sing mit..." Konzert. © WP / Michael Kleinrensing
"Sing mit..." Konzert. © WP / Michael Kleinrensing
GMD Florian Ludwig.
GMD Florian Ludwig. © WP / Michael Kleinrensing
"Toni singt - im Kindergarten" Workshop - Bildungskongress Chorszene NRW vom Chorverband NRW in Hagen. © WP / Michael Kleinrensing
"Toni singt - im Kindergarten" Workshop - Bildungskongress Chorszene NRW vom Chorverband NRW in Hagen. © WP / Michael Kleinrensing
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Da passt es ins Bild, dass die Teilnehmer des Kongresses zwar aus ganz NRW kommen, beim Mitsingkonzert am Samstagabend aber überwiegend unter sich bleiben. Die Chöre der Stadt Hagen und des Umlands nutzen nicht als Vereine, sondern höchstens als Einzelpersonen die Chance, von dem Programm zu profitieren. Das ist ein Indiz dafür, wie stark die Szene im Umbruch ist und wie sehr die Schere zwischen neuen Sängern und der traditionellen Vereinsstruktur auseinander zu gehen droht.

Kongresse auf Laienchorebene

„Ich finde die Idee grundsätzlich sehr gut, auf der Laienchorebene Kongresse anzubieten, um Chorsänger und Chorleiter in verschiedenen Workshops mit Informationen zu füttern“, resümiert Ute Debus. Die Siegener Universitäts- und Kirchenmusikdirektorin wirkt als Dozentin und hört sich zudem die Kurse der Kollegen an. „Die Resonanz spricht dafür, dass der Kongress regelmäßig organisiert werden sollte. Die Teilnehmer sind sehr aufmerksam. Für mich als Kirchenmusikerin dient die Tagung auch der Vernetzung, und das finde ich schön.“

Die Chorleiter und Sänger sind begeistert, am ersten Abend beim Mitsingkonzert stimmgewaltige Gemeinschaft zu praktizieren. Gleich vier Dirigenten führen hier den Stab: Neben Florian Ludwig der schwedische Chorpapst Robert Sund sowie die Leiter des Landesjugendchores, Christiane Zywietz-Godland und Hermann Godland. „Ich bin sehr zufrieden“, zieht Florian Ludwig Bilanz. „Der Kongress hat mir und dem Orchester sehr viel Spaß gemacht, auch beim Zuhören. Es war wirklich für alle etwas dabei, nicht nur für die Fachleute. Und es ist doppelt schön, dass man musikalisch noch ein wunderbares Erlebnis zum Abschluss hatte.“