Hagen. Die anhaltende Hängepartie rund um den endgültigen Status von FDP und AfD im neu gewählten Hagener Rat entwickelt sich immer mehr zu einem unwürdigen Gezerre. Bis zur nächsten Ratssitzung sollen die Juristen die Situation endgültig klären.

Obwohl die Hagener Wähler mit 3,6 bzw. 3,7 Prozent der Stimmen den beiden Parteien lediglich zwei Sitze im Stadtparlament und somit bloß einen Gruppenstatus zugedacht hatten, gelang es den beiden Front-Männern Claus Thielmann (FDP) und Michael Eiche (AfD) jeweils einen Kopf aus anderen politischen Lagern in ihr Parteiboot zu ziehen. Michael Grzeschista, der am 25. Mai noch den Wahlbezirk Eilpe für die Sozialdemokraten direkt geholt hatte, entdecke drei Tage vor der konstituierenden Sitzung des Rates nach jahrelangem Genossentum plötzlich sein Herz für den Liberalismus.

Und Jacques Kempkens, im Wahlkampf noch engagierter Streiter für die Ideen von Hagen Aktiv, mutierte urplötzlich zum AfD­ler. Politische Transfers, die nach Ansichts der Rathaus-Teppichetage um Oberbürgermeister Erik O. Schulz aus politischen Duos saubere Trios machten und somit den Parteien den Fraktionsstatus mit allen politischen und finanziellen Rechten bescherte.

Anderslautende Gerichtsurteile

Mit dieser Entscheidung, so wettern SPD, Hagen Aktiv und Linke inzwischen unisono, bewegten sich die Hausjuristen der Stadt auf extrem dünnen Eis.

So hat der 15. Senat des Oberverwaltungsgerichts NRW im Juni (AZ: 15 B 725/14) dieses Jahres eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Minden ausdrücklich bestätigt, wonach es einer exakten Prüfung bedarf, ob ein Zusammenschluss von Mandatsträgern lediglich darauf abzielt, finanzielle Vorteile und/oder eine Verstärkung der Rechtsposition der Vereinigung zu erlangen.

Linken-Chef Hentschel drückt aufs Tempo

Linken-Fraktionschef Ingo Hentschel geht der Prozess der Entscheidungsfindung nicht schnell genug: „Seit der letzten Ratssitzung, in der Hagen Aktiv bereits die Anfrage zur Rechtmäßigkeit der beiden Fraktionen gestellt hat, ist eine Woche vergangen – da hätte man schon mal was erarbeiten können. Die Sache soll wohl auf die lange Bank geschoben werden.“

Hentschel gibt ausdrücklich zu bedenken, dass im Rat und in den Ausschüssen auf Dauer immer mehr Beschlüsse mit dem Zutun von Fraktionen gefasst werden, die möglicherweise gar keinen Fraktionsstatus haben.

Bei Ratsmitgliedern, die nicht auf einer gemeinsamen Liste einer Partei angetreten seien, reiche der plötzliche Abschluss einer Vereinbarung über eine gemeinsame Fraktion nicht aus. Vielmehr müsse das nachhaltige Zusammenwirken durch praktische Ratstätigkeit untermauert werden. Dies sei, so das Gericht, wenige Wochen nach Abschluss einer solchen Vereinbarung nicht möglich.

Für SPD, Hagen Aktiv und Linke der klare Hinweis darauf, dass FDP und AfD frühestens nach einer angemessenen Bewährungsfrist eine Chance haben, als Fraktionen mit allen Rechten anerkannt zu werden.

Keine rechtliche Überprüfung

„Seit der letzten Sitzung des Hauptausschusses am vergangenen Donnerstag hat man das Gefühl, die Verwaltung schiebt sich jetzt untereinander den schwarzen Peter zu“, kritisiert SPD-Fraktionschef Mark Krippner das anhaltende Verwirrspiel. So hatte Rechtsamtsleiter Manfred Hoffmann in öffentlicher Sitzung zu Protokoll gegeben, die durch das Überwechseln von Mandatsträgern zustande gekommenen Fraktionen nicht rechtlich geprüft zu haben. Das sei im Amt des Oberbürgermeisters geschehen. Der beantragte Zusammenschluss von „Bürger für Hohenlimburg“ und Piraten hingegen war im Rechtsamt geprüft und abgelehnt worden.

„Dieses Verfahren erweckt doch ganz klar den Eindruck, dass hier nicht rechtlich gradlinig und unabhängig gearbeitet wird, sondern politisch motivierte Entscheidungen getroffen werden“, so Krippner. Gruppierungen, die politisch eher dem linken Lager zuzuordnen sind, seien in einem Schnellverfahren aussortiert worden, die dem Jamaika-Bündnis angehörenden oder nahestehenden Parteien würden möglichst verschont. „Hier gab es keine rechtliche Überprüfung nach dem Urteil des OVG NRW. Hier wurde in der Teppichetage einfach bis drei gezählt und dann festgestellt, dass drei Mandatsträger, die sich die Hände reichen, eine Fraktion bilden können“, stellt der SPD-Fraktionsvorsitzende fest.

Dringlichkeitsantrag

Per Dringlichkeitsantrag besteht Hagen Aktiv jetzt auf einer Klärung der offenen Rechtsfrage. OB Schulz hat inzwischen zugesagt, die umstrittene Fraktionsbildung von FDP und AfD im Nachhinein rechtlich genauestens überprüfen zu lassen. Das Ergebnis soll am Montag, 15. September, also rechtzeitig zur nächsten Ratssitzung vorliegen.