Hagen.

Am Ende ihres langen Lebens war Evelyn Wuster (Name geändert) bettlägerig. Der alleinstehenden Frau war ein gesetzlicher Betreuer zugeteilt, der ihre kleine Rente verwaltete und sich um ihre persönlichen Angelegenheiten kümmerte. Gepflegt wurde sie in einem Altenheim in Haspe, doch wirklich nahe stand ihr wohl nur Irene Kecker (72): „Ich bin bei den Grünen Damen und habe Frau Wuster acht Jahre lang besucht. Sie war ein zufriedener Mensch und hat nie gemeckert. Aber zuletzt war sie so krank, dass wir uns nicht mehr unterhalten konnten.“

Dass Evelyn Wuster nicht mehr lange leben würde, hatte Irene Kecker geahnt, als sie die alte Dame eines Morgens Anfang Mai fütterte: „Sie konnte kaum schlucken, die Nase war weiß und spitz, die Augen anders als sonst. Das habe ich als Grüne Dame schon ein paarmal gesehen.“ Als sie zu ihrem nächsten Besuch ins Altenheim zurückkehrte, war Evelyn Wuster nicht mehr da. Erst von einem Bestattungsunternehmer erfuhr Irene Kecker, wo und wann die Beerdigung stattfinden sollte. Und so kam es, dass sie – von dem Dienst habenden Mitarbeiter des Wirtschaftsbetriebes einmal abgesehen – allein mit einer Blume in der Hand im Ruheforst auf der Philippshöhe stand, als die Urne mit Evelyn Wusters Asche unter einer Buche in der Erde versenkt wurde. „Die Würde eines Menschen endet nicht mit dem Tod“, sagt Irene Kecker im Brustton der Überzeugung.

Fürsorge ungerührt eingestellt

Sie ist nicht gut zu sprechen auf den gesetzlichen Betreuer der Verstorbenen. Der habe nach ihrer Auffassung schier gar nichts unternommen nach dem Ableben von Evelyn Wuster, weder die Beerdigung organisiert noch die Nachricht vom Tode der Seniorin weitergegeben. Mit anderen Worten: Nachdem die Dame gestorben und damit als Geldquelle ausgefallen sei, habe der Betreuer seine Fürsorge ungerührt eingestellt, so der Vorwurf von Irene Kecker: „So dass Frau Wuster beinahe in völliger Anonymität bestattet worden wäre.“

Auch interessant

Was Irene Kecker beklagt, ist jedoch nicht ungewöhnlich. Denn rechtlich enden die Aufgaben eines Betreuers mit dem letzten Atemzug eines Patienten. Aus diesem Grund kann und darf der Vormund die Bestattung schon deshalb nicht in Auftrag geben, weil er mit dem Verstorbenen – juristisch betrachtet – nichts mehr zu tun hat, auch wenn er ihn Jahrzehnte lang betreut haben sollte. „Nichtsdestotrotz gibt es natürlich Betreuer, die sich menschlich verpflichtet fühlen, zum Beispiel an der Bestattung teilzunehmen“, berichtet Ute Korflür, Abteilungsleiterin für Betreuungsangelegenheiten im städtischen Sozialamt. Dem Betreuer ist also letztlich kein Vorwurf zu machen.

Zehn Urnen unter einem Baum

Im Falle von Evelyn Wuster war das Altenheim, in dem sie lebte, dafür verantwortlich, dass alle für die Beerdigung notwendigen Schritte eingeleitet wurden. Für die Kosten kommt, falls die Verstorbenen kein Vermögen besitzen, die Stadt auf. Bis Mitte 2013 wurden Menschen, die keine Angehörigen hatten, nach der Einäscherung auf dem Friedhof in Delstern bestattet, mittlerweile jedoch im Ruheforst auf der Philippshöhe.

Bis zu zehn Urnen finden unter einem Baum Platz, die Beerdigung kostet ca. 250 Euro (inklusive Namensschild). Nach Auskunft der Stadtverwaltung sterben pro Jahr etwa 100 Menschen, die auf diese Weise beigesetzt werden, weil sie niemanden haben, der sich um die Bestattung kümmert.

In Hagen gibt es 75 Berufsbetreuer (häufig Rechtsanwälte oder Sozialarbeiter), die das Vermögen von Menschen verwalten, welche ihre Geschäfte nicht mehr allein regeln können. Die Entscheidung, ob jemand einen Vormund erhält, trifft das Betreuungsgericht, weil es sich um einen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte handelt. „Doch muss die Stadt zuvor in jedem Fall ein Gutachten über die Notwendigkeit eines solchen Schrittes erstellen“, so Reinhard Goldbach, Leiter des Fachbereichs Soziales.

Abschiedsworte einer Grünen Dame

Trotz des umfangreich reglementierten Betreuungsrechtes sind es ehrenamtlich engagierte Menschen wie die Grünen Damen, die ein wenig Trost, Nähe und Abwechslung in das Leben alter, alleinstehender Heimbewohner bringen, zumal wenn diese das Bett nicht mehr verlassen können. Und die bei der Bestattung – so wie Irene Kecker im Fall von Evelyn Wuster – ein paar Abschiedsworte sprechen.

Denn die Würde eines Menschen endet nicht mit dem Tod. . .