Bathey. . In den Ruhrauen unterhalb der Syburg ist die Natur ihr eigener Chef. Wie in 21 anderen Naturschutzgebieten der Stadt Hagen greift der Mensch in die Entwicklung kaum ein. In unserer Sommerserie stellen wir diese Kleinode.
Man schützt nur, was man kennt. Wer einmal gesehen hat, worum es sich zu kämpfen lohnt, beginnt damit, sich zu identifizieren. Und wer sich identifiziert, engagiert sich. So einfach kann das sein. Ganz sicher: Wer einmal mit Ralf Blauscheck durch dieses faszinierende Stück Hagen gestreift ist, wird mit dem Wunsch nach Hause fahren, es erhalten zu wollen. Die Sache mit dem Wunsch wird nur schwierig, wenn man hier als Normalbürger gar nicht hinkommt. Ein artenreicher Schatz an der Stadtgrenze zu Dortmund. So nah und doch so fern.
Der Begriff Aue hinkt. Denn das, was eine Aue eigentlich ausmacht, ist nicht mehr in jener Ausprägung vorhanden, die es nach der Eiszeit einmal angenommen hatte. Als Uferlandschaft der Ruhr, deren Form und Artenvielfalt entscheidend vom Wechsel zwischen Hoch- und Niedrigwasser geprägt wurde. Auen sind gerade durch den Wechsel zwischen Überflutung und Trockenfallen dynamische Lebensräume. Die Überflutung aber geschieht kaum noch. „Hier wird die Natur in ein Korsett gezwängt“, sagt Ralf Blauscheck.
Fingerzeig der Natur
Er steht hüfthoch im Gras und deutet auf zwei Pechlibellen, die um ihn herum kreisen. Das Korsett ist hier die Autobahn. Die Eisenbahntrasse. Ein Campingplatz. Die Ruhraue/Syburg ist ein Fingerzeig der Natur, wie das hier alles mal gedacht war, bevor der Mensch erst das Rad und irgendwann denn Bagger und die Dampflok erfand.
36 Hektar. Das Auge kann weit blicken. 70 Prozent der Flächen bestehen aus Wiesen und Weiden. Das Gebiet zwischen Autobahn A1 und dem Fuß des Ardeygebirges ist ein von der Ruhr, mehreren Bächen und Gräben bestimmtes, grundwassernahes und in weiten Bereichen deshalb stark vernässtes Wiesengelände. Der Lärmpegel durch die Autobahn und vorbeirauschende Züge ist relativ hoch. „Das macht es für Besucher nicht attraktiver“, sagt Ralf Blauscheck, Leiter der Biologischen Station.
Chance für Wiesenbrüter
Noch stehen die Wiesen hoch. Ab dem 1. Juli darf hier erst gemäht werden. Ein Flächenbereich nahe dem Ruhrufer wurde bereits gestutzt, um der Ausbreitung des giftigen Jakobs-Kreuzkrautes Herr zu werden (wir berichteten). Da, wo jetzt durch den vorgezogenen Mahd-Termin eine Nahtstelle zwischen hohem und flachem Gras entstanden ist, gibt es auch wieder eine Chance für Wiesenbrüter, sich hier niederzulassen und neu anzusiedeln. Feldlerche, Wiesenpieper, Schafstelze oder Kiebitze waren hier früher oft gesehene Gäste. Sie haben sich zurückgezogen, weil sie niedriger bewachsene Flächen zum Leben benötigen als die hoch stehenden Wiesen der Ruhraue. Aber: Da, wo Landwirt Külpmann mit Sondergenehmigung jetzt schon mähen durfte, sind bereits vier oder fünf Exemplare des Kiebitzes gesichtet worden.
Stehende Gewässer und zwei Bäche sind wichtiger Lebensraum
Schon im 19. Jahrhundert wurde das Gebiet als Grünland und Weide genutzt.
1930 wurde das Pumpspeicherwerk fertiggestellt. Fortan hob und senkte sich der Wasserspiegel täglich um bis zu einem Meter. Das hat auch Auswirkungen auf das Naturschutzgebiet.
Das Gebiet der Ruhraue Syburg war seit Ende der 50er-Jahre im Besitz der Stadtwerke Hagen, die das Gelände erwarben, um hier bei Bedarf eine Wassergewinnungsanlage einzurichten.
Das Naturschutzgebiet hat eine Fläche von 36 Hektar. 70 Prozent bestehen aus Wiesen und Weiden, die extensiv landwirtschaftlich genutzt werden. Die restlichen 30 Prozent sind aufgrund der anstehenden Feuchtigkeit mittlerweile Brachland.
Über 200 Pflanzen- und 59 Vogelarten machen das Gebiet attraktiv als Rast- und Nahrungsfläche.
Insgesamt gibt es im Gebiet vier größere stehende Gewässer und zwei Bäche. Sie werden von Kopfbäumen gesäumt und bilden einen wichtigen Lebensraum für seltene Arten.
2009 konnte in einer ehemaligen Flutmulde eine 2000 Quadratmeter große Blänke angelegt werden.
Eine Gefahr für die Ruhraue: die Erholungsnutzung. Das unerlaubte Betreten oder das Eindringen freilaufender Hunde sowie Grillaktivitäten verursachen Müll und Lärm und stören das Gebiet erheblich.
Mit dem Bus erreicht man das Naturschutzgebiet problemlos. An der Haltestelle Dortmund-Syburg aussteigen und dann über die Syburger Dorfstraße.
Per Zug kann man bis Schwerte-Westhofen fahren und dann zu Fuß oder mit dem Rad über die Reichshofstraße und Westhofener Straße bis zum Naturschutzgebiet gelangen.
Nach Hunderten Schritten in das Gebiet hinein, öffnet eine Blänke das Areal. „Hier hatten wir einfach riesiges Glück“, sagt Ralf Blauscheck. Denn die Schaffung dieses Tümpels ist nur möglich geworden, weil der Aushub beim Umbau der nahegelegenen Autobahn wieder verbaut werden konnte. Gerätschaften und Abtransport hätten das schmale Budget des Naturschutzgebietes wohl explodieren lassen.
Wassergewinnungsanlage war geplant
Fast wäre dieses wunderbare Stück Natur in dieser Form nicht erhalten geblieben. „Die Stadtwerke wollten hier einst mal eine Wassergewinnungsanlage installieren“, sagt Ralf Blauscheck. Die Pläne kamen vom Tisch.
1995 wurde die Ruhraue unter Naturschutz gestellt. Die NRW-Stiftung kaufte sie im Jahr 2002 und stellt seither auch ein Budget für jährliche Arbeitsmaßnahmen zur Verfügung. „Man muss hier ständig am Ball bleiben“, sagt Ralf Blauscheck. Er und die Biostation werden hier weiter ein Auge auf die Artenzusammensetzung und die Pflanzenarten haben und dafür sorgen, dass aus der Feuchtwiese kein Feuchtwald wird.
Und wer weiß? Vielleicht entsteht entlang des Walls an der Autobahn ja irgendwann ein ordentlich begehbarer Fußgängerpfad. „Das würde es für Besucherführungen natürlich attraktiver machen“, sagt Blauscheck. Bis dahin lohnt aber auch ein Spaziergang auf den festen Wegen am Rande des Naturschutzgebietes.