Hagen. . Menschen aus 29 von 32 WM-Teilnehmer-Nationen leben in Hagen. Wir haben ausländische Mitbürger aus unserer Vorrunden-Gruppe in die Redaktion eingeladen und über die Weltmeisterschaft gesprochen. Mit einem Augenzwinkern. Hagen, du Goldgrube, der WM-Frotzeleien.

Ohhh, was ist das herrlich. Einfach mal in einen Gyros-Grill rein und schön frotzeln. Den Bosnier von nebenan aufziehen. Auf fallsüchtige Italiener schimpfen. Dem Dönermann ein paar Sprüche über die Theke jagen, weil seine Jungs nicht dabei sind. Hagen, du Goldgrube der WM-Frotzeleien. 32 Nationen nehmen an der Weltmeisterschaft teil.

Aus 29 davon leben Menschen bei uns in Hagen. Und weil wir deutschen Fußball-Fans so bekannt für unsere Zurückhaltung, Bescheidenheit und realistischen Erwartungen an die finale Platzierung unseres Teams sind, haben wir mit einer Familie aus Ghana, einem Portugiesen und einem Amerikaner aus Hagen mal auf die Hammer-, ach was, die Mega-, nein, die „Wahnsinns-Gruppe“ G geschaut. Mit einem Augenzwinkern. Und der Frage: Wer von euch hat Lust, in dieser Gruppe Zweiter hinter uns zu werden?

Zusammenkunft der „Wahnsinns-Gruppe“ G in der Stadtredaktion (von links): Redakteur Mike Fiebig, Djibril, Ibrahim, Shamsiya und Yasin Hassane, Aaron Bowser, Paulo Felix und Kande Heyni Hassane.
Zusammenkunft der „Wahnsinns-Gruppe“ G in der Stadtredaktion (von links): Redakteur Mike Fiebig, Djibril, Ibrahim, Shamsiya und Yasin Hassane, Aaron Bowser, Paulo Felix und Kande Heyni Hassane.

Der Deutsche

Gestatten: Fiebig. Der Ungekrönte. Zu meiner Lebzeit haben wir zwar zwei Titel gewonnen. 1990 (Weltmeister) war ich aber erst sechs und 1996 (Europameister) zwölf Jahre alt. Wie ein kühles Pils zur Pöhlerei so schmeckt, vermochte ich da gar nicht zu erahnen. Rudel-Gucken mit Freiluft-Grölerei und Massen-Umarmungen mit Fremden? Gab’s nicht und hätte ich vermutlich nicht gedurft. Es wird Zeit für meine Zeit. Für das bewusste Auskosten eines Titels. Weltmeister-Autokorso am Graf-von-Galen-Ring, Stimmverlust wegen eines Urschreis beim finalen Abpfiff zum Titel und aufwachen am nächsten Morgen und ganz altmodisch den Videotext anmachen, um nachzugucken, ob’s auch wirklich stimmt. Fußball-Gott, schenk mir den Titel! Ich will jubeln dürfen.

Paulo Felix aus Portugal.
Paulo Felix aus Portugal.

Ghana? Ja, die Burschen können rennen und kämpfen wie Löwen. Aber eine Hürde? Ne, sind die nicht. 2:0 für Jogis Männer. Die USA schlagen wir 1:0. Bye, bye Klinsi. Und Portugal ziehst du den Stecker, in dem du einen Mann 90 Minuten hinter Ronaldo herhecheln lässt. Selbst wenn der aufs Klo geht, gehst du mit. 3:1 – Deutschland zieht mit neun Punkten ins Achtelfinale ein.

Die Ghanaer

Sie haben die ganze Familie ins Pressehaus mitgebracht. Kande Seyni Hassane mit Ehemann Ibrahim und den Kindern Yasin, Djibril und „Prinzessin“ Shamsiya. „Wenn Ghana Weltmeister wird, geben wir für alle Ghanaer in Hagen eine Party.“ Die wird sicher gut, aber eher ein Festchen als ein Fest. Es gibt nämlich nur 22 davon in Hagen.

Kande Heyni Hassane aus Ghana.
Kande Heyni Hassane aus Ghana.

„Ist doch auch egal“, sagt Kande Hassane, „die Menschen reden gerade über Ghana. Das ist doch das Tollste.“ Die Afrikaner, so schätzt Ibrahim Hassane, werden genauso Probleme mit dem Klima kriegen wie alle anderen auch: „Die meisten unserer Jungs spielen doch nur in Europa.“ Deutschland gegen Ghana, da schlagen zwei Herzen in ihrer Brust. „Das Spiel gucken wir in einer Kneipe am Bahnhof. Und wir sind auch happy, wenn Deutschland gewinnt. Aber: Ghana schlägt euch 1:0.“ Ihr liebenswerten Träumer.

Der Portugiese

„Paulinho“ steht auf dem Trikot von Paulo Felix. 1973 kam die Familie des Portugiesen nach Hagen. Doch seither haben die oft begnadeten Algarve-Kicker selten was geholt gegen die Männer mit dem Adler. „Die EM 2000 war ein Lichtblick.“ 3:0 gab es damals für Deutschland auf den Latz.

Danach aber gab’s regelmäßig Lehrstunden für Portugal. „Es sind immer wichtige Spieler angeschlagen gegen Deutschland“, sagt Felix, der es toll findet, wie bei der Arbeit unter Kollegen gefrotzelt wird während der WM. „Wenn ich ins Vereinsheim von Hagen 11 komme, sind jede Menge Sprüche vorprogrammiert.“ Übrigens: Der Jugend-Trainer bei den Elfern lässt sich zu einer Wette hinreißen: „Wenn Portugal Weltmeister wird, laufe ich halb nackt über den Loheplatz.“

Ibrahim Hassane aus Ghana
Ibrahim Hassane aus Ghana

Wir müssen nur noch klären, was „halb nackt“ bedeutet und in welche Richtung er dann flitzt. Richtung Wald oder Richtung Karl-Ernst-Osthaus-Straße? Zweiteres wäre witziger. „Auf dem Papier müssten Deutschland und Portugal weiterkommen“, sagt er, „aber das ist eine Hammer-Gruppe. Die USA könnten für eine Überraschung sorgen.“

Sollte nur Deutschland und nicht Portugal weiterkommen, hängt sein Herz an der deutschen Mannschaft. „Ich brenne für Portugal, aber Deutschland ist auch meine Heimat. Dann drücke ich den Jungs die Daumen.“

Der Amerikaner

Oh,oh,oh, zwei Flitz-Wetten in einer Gesprächsrunde. „Wenn der Portugiese halb nackt über den Fußballplatz läuft, renne ich halb nackt durch die City“, sagt Aaron Bowser, in Hagen lebender Amerikaner aus Arlington in Texas. „Meine Mannschaft ist besser geworden“, sagt der Amerikaner in Basketball-Diensten der BG Hagen, „ich glaube, wir können ins Achtelfinale kommen. Und ich glaube, dass wir Deutschland 1:0 schlagen.“ Ach ja? Und wer soll das Tor schießen bei den Stars-and-Stripes-Kickern? Bowser muss lachen: „Keine Ahnung, also die meisten von denen kenne ich gar nicht.“ Trotzdem: Wo USA drauf stünde, müsse auch USA drin sein. Und das heißt in der Sportwelt ja oft: Platz eins.