Hagen. . Was fällt ihnen ein, wenn Sie an eine Tankstelle denken? Der aktuelle Spritpreis? Oder wie teuer das Bier im Kühlschrank dort ist? Elke Wicker fällt dazu eine ganze Menge ein. Sie schreibt nämlich aktuell ein Buch. Über die Geschichte der Tankstellen in Hagen.

Früher war das anders. Weniger Einheitsbrei, mehr persönlicher Anstrich. Da war so eine Tankstelle auch immer der Willi oder der Karl oder der Heinz oder der Theo, der da bediente. Da gab es einen Frisör. Ein Café. Eine Schlosserbude. Vor allem aber gute Gespräche. Tankstellen, das waren in Hagen Treffpunkte mit Kult-Charakter im jeweiligen Viertel. Heute heißen Tankstellen Tanke. Und mit der schnöden Abkürzung des Begriffs ist auch eine Entwicklung einhergegangen.

Elke Wicker ein Kind der Tankstelle

Elke Wicker greift das Thema auf. Die Hagenerin ist ein Kind der Tankstelle und hat ein Buchprojekt gestartet, von dessen Schwungkraft sie so überrascht wurde wie ein Tankwart, der den Sprit plötzlich für 20 Cent verkaufen darf.

„Unglaublich. Hätte ich nicht gedacht“, staunt Elke Wicker. Sie hat alte Tankstellen-Pächter angerufen und von ihrer Idee erzählt und scheint damit einen Nerv getroffen zu haben, der längst mal hätte aktiviert werden müssen. Tankstellen-Nostalgie. Jetzt hat Elke Wicker mehr als 300 Fotos beisammen und bringt im Hagener Ardenku-Verlag ein Buch heraus: „Von der Zapfsäule zur Tankstelle. Hagener Tankstellen im Wandel der Zeit.“

Elke Wicker schreibt ein Buch über Tankstellen. Sie ist an einer
Elke Wicker schreibt ein Buch über Tankstellen. Sie ist an einer "Tanke" groß geworden und hat "Benzin im Blut." © Mike Fiebig

Auf so eine Idee kommt man, wenn man Benzin im Blut hat. Wenn man als Kind auf einer Tankstelle groß geworden ist, selbst später Tankstellenpächterin war und das ABC des ehrwürdigen Berufs des Tankwarts drauf hat. Das alles trifft auf Elke Wicker zu. 49 Jahre lang war die Total-Tankstelle an der Schwerter Straße in den Händen ihrer Familie. „Ich weiß, was da alles dranhängt“, sagt Wicker, „und ich will die Geschichte der Tankstellen in Hagen erzählen.“

Sie durchforstet alte Baupläne, recherchiert bei alten Pächtern, verarbeitet Fotos und verfasst kleine Geschichten und Erklärstücke zu den historischen Bildern. Die alte Horten-Tankstelle an der Holzmüllerstraße, „Röttger“ am heutigen Vorhaller Kreisel, die B.V. Aral in Delstern, Hausemann an der Hagener Straße, die Caltex-Tankstelle am Ischeland – die Liste könnte noch ewig weitergeführt werden. Nur ein Ausschnitt und Vorgeschmack für alle, die das Thema berührt.

Höhepunkt in den 60er-Jahren für Hagens Tankstellen

In den 1960er-Jahren erlebten die Tankstellen ihren Höhepunkt in Hagen. Das Wirtschaftswunder motorisierte Millionen Menschen. Sie alle wollten tanken und taten es zu Preisen, die heute so unvorstellbar sind wie ein Strandbad an der Volme. „Fünf bis sieben Pfennig erzielten die Pächter damals pro Liter“, sagt Elke Wicker.

Heute bleiben nur wenige Cent vom Kraftstoffpreis für den Betreiber über und Tankstellen sind längst zu kleinen Supermärkten geworden, in denen man so ziemlich alles kriegt, wenn auch oftmals zu Mondpreisen.

Historische Tankstellen in Hagen

Die „Horten-Tankstelle“ war architektonisch bemerkenswert. Bis zum Abriss in den 90-er Jahren wurde hier ein Autohandel betrieben.
Die „Horten-Tankstelle“ war architektonisch bemerkenswert. Bis zum Abriss in den 90-er Jahren wurde hier ein Autohandel betrieben.
Die Esso-Tankstelle, 1958 am Landgericht gebaut, verkaufte auch BMW-Motorräder, die Hugo Feldberg dem Pächter Claus Müller zur Verfügung stellte.
Die Esso-Tankstelle, 1958 am Landgericht gebaut, verkaufte auch BMW-Motorräder, die Hugo Feldberg dem Pächter Claus Müller zur Verfügung stellte.
Historisches Foto Tankstellen-Werkstatt in Hagen.
Historisches Foto Tankstellen-Werkstatt in Hagen.
Historisches Foto Esso Tankstelle in Hagen.
Historisches Foto Esso Tankstelle in Hagen.
30er-Jahre: Eine Tankstelle an der Böhmerstraße/Ecke Hochstraße.
30er-Jahre: Eine Tankstelle an der Böhmerstraße/Ecke Hochstraße.
An dieser Esso Tankstelle im unteren Oedeweg/Leimstraße konnte der Fahrer seinen Durst mit einem „Andreas Pils“ löschen. In den 70er Jahren wurden Tankstellen zunehmend zu Kiosken und Läden für den täglichen Bedarf.
An dieser Esso Tankstelle im unteren Oedeweg/Leimstraße konnte der Fahrer seinen Durst mit einem „Andreas Pils“ löschen. In den 70er Jahren wurden Tankstellen zunehmend zu Kiosken und Läden für den täglichen Bedarf.
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„Der Kult-Charakter ist weg. Die Tankstelle ist nicht mehr der Treffpunkt im Viertel“, sagt Wicker. Vielleicht nennen wir sie deshalb auch nur noch ganz kurz „Tanke“. Weil der persönliche Anstrich fehlt. Weil große Ketten dahinter stehen. Weil wir nicht mehr hingehen, um dort ein Bierchen zu trinken, sondern um es zu holen. Weil niemandem mehr der Sinn danach steht, dort länger zu verweilen. Was nicht heißt, dass es im Stadtgebiet nicht immer noch Tankstellen gibt, denen durch ihre Pächter eine persönliche Note verliehen wird.

„Das Buch wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres erscheinen“, sagt Petra Holtmann, Chefin des Ardenku-Verlages. Das Werk wird nach Stadtteilen aufgeteilt sein und die Vorgeschichte des Autos, die Architektur der Tankstellen, die Geschichte der Tankstellen-Werbung und ihre insgesamte Entwicklung beleuchten.

Bis dahin wird es weiter möglich sein, Verfasserin Elke Wicker Fotos zukommen zu lassen. Kontakt über den Ardenku-Verlag, mail@ardenkuverlag.de.