Hagen-Boele. Norbert Eikel und Alfons Kruse vom MGV Heiderose aus Boelerheide sind verärgert über die Aussagen von Chorverbandsleiterin Mechthild Heumann. Den Sterbegsang in der Chorszene können sie nicht mehr hören. Schrumpfende Chöre müssten kreativer und mutiger werden.
Eigentlich wollte Mechthild Heumann, Geschäftsführerin des Chorverbandes Hagen-Ennepe-Ruhr, im Gespräch mit unserer Zeitung Anfang März nur auf die Jahreshauptversammlung des Verbandes in Hagen hinweisen. Für Norbert Eikel und Alfons Kruse vom Männergesangverein Heiderose aus Boelerheide waren Heumanns Aussagen allerdings „höchst schädlich“ für das Chorwesen in der Region. Neumanns Zitate seien ein reiner „Sterbegesang“. Die Sangesbrüder wünschen sich im Interview mehr Tatendrang – und Chöre, die mutig sind, etwas Neues auszuprobieren.
Eigentlich ist es klar, dass die „Heiderose“ mit ihren 94 Mitgliedern nichts von Sterbegesang hören will. Meckern mit Ihnen nicht die Falschen?
Norbert Eikel: Man muss sich vielmehr fragen, warum die „Heiderose“ so viele Mitglieder hat. Das ist kein Zufall oder ein Boelerheider Phänomen. Das ist erarbeitet. Mit einem Konzept und einer Vision.
Die Aussagen der Chorverbandsleiterin Mechthild Heumann haben Sie sehr geärgert. Was hat sie denn Falsches gesagt?
Alfons Kruse: Sie hat Sätze gesagt wie „In puncto Beweglichkeit und frischem Wind passiert bei uns im Chorverband wenig“ oder „höchstens mit Projekten locke ich Sänger hinter dem Ofen hervor.“ In einem Bericht über die Chöre MGV 1846 Rheingold Eppenhausen und MGV Berchum aus dem Februar zeichnen die Verantwortlichen dort ein Schreckens-Szenario. Von fast dementen Sängern, vom „Benjamin“ der 60 ist und gebrechlichen Sangesbrüdern, die daheim abgeholt werden müssen. Wenn Sie so etwas hören, hätten Sie dann Lust in einen Chor einzutreten?
Eher weniger. Aber ein Großteil der Chöre hat ein angestaubtes Image. Und um sie herum verschwinden immer mehr Singgemeinschaften von der Bildfläche.
Eikel: Man kann sich diesem Schicksal ergeben und sich das so lange einreden, bis man es selber glaubt. Oder man krempelt die Ärmel hoch. Wenn ein paar müde Krieger den Sterbegesang einleiten, müssen alle anderen ja nicht mit daran zugrunde gehen.
Kruse: Wir kennen gute Chöre, die durch ihre hervorragende Arbeit den Schrumpfungsprozess aufhalten können und neue Mitwirkende gewinnen können.
Dann erzählen Sie doch mal, wie Sie das machen.
Eikel: Es sind drei Säulen auf denen der Fortbestand eines Chores fußt. Erstens: der Dirigent und Leiter. Zweitens: das Programm. Und drittens: die Ideen. Wir haben mit Stefan Lex einen Chorleiter, der es schafft, das Feuer für die Musik auch bei jüngeren Leuten zu wecken. Und wir werben ganz gezielt für den Chor, zum Beispiel mit Hauspost, die textlich und bildlich so verfasst ist, dass sie junge Menschen anspricht.
Kruse: Man muss sich bewusst machen, was für ein Produkt man anbietet Wir bieten Gesang, Gemeinschaft, Zusammenhalt und Freude. Wo gibt’s das?
Viele Leute scheuen den Besuch eines Chores vielleicht, weil sie nicht singen können.
Kruse: Aber gleichzeitig gibt es meterlange Schlangen bei Castingshows. Klar, die wollen alle berühmt werden. Aber im Grunde kommen sie wegen genau einer Sache: weil sie Musik und Gesang lieben. Und in einem Chor muss man kein begnadeter Sänger sein, das ist ja das Schöne.
Sind Fusionen der richtige Schritt in die Zukunft des Chorwesens in unserer Region? Müssen Chöre Zusammenschlüsse wagen, um weiter bestehen zu können?
Eikel: Ja, das ist absolut sinnvoll. Das Chorwesen geht aber in vielen Bereichen auch zugrunde, weil ältere Mitglieder sich nicht von ihren alten Denkweisen und ihren Zuständigkeiten trennen können. Eine Fusion aus drei Vereinen braucht zum Beispiel keine drei Vorstände und drei Kassen. Das kommt in der Realität aber noch vor.
Mit Norbert Eikel und Alfons Kruse sprach Mike Fiebig