Hagen. Kulturelle Einrichtungen müssen neue Besucherschichten gewinnen, um ihre Einnahmen zu erhöhen. So wird auch versucht, Menschen mit ausländischen Wurzeln zu gewinnen. Das Theater Hagen möchte die Jugend gewinnen.
Das Problem ist nicht neu, wird nur immer brenzliger. Die Zuschüsse für viele kulturelle Einrichtungen werden gekürzt, in Folge dessen muss sich die Einnahmesituation in den Häusern verbessern. Das Hagener Theater macht da keine Ausnahme. Ein Patentrezept, wie mehr Geld in die Kasse gespült werden kann, gibt es natürlich nicht. Und der Ratschlag „auch mal andere Wege gehen, um dadurch neue Besucherschichten zu gewinnen“ klingt zwar einleuchtend, ist aber nicht immer praktikabel.
Das Schauspielhaus Dortmund hat zum Beispiel eine neue Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Szene Istanbul“ aufgelegt. Es handelt sich hierbei um vier Gastspiele in türkischer Sprache mit deutschen Übertiteln, die in Kooperation mit dem Mülheimer Theater an der Ruhr konzipiert wurden.
Inszenierungen in fremder Sprache
Könnten Inszenierungen in fremder Sprache mehr Menschen mit Migrationshintergrund auch ins Hagener Theater locken? Gibt es Bestrebungen, Stücke, die sich besonders an Zuschauer mit fremden Wurzeln wenden, im Spielplan zu installieren?
Wir haben mit Norbert Hilchenbach, Intendant des Hagener Hauses, und Werner Hahn, Leiter der jungen Bühne Lutz, gesprochen.
Jede Produktion braucht Sicherheit
„Das Dortmunder Schauspielhaus präsentiert keine eigene Produktion, sondern Gastspiele“, unterstreicht Hilchenbach. Zur Erklärung: Die nach Dortmund eingeladenen Ensembles (aufgeführt wird u.a. „Der kleine Prinz“) – sind alle im Istanbuler Viertel Beyoglu beheimatet; es handelt sich also um ein Partnerstadt(teil)-Projekt. „Eine eigene Produktion in fremder Sprache zu inszenieren, wäre für unser Haus mit wahnsinnigen Schwierigkeiten verbunden. Und mit hohem Risiko. Denn wenn wir ein Stück in einer Spielzeit 12 bis 14-mal aufführen, brauchen wir die Sicherheit, dass die Produktion auch gut besucht wird“, bringt es Hilchenbach auf den Punkt.
Vor drei Jahren zeigte Hagen die von Hilchenbach inszenierte deutsch-türkische Oper „Gegen die Wand“. Die Oper basiert auf dem gleichnamigen Film von Fatih Akin, die Kompositionen, die okzidentale und orientalische Klänge vermischen, auf Ludger Vollmer. Die Produktion polarisierte das vielfach (gut-)bürgerliche Publikum in Hagen, war aber zweifellos ein großer Erfolg. „Gäbe es ein zweites ,Gegen die Wand’, würden wir es in Hagen spielen. Ich brauche einfach ein gutes Stück“, sagt Hilchenbach. Und ergänzt: „Wir wollen keine Folklore betreiben. Außerdem gibt es Ensembles, die ihr Handwerk verstehen und hochwertige zweisprachige Stücke anbieten, die wir dann als Gastspiel buchen.“
„Halber Apfel“ erfolgreich
Damit spielt der Intendant auf die deutsch-türkische Theatergruppe „Halber Apfel“ an, die in der letzten Spielzeit in Hagen ein deutsch-türkisches Theaterstück vor vollen Rängen (Hilchenbach: „Es kamen erfreulich viele türkische Gäste“) spielte und am 15. März mit der Theater-Komödie „Almanya ich liebe dich“ wiederkehrt.
Auch Werner Hahn ist sich sicher, weder dem Publikum noch sich selbst einen Gefallen zu tun, indem er ein Stück in fremdländischer Sprache produziere. „Ich spreche und verstehe kein Türkisch. Und ich habe auch keine Ohren, die im Stande sind, die Fülle der türkischen Musik aufzunehmen“, drückt der Lutz-Leiter seine Bedenken bildhaft aus. Im Hagener Kinder- und Jugendtheater gehe man andere Wege: „Zum einen greifen wir in unseren Produktionen – wie im Stück ,Zwei Männer sehen schwarz’ – das Thema Migration auf. Zum anderen haben viele junge Leute, die bei uns mitspielen, ausländische Wurzeln.“ Vor Jahren hätten im Jugendclub ausschließlich Kinder gutbürgerlicher Eltern mitgemacht, heute habe die Hälfte einen Migrationshintergrund.
„Junge Menschen – egal, ob mit deutschen oder fremdländischen Wurzeln – finden Wege, eine eigene Jugendkultur zu entwickeln. Kultur kennt keine Landesgrenzen. Es ist wichtig, Kinder früh mit Theater und Musik in Verbindung zu bringen. Außerdem darf man nicht vergessen, dass kulturelles Interesse weniger mit Herkunft als mit Bildung zu tun hat“, so Hahn.
Viele Nationalitäten beteiligt
Beim Tanzprojekt „Ballroom Dance“ sind jeweils 300 Schüler aktiv, „alle Schulformen und Schüler vieler Nationalitäten beteiligen sich“. 20 Gruppen sind mittlerweile bei den Schul- und Jugendtheatertagen dabei „und anders als früher ist der Anteil an Elite-Schulen heute marginal“, freut sich der Lutz- Leiter. „Und durch das Angebot ,Jeder Schüler ins Theater’ (der Theaterförderverein spendiert pro Spielzeit 4000 Eintrittskarten) bekommen Kinder unterschiedlicher Herkunft Gelegenheit, kostenlos das Theater zu besuchen“, so Hilchenbach. Und ergänzt: „Neue Besucher versuchen wir durch einen breit gefächerten Spielplan, der Stücke wie das schrille Musical ,Rocky Horror Show’ oder die Rockoper ,Jesus Christ Superstar’ enthält, zu gewinnen.“