Hagen. . Paul Wenzel wäre fast an seiner Spielsucht zugrunde gegangen. Dann kam der 22. Juni 2012. Der Tag, an dem die Dudelei der Automaten zum letzten Mal an das Ohr des Zockers drang. Geholfen hat ihm damals seine Lebensgefährtin. Heute hilft Paul Wenzel anderen im Kampf gegen die Sucht.

Sie kann dir alles versauen, diese klobige Kiste mit den ausgeleierten Knöpfen und diesem nervtötenden Düdeldüdeldü in Dauerschleife. Sie ist gierig. Nimmersatt. Und sie hat das Leben von Paul Wenzel fast in irreparable Trümmer gelegt.

Paul Wenzel sagt heute: „Ich wäre fast an meiner Spielautomaten-Sucht zugrunde gegangen.“ Dann kam der 22. Juni 2012. Der Tag, an dem das Düdeldüdeldü zum letzten Mal an das Ohr des Zockers drang. Der Tag, an dem er endlich aufhörte zu spielen. Paul Wenzel hat die Spielsucht heute im Griff und ist auf einer Mission. Er will helfen.

Paul Wenzel ist von solch beeindruckender Ehrlichkeit, dass man fast ein bisschen verlegen ist, einen derart tiefen Einblick in sein Inneres bekommen zu dürfen. „Ich mache mir nichts vor“, sagt er, „das habe ich Jahrzehnte lang gemacht und man sieht ja, wo das hingeführt hat.“

Fast sein ganzes Leben verzockt

Wenzel hat an den Spielautomaten dieser Stadt fast sein ganzes Leben verzockt. Was mit 20-Pfennig-Stücken begann, endete fast in einer finanziellen Katastrophe. „Man ging irgendwann gar nicht mehr in die Spielhallen, um zu gewinnen, sondern um zu spielen.“

Die Dudel-Kisten wurden zum psychologischen Ventil. Ein ganz normaler Spaziergang durch die Stadt war irgendwann gar nicht mehr möglich. Zwang und Drang übermannten die Seele, dominierten den Alltag, zerstörten alle sozialen Strukturen. Therapien, klar – Therapien, die hat Wenzel fast alle durchlaufen.

Gesprächsrunden, ambulante Angebote. Am Ende stand oft das Versagen. Der Rückfall. Und, noch viel schlimmer, die eigene Scham darüber. Schlimm, den Zwang auszuhalten. Schlimm, ihm nachzugeben. Schlimm, es später zu bereuen. An welcher Stelle der Teufelskreis am meisten schmerzt? Überall.

Wenzels Lebensgefährtin zog irgendwann die Reißleine. Sie verließ ihn. Es war der Moment, in dem er das erste Mal merkte, dass Schluss mit lustig ist. Seine Freundin war es leid, zu sehen, wie er sein Gehalt auf den Kopf haute und schon zu Monatsbeginn finanziell handlungsunfähig war. Da machte es „Klick“. Da fiel der Groschen erstmals nicht in einen Automaten, sondern in Wenzels Kopf. Am 22. Juni 2012. „Ich wollte das alles nicht mehr. Ich ging aus der Spielhalle raus und bin seitdem spielfrei“, sagt Wenzel.

Jetzt sollen auch andere profitieren

Das klingt so einfach. Tatsächlich steht davor ein langer Weg des Leidensdrucks, der Gesprächskreise, der Tiefschläge. Doch Paul Wenzel hat es gepackt. Mit beeindruckender Ehrlichkeit gegen sich selbst. Er legte seine Geschäftsfähigkeit in die Hände seiner Lebensgefährtin, die ihm eine zweite Chance gab – und fortan auch Taschengeld. Paul Wenzel hat diese Chance genutzt. Er ist im 18. Monat spielfrei. Er kann endlich wieder frei agieren. Auch finanziell. Er arbeitet gern mit Kindern als Integrationskraft an einer Schule. „Doch es ist wie bei einem Alkoholiker. Ich gehe zwar mit einem Lächeln an Spielbuden vorbei, ich darf den Rückfall aber nie ausschließen. Wenn ich das täte, würde es sofort wieder passieren.“

Von seinem Erfolg sollen nun auch andere Menschen profitieren. Süchtige egal welcher Art. Wenzel hat eine Selbsthilfegruppe gegründet. „Das Zusammengehörigkeitsgefühl, meine erlernten Methoden und meine Erfahrungen sind der Schlüssel zum Erfolg in dieser Gruppe“, sagt er. Bislang ist die Gruppe fünf Mann groß. Top-Verdiener und Mitten-im-Leben-Steher sind dabei, aber auch ganz einfache Leute. Der Schritt in diese Gruppe sei der erste Schritt in ein neues Leben, sagt Paul Wenzel.